H2-Ready-Gaskraftwerke – Der Traum von der eierlegenden Wollmilchsau

Mindestens 30 neue Gaskraftwerke werden zur Aufrechterhaltung der Stromversorung benötigt, so heißt es, und an  anderer Stelle ist sogar die Rede davon, dass dafür bis zu 50 Gaskraftwerke benötigt würden. Die Grünen selbst haben diesen Bedarf ermittelt, um den Verzicht auf Kernkraftwerke und den Ausstieg aus der Kohleverstromung kompensieren zu können, wenn Wind und Sonne nicht so wollen, wie sie sollten.

Im März 2021, also ein halbes Jahr vor den letzten Bundestagswahlen, habe ich in meinem Buch „Wollt ihr das totale Grün?“, auf Basis des Wahlprogramms der Grünen beschrieben, womit Deutschland zu rechnen hat, sollten es die Grünen in die Regierung schaffen.

Leider habe ich damit viel zu wenige Wähler erreicht. Das Gejammer um Deindustrialilsierung und Rezession, das jetzt allmählich ausbricht, macht mich einigermaßen wütend, denn das Fiasko war schon vor der Wahl zu erkennen und hätte verhindert werden können. Aber, wie so oft, hat man erst einmal feige abgewartet, die Fähnlein in den vorherrschenden Wind gehängt und beginnt jetzt, wo das Kind im Brunnen liegt, mit dem großen Lamento.

Auszug aus „Wollt ihr das totale Grün?“ (März 2021)
Klimaneutrale Energieinfrastruktur – Grüne Wasserstoff-Strategie

Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.
William Shakespeare, Hamlet

Es ist den Grünen schon bewusst, dass sie den Kohleausstieg nicht allein mit den Erneuerbaren schaffen können. Die notwendigen neuen Gaskraftwerke wollen sie aber nur zulassen, wenn sie schon „Wasserstoff-ready“ geplant und gebaut werden.
Das liegt daran, dass die Grünen nach wie vor nicht wissen, wie die zur Kompensation der schwankenden Stromleistung erforderlichen Batterien aussehen könnten. Da gibt es ein erhebliches Problem mit der maximalen Speicherdichte und den sich daraus ergebenden Volumina.
Daher setzt man darauf, den bei Sonnenschein und Wind anfallenden, überflüssigen Strom zu verwenden, um Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen. Das kostet ziemlich viel Energie, nämlich etwa 55 Kilowattstunden für ein Kilogramm Wasserstoff. Wird der so gewonnene Wasserstoff dann wieder mit Sauerstoff zu Wasser verbrannt, gibt er etwa 33 Kilowattstunden wieder ab.

In diesem Prozess treten jedoch unvermeidliche Verluste auf, so dass die Speichereffizienz so aussieht, dass der „Wasserstoff-Speicher“ nur ungefähr die Hälfte der Energie wieder abgibt, die man vorher hineinstecken muss.
Es muss auch berücksichtigt werden, das die notwendigen großtechnischen Anlagen zur Wasserstofferzeugung ebenso wie die Windräder von denen sie den Überschussstrom beziehen, und die Gaskraftwerke, die bei Flaute einspringen sollen, weit mehr als die Hälfte der Zeit stillstehen werden, dabei aber so überdimensioniert ausgelegt werden müssen, dass die Elektrolyse-Anlagen das Angebot auch an richtig guten Stromerntetagen noch verarbeiten können, während die Gaskraftwerke auch bei schlimmer Dunkelflaut den Strombedarf der Republik, zusammen mit jenen 10 Prozent, die Wasserkraft und Biogas beisteuern, decken können.
Es werden also gigantische Investitionsmittel verbraten, die Landschaft total verspargelt, nur um das Grundproblem der Erneuerbaren, die Diskontinuität der Stromerzeugung, irgendwie – koste es, was es wolle – zu lösen, weil der Strom aus Erneuerbaren ja umsonst ist.

Ist er eben nicht.

Keine der grundsätzlich unwirtschaftlichen Windkraftanlagen wäre errichtet worden, hätte der Staat nicht dafür gesorgt, dass für diesen Strom Preise gezahlt werden, die der Markt von sich aus niemals hergegeben hätte.
Mit der Wasserstofftechnologie wird der Mix aus Sonne, Wind und Wasserstoff nur noch einmal extrem verteuert.
Die Grünen, in den Scheuklappen der Klimaneutralität gefangen, sind aber überzeugt, dass sie mit der Wasserstofftechnologie in der Lage seien, noch mehr von der kostenlosen Sonnenenergie ebenso kostenlos nutzbar machen zu können.

Wer vorschlägt, lieber zwei Windräder in die Landschaft zu setzen und dazu Elektrolyse-Kapazitäten zu errichten, um dann per Wasserstoff die Stromernte eines Windrades wieder nutzbar zu machen, statt die Gaskraftwerke, ohne die es sowieso nicht geht, einfach mit Erdgas zu betreiben, das sehr kostengünstig zur Verfügung steht, würde in einem Wirtschaftsunternehmen keine Gelegenheit erhalten, noch einmal in allem Ernst einen solchen Vorschlag zu unterbreiten.
Unsere Grünen sind jedoch der Überzeugung, auch Erdgas sei ein Teufelszeug, wenn es in Deutschland verbrannt wird, wollen folglich die Fertigstellung der Pipeline North-Stream-2 verhindern und damit dafür sorgen, dass noch mehr russische Gas in China verbrannt werden kann.

Wer mit der Parole „Wir haben nur eine Erde“ groß geworden ist und damit, kaum der KiTa entwachsen, schon Politik machen will, sollte sich irgendwann auch darüber klar werden, dass auf dieser einen Erde nicht nur Deutschland und die EU existieren.
An dieser Erkenntnis hapert es jedoch ganz erheblich.

Ja, das war 2021 – und es kam durchaus noch russisches Gas nach Deutschland.

Heute pflügen gewaltige Schüttgutfrachter durch die Weltmeere um Kohle aus Kolumbien und Australien nach Deutschland zu schaffen, wo reaktivierte Kohlekraftwerke wieder an der Stromerzeugung teilnehmen, während LNG-Frachter verflüssigtes Erdgas von den US-Fracking Feldern zu den eiligst errichteten Terminals mit Regasifizierungs-Anlagen bringen, um die Gasversorgung für Industrie, Haushalte und die vorhandenen Gaskraftwerke halbwegs sicherzustellen.

Dennoch sind wir in einem erschreckenden Ausmaß von Stromimporten aus dem europäischen Verbundnetz abhängig, weil die deutschen Stromerzeugungskapazitäten, soweit nicht gerade einmal die allerbesten Bedingungen herrschen, selbst an guten Tagen nur ausreichen, um den eigenen Bedarf für einige Stunden um die Mittagszeit herum zu decken. Wobei wir, so  traurig das ist, immer noch von Glück reden müssen, dass die energieintensive Industrie Deutschland in Teilen bereits verlassen, in Teilen ihre Produktion gedrosselt hat und zu anderen Teilen in Kauf nimmt, dass ihre Stromversorgung bei Engpass-Situationen unterbrochen wird. 

Was aber ist nun aus den vielen neuen Gaskraftwerken geworden, von denen die Grünen schon im Bundestagswahlkampf 2021 versprochen haben, dass sie gebaut werden würden?

Soweit mir dazu Informationen bekannt sind, gibt es noch kein einziges davon. Ja, es soll nicht einmal Anträge auf Baugenehmigungen geben.

Wen wundert es?

Mich nicht.

Von 20 bis 30 Gigawatt Nennleistung ist die Rede, die installiert werden müssten und von Kosten in der Gegend von 30 + X Milliarden Euro. Und das alles soll bis 2030 in Betrieb gegangen sein.

Warum stürzen sich die Investoren nicht auf diese supertolle Geschäftsidee?

Ganz im Ernst: Jemand der eine akzeptable Rendite sucht und das Risiko des Kapitalverlusts gering halten will, wäre bescheuert, wenn er jetzt darauf setzen würde, in ein H2-ready-Gaskraftwerk zu investieren.

Die Gründe:

  1. Es ist absolut nicht absehbar, in welchem Maße die bereitgestellte Kapazität auch genutzt werden kann. Gaskraftwerke sind als Lückenbüßer vorgesehen. Das heißt: Nur dann, wenn die Erneuerbaren zu wenig Strom liefern, gehen auch Gaskraftwerke ans Netz. Aber beileibe nicht immer auch alle. Nur wenn die Stromlücke bei dunkelster Dunkelflaute die 20-Gigawatt-Marke überschreitet, wird Deutschlands Stromerzeugung – Wortspiel – Vollgas geben dürfen. Man rechnet damit, dass die geforderten Gaskraftwerke – wenn es hochkommt – mit 2000 Jahresstunden Volllastbetrieb rechnen dürfen, was einer Auslastung von weniger als 25 Prozent entspricht. Die Amortisationszeit der Investition, also die Jahre, bis wenigstens der Rückfluss des investierten Kapitals gesichert wird, verlängert sich gegenüber Anlagen, die im Dauerbetrieb produzieren, um das Drei- bis Vierfache. Uninteressant.
  2. Es ist absolut nicht absehbar, zu welchen Preisen der Brennstoff Erdgas bezogen werden kann, solange Wasserstoff noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Damit ist eine langfristige Kalkulation unmöglich, folglich sind auch langfristige Renditeerwartungen reine Spekulation, denn es ist nicht gesichert, dass der Markt gewillt, oder auch nur in der Lage sein wird, den aus teurem Erdgas zu teuer erzeugten Strom auch abzunehmen. Uninteressant.
  3. Es ist absolut nicht absehbar, ab wann Wasserstoff in benötigten Mengen verfügbar sein wird. Der erhebliche Aufwand, um ein Gaskraftwerk zu errichten, das für den Betrieb mit Wasserstoff geeignet ist, ist also möglicherweise vollkommen unsinnig, weil es den Wasserstoff während der Nutzungszeit gar nicht geben wird. Uninteressant.
  4. Es ist absolut nicht absehbar, zu welchen Preisen Wasserstoff, sollte er denn verfügbar sein, eingekauft werden kann. Absehbar ist lediglich, dass er auf sehr lange Zeit, wenn nicht gar grundsätzlich für immer, sehr viel teurer sein wird als Erdgas. Uninteressant.
  5. Last, but not least: Großtechnische Anlagen mit Gasturbinen, die sowohl mit Erdgas als auch mit Wasserstoff angetrieben werden können, gibt es noch nicht. Das Risiko, dass der Wasserstoffbetrieb nicht funktionieren wird ist hoch, und das Risiko, dass eine wasserstoffgeeignete Turbine beim Betrieb mit Erdgas nicht so funktionieren wird, wie sie soll, ist ebenfalls zu berücksichtigen. Uninteressant.

Natürlich ist den potentiellen Investoren klar, dass diese Kraftwerke gebaut werden müssen. Die Abhängigkeit der deutschen Stromversorgung von diesen Gaskraftwerken ist nicht zu bestreiten. Das ist doch ein wunderschönes Erpressungspotential! Hochinteressant!

Da wird man sich schön bitten lassen, und je mehr Zeit vergeht und je dringender der Ausbau geworden sein wird, desto mehr Staatshilfe wird sich herausschlagen lassen. Da wird man ein  Investitonsschutzabkommen mit dem Wirtschaftsministerium abschließen, das darauf hinausläuft, dass so ein Gaskraftwerk, egal ob es funktioniert oder nicht, egal wie viel Strom es zu einer Lebenszeit liefern wird und egal wie hoch die Kosten für die Energieträger sein werden, über eine Laufzeit von 25 Jahren neben der vollständigen Amortisation eine jährliche Rendite abwirft, die um zehn Prozentpunkte über dem jeweiligen Leitzins der EZB liegt, mindestens aber bei 12,5 Prozent.

So abgesichert, könnte man sein Geld auch mit einer Space-X-Rakete auf den Mars schießen, ohne deswegen schlaflose Nächte befürchten zu müssen.

Und, verdammt noch Mal:

Das alles war absolut absehbar!