Nun solln’s halt 750 Milliarden sein …

Wer die Entwicklung der EU einigermaßen aufmerksam beobachtet hat, weiß, dass es vom ersten Tag an darum gegangen ist, wirtschaftliche Stärke in einem gemeinsamen, von Zollschranken befreiten Wirtschaftsraum zu ermöglichen.

Wer der EU anfänglich beigetreten ist, dem ging es um das Wohl der eigenen Wirtschaft, für die schlicht ein größerer, offener Markt geschaffen werden sollte, damit sich auch größere Investitionen rentieren können. So kam es zu Verabredungen, in denen die Chance zollfreier Industrie-Exporte mit massiven Subventionen für die Landwirtschaft der Importeure erkauft werden musste, was der EU für lange Zeit Milchseen und Butterberge bescherte, um nur einen der gröbsten Auswüchse einer ganz und gar aus dem Ruder gelaufenen Expansionsstrategie der potenten Industrienationen zu benennen.

Irgendwann wandelte sich das. Beitrittskandidaten traten nicht mehr bei, weil sie sich einen Marktzugang erhofften, sie wurden eingeladen, weil die Altmitglieder schon wieder neue und größere Märkte brauchten, wozu den Neu-EU-lern goldene Brücken gebaut wurden, über die sie angeblich zu gleichwertigen Mitgliedern einer Koalition der Starken werden sollten, was aber nicht gelang. Doch etwas anderes ist gelungen, nämlich den neuen Märkten, arm, wie sie waren, zur Kreditwürdigkeit zu verhelfen. So konnten beispielsweise deutsche Banken umfangreiche Kredite an die Osterweiterungsstaaten vergeben, die damit in die Lage versetzt wurden, Produkte der deutschen Industrie zu kaufen, was deren Aktionäre beim Dividenden-Empfang immer wieder erfreute.

Nach einer Weile wurde die Rolle der immer noch armen, jetzt aber auch noch hochverschuldeten Mitgliedsstaaten noch einmal verändert. Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurden weite Teile ihrer Bevölkerung in die Lage versetzt, sich in den reichen Staaten als Billiglöhner zu verdingen, was die Produktionskosten senkte, den Wanderarbeitern aufgrund der extremen Unterschiede im Preisniveau dennoch zu Hause gegenüber den Daheimgebliebenen einen Wohlstandsvorsprung verschaffte.

So kam es, dass sich mit der Zeit der Gedanke festsetzte, Deutschland profitiere am meisten von der EU und vom Euro, und zu der Warnung: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa! (und, nicht laut ausgesprochen: Dann scheitert auch die deutsche Wirtschaft.)

Was aber tatsächlich geschieht,

  • wenn man die Steuer- und Sozialsysteme nicht harmonisiert, während Waren, Kapital und Arbeitskräfte sich frei bewegen können, und
  • wenn dabei ein Land ständig als größter Nettozahler auftritt und alle anderen Beteiligten mit „Bestechungsgeldern“ ruhig stellt,  um seiner Industrie den Absatzmarkt zu erhalten,

das zeigt die nachstehende Tabelle, in welcher die Netto-Median-Vermögen der privaten Haushalte in den Euro-Staaten aufgeführt sind. Median-Vermögen ist dabei kein „Durchschnitt“, sondern jenes Vermögen, das von der unteren Hälfte der Anzahl Haushalte maximal erreicht wird, während in der oberen Hälfte von diesem Wert an steigende Vermögen gemessen werden. Von den rund 40 Millionen privater Haushalte in Deutschland verfügen 20 Millionen über ein Netto-Vermögen zwischen null und 51.400 Euro, während die anderen 20 Millionen über ein Vermögen zwischen 51.400 und mehreren Milliarden Euro verfügen.

Damit ist Deutschland Spitzenreiter. Jedenfalls aus der Sicht radikalkommunistischer Ideologen, die jeden Privatbesitz rundweg ablehnen und begeistert darauf hinweisen, wie weit die Bundesrepublik auf dem Wege der Verstaatlichung des Privateigentums bereits gekommen ist. Dass der Staat sein Staatseigentum längst auch nicht mehr zusammenhalten will, sondern sich – umgekehrt – über Privatisierungsanstrengungen das Geld verschafft, das er unter anderem braucht, um seine EU-Rechnungen zu bezahlen, sollte bei der Betrachtung der Tabelle ebenfalls nicht vergessen werden.

 

Land Median-Netto-Vermögen in € Erhebungsjahr
Deutschland 51.400 2010
Slowakei 61.200 2010
Portugal 75.200 2010
Österreich 76.400 2010
Finnland 85.500 2009
Slowenien 100.700 2010
Griechenland 101.900 2009
Niederlande 103.600 2009
Frankreich 115.800 2010
Italien 173.500 2010
Spanien 182.700 2008
Belgien 206.200 2010
Malta 215.900 2010
Zypern 266.900 2010
Luxemburg 397.800 2010

Dass die hier bei Wikepedia entnommenen Werte schon vor 10 Jahren erhoben wurden, ist kein Anlass zu der Annahme, Deutschland habe seine Positon in diesem Ranking inzwischen verbessert, schon gar nicht maßgeblich.

Während das Medianvermögen der mehrfach auch und vor allem mit deutschem Geld geretteten Griechen glatt doppelt so hoch anzusetzen ist, wie das der deutschen privaten Haushalte, wird gerade in Brüssel darüber diskutiert, dass die Kommission 750 Milliarden Euro Kredit aufnehmen sollte (was ihr noch verboten ist) um davon 500 Milliarden an die von der Corona-Krise besonders betroffenen Mitgliedsländer zu verschenken, und weitere 250 Milliarden Euro Kredite zu vergeben. Die insgesamt aufgenommenen Milliarden sollen dann von allen Mitgliedsländern nach dem üblichen Schlüssel wieder getilgt werden. Wir werden also unser „gewohntes Drittel“ zu schultern haben, nach derzeitigem Diskussionssstand aber nur 28 Milliarden aus dem Topf erhalten.

Wir zahlen also, sollten alle Kreditnehmerländer ihre Kredite tatsächlich tilgen, was nicht unbedingt zu erwarten ist, um die 170 Milliarden auf das EU-Konto ein und dürfen 28 Milliarden davon selbst wieder entnehmen. Der Rest ist „Wirtschaftsförderung“ für die in Deutschland produzierenden Konzerne und deren Eigentümer, die – zumindeste was die DAX-30-Konzerne betrifft, etwa zur Hälfte mit ausländischem Pass ausgestattet sind. Wäre es nämlich etwas anderes als Wirtschaftsförderung für in Deutschland aktive Konzerne, dann wäre nämlich die Aussage: Deutschland profitiert am meisten von der EU, noch einmal um ein ganz großes Stück fragwürdiger.

Doch lassen wir ab vom tristen Gedanken an den Selbstbedienungsladen Deutschland.

Wir sind ja Kummer gewöhnt und profitieren immerhin am meisten von der EU, wenn auch bei den allermeisten Deutschen davon – medianvermögensmäßig – weniger ankommt als bei den Bürgern der anderen Mitgliedsländer. 

Noch haben wir ja die Chance, uns schon im nächsten Jahr eine neue Regierung zu wählen,

die dann unter Umständen vielleicht sogar in Brüssel einmal auf den Tisch hauen und unmissverständlich zum Ausdruck bringen könnte: „Bis hierhin und nicht weiter! Sonst macht eure EU doch alleine!“

Ob wir diese Chance aber in ein paar Wochen noch haben, wenn die Pläne so umgesetzt werden, wie sie das EU-Dream-Team Macron-Merkel nebst Frau von der Leyen, gerade in trockene Tücher wickeln wollen, steht in den Sternen.

Denn wenn der EU gestattet wird, einerseits im Namen aller Mitgliedsstaaten Schulden aufzunehmen und dabei alle Mitgliedsstaaten in die Haftung zu nehmen, wenn es der Kommission gestattet wird, nicht nur Schulden aufzunehmen, sondern eigene Steuern einzufordern, dann wird die EU zum Staat geworden sein. Dann können wir im Herbst 2021 wählen, was wir wollen – der Bundestag wird unter der Fuchtel von Kommission und EuGH stehen und keine eigenständige Politik mehr machen können, zumal ihm auch für jede Entscheidung, die Geld kostet, keine Mittel mehr zur Verfügung stehen, da diese ja gebraucht werden, um die von der EU aufgenommenen Schulden zu tilgen.  Und sollten wir uns bei der Wahl ganz und gar gegen die EU entscheiden, vielleicht sogar eine DEXIT-Partei an die Macht bringen, dann wird sich im Zweifelsfall die Kommissionspräsidentin daran erinnern, wie man in Deutschland mit missliebigen Wahlergebnissen umgeht und mit den Worten der großen Souffleuse erklären: „Dieses Ergebnis ist unverzeihlich. Die Wahl muss rückgängig gemacht werden!“

Die verfassungmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland wird in Brüssel gerade zerredet. Nur die sparsamen Vier, die kleinen, aber selbstbewussten Netto-Zahler  Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden könnten den Staat Deutschland, so wie wir ihn kennen und ich ihn behalten möchte, noch retten. Es droht jedoch die Gefahr, dass man denen soviele Zugeständnisse macht und verspricht, sie mit Zuwendungen aus dem EU-Haushalt zu überschütten, dass auch die einfach nicht mehr nein sagen können.

Die EU-Verträge werden doch sowieso längst reihenweise ignoriert. Der Machtkampf zwischen EuGH und BVerfG ist entschieden, noch bevor er richtig begonnen hat, weil Angela Merkel sich längst ganz anders positioniert hat.

Nichts mehr hat Bestand.

Kommt, lasst uns Teddybären nach Brüssel tragen.
Denn wieder wird auf die Tränendrüsen der deutschen Gutmenschen gedrückt, dass es nur so spritzt.

Schließlich verfügen die privaten Haushalte in Deutschland doch immer noch über ein Netto-Medianvermögen von mehr als 50.000 Euro. Ganz im Ernst: So viel brauchen die Deutschen doch gar nicht! Wofür denn? Da gibt es viele, die mit dem Geld mehr anzufangen wüssten, als immer nur: „Schaffe, schaffe, Steuern zahle“.

Buonanotte, tedeschi!