Diskriminikratur

Die links-grüne Antidiskriminierungskampagne hat den guten Zweck dessen, was einst in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert wurde, längst in sein Gegenteil verkehrt. Da steht zu lesen:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Dass das – als Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat – so im Grundgesetz stehen soll, kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man weiß, dass aus dem Abwehrrecht gegen den Staat eine Verpflichtung des Staates zum Schutz von Minderheiten abgeleitet wurde und dabei liest, was Ferda Ataman als neuesten Höhepunkt im Kampf für so genannte Minderheitenrechte vorgeschlagen hat.

Demnach sollen Klagen wegen Diskriminierung erleichtert werden, indem der Vorwurf der Diskriminierung nicht mehr bewiesen werden muss. Es soll die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ ausreichen.  Das bedeutet dann in der Realität wahrscheinlich nichts anderes mehr, als: Wer sich diskriminiert fühlt, wurde/wird diskriminiert und hat ein Recht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist dabei alleine daran zu erkennen, dass die schmerzhafte Diskriminierungserfahrung glaubhaft vorgetragen wird. Es würde sich doch niemand als Diskriminierungsopfer darstellen, wenn es keine Benachteiligung gegeben hätte. Und selbst wenn diese Benachteiligung nur subjektiv empfunden sein sollte, hat sie sich doch real im Fühlen des Opfers manifestiert. Welchen Beweis braucht es da noch?

Das zum Einstieg.

Wer Artikel 3 des Grundgesetzes mit Verstand liest, dem müssen drei Aspekte dieses Artikels wohltuend auffallen:

  1. Es geht um Benachteiligung.
    Benachteiligung zu erkennen erfordert grundsätzlich einen Vergleich. Dieser Vergleich muss umfassend sein und darf sich nicht ausschließlich auf eines der im Grundgesetz benannten Merkmale beziehen.
    Wo also ein Vermieter eine Wohnung nicht an den Katholiken, sondern an einen Atheisten vermietet, kommt es dem Vermieter auf die Religiosität in aller Regel überhaupt nicht an. Dem Vermieter geht es um die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, dass der Mieter die Wohnung pfleglich behandelt und willens und in der Lage ist, die Miete pünktlich zu entrichten.
    Folglich wird er die Miet-Aspiranten nach Beruf und Einkommen vergleichen, und wenn da Gleichstand herrscht, wird er auf den Familienstand und die Zahl der minderjährigen Kinder achten. Auch Raucher oder Nichtraucher kann ein Entscheidungskriterium sein.
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    Immer noch Gleichstand?
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    Es kommt der Punkt, an dem nur noch Sympathie und Antipathie den Ausschlag geben. Wie auch immer die Entscheidung des Vermieters dann ausfallen sollte: Er muss zwangsläufig einen der beiden benachteiligen, weil er eben nur eine Wohnung zu vermieten hat. Wenn der  Katholik nun klagen sollte, weil er annimmt, der Vermieter sei weniger religiös, und habe ja auf der Kopie des Gehaltszettels erkennen können, dass er selbst katholisch sei und Kirchensteuer zahle, was nun der einzige Grund sein könne, ihn zu benachteiligen, in allen anderen Kriterien habe er sich ja nicht vom Mitbewerber um die Wohnung unterschieden, dann will ich nicht ausschließen, dass sich ein Richter finden würde, der ihm zustimmt.
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    Nun ja, bei einem deutschen Katholiken ist die Wahrscheinlichkeit dafür etwas geringer als bei einem Einwohner mit Migrationshintergrund und  anderer Religion, der gegen einen deutschen Atheisten verliert.
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  2. Es geht nicht um Minderheiten
    Es geht auch nicht um Gruppen. Es geht um Individuen, die vor Benachteiligung zu schützen sind. Unabhängig davon, wie stark das Merkmal, dessentwegen sie Benachteiligung erfahren, verbreitet ist.

    Artikel 3, GG, billigt weder allen Männern noch allen Frauen wegen ihres Geschlechts so etwas wie einen besonderen Minderheitenschutz zu, auch nicht allen Inuit wegen ihrer Sprache, nicht allen Buddhisten wegen ihres Glaubens, nicht allen Linken wegen ihrer Weltanschauung und nicht allen Behinderten wegen ihrer Behinderung. Es geht einzig darum, dass ein real existierender Merkmalsträger wegen dieses Merkmals nicht benachteiligt werden darf.
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  3. Eine Meinungsäußerung ist keine Benachteiligung
    Die Annahme, Artikel 3, GG, schütze auch vor Meinungsäußerungen, ist durch nichts begründet. Jeder kann über Katholiken denken, was immer er will und dies auch sagen, solange damit keine persönliche Beleidigung oder Schmähung der Religion verbunden ist.

Der Ankerpunkt für Art. 3 ist die konkrete benachteiligende Handlung, bzw. Entscheidung. Sonst nichts.

Damit gelangen wir von Ferda Atamann zu Kai Wegner, CDU, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, der doch allen Ernstes im Zusammenhang mit dem Christopher Street Day erklärt hat, dass die Merkmale des Art. 3, GG um die „Sexuelle Identität“ ergänzt werden müssen.

O-Ton Wegner: „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen.“

Entschuldigung, ich finde Wegners Versprechen ebenso absurd, wie Atamans Gesetzesinitiative, was im Zusammenspiel dann ja bedeuten sollte, dass eine angebliche Benachteiligung wegen der Vorliebe des Klagenden für die eine oder andere Praxis der Befriedigung des Sexualtriebs – denn etwas anderes ist die so genannte sexuelle Identität in etwa 99,5 Prozent der Fälle ja nicht – nicht mehr des Beweises der tatsächlichen Benachteiligung aus diesem Grunde bedarf.

Wie kann nun eine Benachteiligung wegen der sexuellen Vorlieben überhaupt vermutet werden? Doch nur, wenn der Betreffende seine sexuelle Orientierung offen zur Schau stellt. Und wann hat der Richter dann von der „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ der Benachteiligung wegen sexueller Praktiken, unter Ausschluss anderer Gründe, auszugehen?

Genügt es, wenn der angeblich Benachteiligende allem Anschein nach heterosexuell orientiert ist? Oder muss er sich in der Vergangenheit am Stammtisch einmal negativ über Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender oder Queere geäußert haben, um die überwiegende Wahrscheinlichkeit erkennen zu können?

Oder geht das künftig so:

Bewerbungsgespräch:

Gut, Sie haben also Abitur, waren ein Jahr in Neuseeland, haben anschließend als Praktikant im Büro eines Bundestagsabgeordneten gearbeitet und bewerben sich nun auf die Stelle des „Redakteurs Politik“ in unserer Regionalzeitung.

Nun ja, außerdem bin ich schwul, lebe in einer Männer-WG und praktiziere am liebsten ungeschützten Analverkehr.

Sie meinen doch etwa nicht, dass ich das besonders zu schätzen wüsste?

Nein. Ich sehe schon an Ihrem Stirnrunzeln, dass Sie mich deshalb ablehnen. Glauben Sie mir, das genügt, um Sie wegen Diskriminierung zu verklagen.

Aber Ihnen fehlt doch auch die Berufserfahrung …

Auch? Sagten Sie auch? Damit dürfte die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung wegen meiner sexuellen Identität ausreichend zu belegen sein. Wir sehen uns vor Gericht. Sie haben keine Chance, und außerdem, das lassen Sie sich gesagt sein, würde ich lieber Straßen fegen als unter einer Hetero-Sau*) zu arbeiten.

*) Hetero-Sau hat übrigens die Berliner SPDqueer erfunden.

Wussten Sie schon, dass es eine bundesregierungeinheitliche Auffassung darüber gibt, dass es auch mittelbare Benachteiligungen geben kann? Dazu gibt es von der Antidiskriminierungsstelle ein Beispiel. Wenn Sie das gelesen haben, werden Sie mir in der Einschätzung folgen, dass demzufolge auch eine Preiserhöhung für Katzenfutter Frauen mittelbar diskriminiert, weil die meisten Frauen Katzen als Haustiere halten. Nur wenn Hundefutter mindestens im gleichen Maße teurer würde …