Warum ich in einem Staat leben will, und warum ich in einer Demokratie leben will, habe ich bereits erklärt. Staat und Demokratie sind zwar nicht Gewähr, aber doch zwingende Voraussetzung, für meine dritte Willensbekundung:
Ich will meine Grundrechte wahrnehmen.
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist in dem Staat, in dem ich leben will, die primäre und nicht durch einfache Gesetze verletzliche Rechtsquelle mit Gültigkeit für alle Deutschen. Es hat sich zwar inzwischen in weiten Kreisen die Irrlehre herausgebildet, das deutsche Grundgesetz hätte weltweite Gültigkeit für alle Menschen, doch dient diese Überdehnung der Gültigkeit des Grundgesetzes bei näherem Hinsehen lediglich dazu, die Deutschen zu motivieren, den Nutzen der ganzen Welt durch eigenen Verzicht zu mehren, die eigene Kultur aus falsch verstandener Toleranz fremden Kulturen unterzuordnen und selbst mörderischen Feinden Tür und Tor und die Staatskasse weit zu öffnen.
Diese Einstellung, die auf der Welt einmalig und nur in Deutschland anzutreffen ist, beeinträchtigt die Grundrechte aller Deutschen in quasi allen Lebensbereichen enorm. Sie ist, wegen Überdehnung des Geltungsbereichs des Grundgesetzes selbst grundgesetzwidrig, und gilt doch als ungeschriebenes Gesetz mit der Kraft einer Staatsdoktrin.
Das vorab.
Noch vorab: Artikel 1, Grundgesetz, ist im eigentlichen Sinne kein Grundrecht, sondern lediglich eine Art Vorwort zu den Grundrechten in den Artikel 2 bis 19. Folgerichtig endet Artikel 1, in welchem die nicht näher definierte Würde des Menschen als Individuum innerhalb der Gattung für unverletzlich erklärt wird, mit dem konkreten Satz 3: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Und da rauschen sie auch schon herein, die Grundrechte.
Die meisten meinen ja, Grundrechte gälten für alle und jeden. Weit gefehlt!
Manche Grundrechte gelten für Jeden, bzw. Jedermann, andere betreffen alle Menschen, andere wiederum nur alle Deutschen, manche Grundrechte gelten für Männer und Frauen, andere jedoch nur für Männer, noch andere nur für Frauen …
(Eine vollständige Lister der unterschiedlichen Grundrechtsadressaten finden Sie am Ende dieses Kommentars.)
Auch die Auffassung, die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes gälten für die ganze Welt ist – besonders unter Politikern – weit verbreitet. Doch selbst wenn dieses Grundgesetz den Terminus „alle Menschen“ verwendet, kann davon geschützt, bzw. betroffen nur sein, wer sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes befindet, der gleich zweimal definiert ist, nämlich einmal schon im Titel: „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“, was auch geografisch verstanden werden muss, und zum anderen in der Präambel, wo es heißt: „Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk“.
Wenn ich nun mit der Fragestellung der ARD-Themenwoche: „Wie wollen wir leben?“, beschreibe, dass und wie ich meine Grundrechte wahrnehmen will, dann als Deutscher und Teil des gesamten deutschen Volkes. Meinem Wunsch, meine Grundrechte wahrzunehmen, stehen als Gegenpart nur die Organe der Exekutive und der Judikative der Bundesrepublik gegenüber. Nur die Exekutive Deutschlands ist verpflichtet, meine Grundrechte zu wahren. Nur die Exekutive Deutschlands ist in der Lage, meine Grundrechte zu beschneiden. Nur die Judikative kann mir helfen, meine Grundrechte gegen die Exekutive durchzusetzen. Im Sonderfall der Demokratie, in dem wir leben, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Exekutive über ihre parlamentarische Mehrheit per Fraktionszwang auch die Gesetzgebung beherrscht, muss die Rolle der Legislative, der eben „Nicht-Volksvertretung“, nicht gesondert betrachtet werden. Sie ist schlicht der Exekutive zuzuschlagen.
Doch selbst im perfekten Staat mit perfekter Demokratie und funktionierender Gewaltenteilung sind Grundrechtsverletzungen durch inländische Rechtsbrecher und ausländische Mächte möglich. Wo es mir ohne erhebliche Gefahr für Leib und Leben nicht mehr möglich ist, mich an jedem öffentlichen Ort in Deutschland frei zu bewegen, wo es mir nicht möglich ist, mich vor dem Bruch des Fernmeldegeheimnisses durch ausländische Spionageeinrichtungen zu schützen, weil mein Staat – auch bei bestem Willen – definitiv nicht in der Lage ist, das eine wie das andere zu verhindern, stehe ich mit meinem Grundrechtsanspruch da, wie ein Gläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter, der das Verfahren mangels Masse eingestellt hat.
Nur das, was der Staat selbst gewährleisten kann und muss, ist wirksam einklagbares Grundrecht. Wo nicht der Staat Urheber der Grundrechtsverletzung ist, und auch über keine Mittel verfügt, Grundrechtsverletzungen durch Dritte zu verhindern, berührt das nicht meinen „Vertrag“ mit meinem Staat und kann gegenüber diesem nicht eingefordert werden. Diese Fälle sind jedoch eher theoretischer Natur, denn es ist Teil des Auftrags des Staates, mich vor Verletzung meiner Grundrechte durch Dritte zu schützen. Wenn ihm die dafür erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen, handelt es sich in der Regel um Versäumnisse, um falsche Prioritätensetzung oder schlicht um ideologisch begründete Entscheidungen zu Lasten meiner Grundrechte, also um die missbräuchliche Nicht-Wahrnehmung des Gewaltmonopols, zu Gunsten dessen die Deutschen darauf verzichtet haben, zur Durchsetzung ihrer vitalen Interessen selbst Gewalt anzuwenden.
Entschuldigen Sie bitte diese Vorüberlegungen zur Natur der Grundrechte. Ich halte sie für das Verständnis der Materie und die konkrete Würdigung des „Zustands“ unserer Grundrechte für zwingend erforderlich.
Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
„Persönlichkeit“ ist ein ebenso undefinierbarer Begriff wie die „Würde“ des Menschen. Folglich ist auch nicht zu bestimmen, was zur „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ gezählt werden kann. Es ist aber unübersehbar, dass hier der Grundsatz: „Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit des Andern beginnt“, zum Ausdruck gebracht werden sollte, wobei auch Anklänge an Kants Kategorischen Imperativ zu erkennen sind. Damit könnte ich gut leben, wären da nicht statt der „Freiheit des Anderen“ die „Rechte anderer“ in den Text gerutscht. Dies ist ein gravierender Unterschied! Denn „Rechte“ werden eben nicht nur per Grundgesetz allen gleichermaßen gewährt; Rechte werden zu einem erheblichen Teil erworben – und „erwerben“ ist oft gleichbedeutend mit „kaufen“.
Aus Artikel 2 kann also abgeleitet werden, dass es zwischen dem Maß der freien Entfaltung des Einzelnen und dem Maß des Vermögens des Einzelnen zumindest eine eindeutige Korrelation gibt. Das Wissen um diese Korrelation hat ursprünglich dazu geführt, dass Errichtung und Betrieb der Infrastruktur der Grundversorgung Aufgabe der öffentlichen Hände sein sollte, die durch kostendeckende Preise gegenüber den Nutzern abzurechnen sei. Nur wenn die Versorgung mit Wasser, die Entsorgung des Abwassers, wenn die Verkehrsinfrastruktur, das Post- und Fernmeldewesen, die Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie, das Schulwesen, die Polizei, die Gerichtsbarkeit, usw., in Händen des Staates liegen, wird zumindest in Bezug auf die Verfügbarkeit einer existenznotwendigen Versorgung mit Waren und Dienstleistungen jene Gleichheit gewahrt, die im folgenden Artikel 3 noch zu besprechen ist. Wo es möglich ist, dass „andere“ Eigentumsrechte an den Einrichtungen der Grundversorgung erwerben, also kaufen können, wird die „freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen“ bereits von den wirtschaftlichen Interessen „der anderen“ tangiert und kann nur noch in dem Maße gelebt werden, wie Einkommen, bzw. Vermögen ausreichen, die Gewinninteressen der Eigentümer (ehemaligen) Volksvermögens zu befriedigen. Grundversorgung in privater Hand eröffnet zumindest die legale Möglichkeit des erpresserischen Umgangs mit den erworbenen Gütern, weil keine adäquaten Möglichkeiten zur Substitution vorhanden sind. Es gibt neben der privatisierten Autobahn keine zweite, im öffentlichen Besitz. Es gibt neben dem Wasserhahn, aus dem das privatisierte Trinkwasser kommt, keinen zweiten Wasserhahn mit öffentlich-rechtlich gefördertem Wasser. Ganz abgesehen davon, dass deutsche Wasserreserven, wurden erst einmal die Rechte verkauft, von internationalen Konzernen ausgebeutet, in Flaschen abgefüllt und mit horrenden Gewinnen exportiert werden.
Insofern sehe ich mich durch die forcierten Privatisierungsbemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden und die mich in Folge belastenden Rechte-Einräumungen für „andere“ in meinem Grundrecht nach Art. 2, GG, verletzt. Nur die Rückabwicklung der Privatisierungen der Grundversorgung könnte das heilen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Satz 1, „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, wäre ein schöner Satz, gäbe es nur ein Gesetz, das unterschiedslos auf alle Menschen anzuwenden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Die Unzahl von Gesetzen in unserem Lande zerlegt diesen Gleichheitsgrundsatz in Milliarden von Ungleichheiten, indem die Gesetze auch noch die kleinsten Differenzen in Umständen und Sachverhalten herausstellen, um das Prinzip der Gleichheit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und auf kleinste noch darstellbare Populationen herunterzubrechen, innerhalb derer die Gleichheit vor den zutreffenden Gesetzen, unter Berücksichtigung des Ermessenspielraums der Richter gerade noch herzustellen ist. Wer die Spruchpraxis der Gerichte aufmerksam verfolgt, kann unschwer feststellen, dass das alte Sprichwort: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, bis heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat. Ohne auf die Masse der Einzelfälle weiter einzugehen
(Die Kassiererin, die wegen der „Unterschlagung“ von Pfandbelegen im Wert weniger Euro nach dem Gesetz zu Recht den Job verlor, und der Manager, dessen Verfahren wegen Betrugs gegen Zahlung einer zwischen Staatsanwalt, Richter und Verteidigung abgesprochenen Geldbuße ohne weitere Konsequenzen eingestellt wurde, sollen als Beispiel genügen)
will ich nur einen Grund dafür anführen. Das ist schlicht das Kostenrisiko, das die „Kleinen“ auf dem Instanzenweg in den Ruin treibt, während der beklagte Großkonzern, nur um keinen für ihn schädlichen Präzedenzfall zu schaffen, den Weg durch die Instanzen nahezu nach Belieben in die Länge ziehen kann.
Alleine eine Änderung der Gebührenordnung, die einerseits nicht mehr nach einem fast beliebig ansetzbaren Streitwert, sondern nach der Schwierigkeit der Materie gestaffelt wäre, vergleichbar der Abrechnung der Ärzte bei Privatpatienten, mit ggfs. bis zum Dreifachen oder Vierfachen der Standardgebühr, und der Maßgabe, dass die obsiegende Streitpartei die Abgeltung der eigenen Anwaltskosten nur für einen (in Zahlen: 1) Anwalt einfordern darf, wäre der Gleichheit vor dem Gesetz schon in ganz erheblichem Umfang zur Geltung verholfen.
Im strafrechtlichen Bereich treffen wir derzeit auf eine Situation, die von der Überlastung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte geprägt ist, was im Extremfall nicht nur dazu führt, dass der Prozessbeginn erst nach dem Eintritt der Verjährung zu liegen käme, was automatisch Straffreiheit bedeutet, wir sehen auch eine Vielzahl von Fällen, die von der Staatsanwaltschaft frühzeitig eingestellt werden – und wir sehen etliche Fälle, in denen eine höchst einseitige Tendenz der Würdigung der politischen Anschauung der „Verdächtigen“ zu erkennen ist, was den Verfolgungsdruck hier mindert – dort verschärft. Dies steht m.E. im Widerspruch zu Satz 3, der eine Bevorzugung oder Benachteiligung wegen der politischen Anschauung untersagt. Hier wünsche ich mir, dass Justitia entweder beide Augen geschlossen hält, wie es geboten ist, oder eben beide Augen öffnet, was vermutlich die zweitbeste Lösung wäre. Einäugig ist mir Justitia ein Graus.
Ein Satz noch zur Gleichberechtigung von Mann und Frau: So, wie es Artikel 3 gebietet, ist alles vollkommen in Ordnung. Unter dem Hut dieses Artikels hat sich die Förderung der Gleichberechtigung, wo Nachteile bestehen, jedoch schleichend, aber lautstark, zu einer Forderung nach „Gleichstellung“ entwickelt, die mit gleichen Rechten, für deren Gestaltung der Staat zuständig ist, nichts mehr zu tun hat, sondern tief in das Vertrags- und Eigentumsrecht zwischen den Bürgern eingreift, indem zum Beispiel Quotenfrauen für die Besetzung von Aufsichtsräten vorgeschrieben wurden und nun auch für die Vorstände der Kapitalgesellschaften gefordert werden. Gleichberechtigung gewährt gleiche Chancen. Gleichstellung verhindert Chancengleichheit, weil die Leistung und das Leistungsvermögen, die zur Wahrnehmung einer Chance erforderlich sind, dabei schlicht ausgeblendet werden. Solange der Quotenrummel und die in weitem Maße unberechtigte Equal-Pay-Kampagne sich unter dem Hut des Art. 3 abspielen dürfen, fühle ich mich als Mann, wenn auch nicht direkt betroffen, so doch zumindest potentiell diskriminiert.
Soviel für diesen Tag meiner Themenwoche. Hier noch die versprochene
Aufstellung der unterschiedlichen Grundrechts-Adressaten:
- Alle Menschen (Art. 3,1)
- Jeder (Art. 2, 1,2 Art. 5,1)
- Jedermann (Art. 17 Art. 9,3)
- Alle Deutschen (Art. 8,1 Art. 9,1 Art. 11,1 Art. 12,1)
- Männer und Frauen (Art. 3,2)
- Frauen (Art. 12a,4)
- Männer (Art. 12a,1)
- Eltern (Art. 6,2)
- Jede Mutter (Art. 6,4)
- Uneheliche Kinder (Art. 6,5)
- Erziehungsberechtigte (Art. 6.3 Art. 7,2)
- Wehrpflichtige (Art. 12a,3)
- Lehrer (Art. 7,3)
- Politisch Verfolgte (Art. 16a,1)
- Angehörige der Streitkräfte und des Ersatzdienstes (Art. 17a,1
- Kein Deutscher (Art. 16.2)
- Niemand (Art. 3,3 Art. 4,3)
Morgen geht es weiter mit dem Paukenschlag zu den weiteren Grundrechtsartikeln im Grundgesetz.
Wer mag es mir verdenken,
dass ich meine Grundrechte
wahrnehmen will?