Siegeszug der Impertinenz

Es gibt wohl niemanden, der nicht schon einmal von einem ähnlichen Fall gehört oder gelesen hat, und es gibt nicht wenige, die – ob direkt oder indirekt – davon betroffen waren, bzw. sind.

Da kauft sich jemand – günstig, wegen der Nachbarschaft zum Traditionsbiergarten – das Villengrundstück, und hat nichts eiliger zu tun, als den Betreiber des Biergartens auf die Einhaltung allgemeiner Ruhezeiten zu verklagen.

Andere ziehen aufs Dorf und lassen flugs den Nachbarn per Richterspruch verurteilen, seinen Hahn nur noch zwischen 8.00 und 16.00 Uhr krähen zu lassen. Ein Landwirt wird verdonnert, seinen Misthaufen alle zwei Stunden mit Deodorant zu besprühen, oder eine luftdichte Abdeckung zu schaffen.

Dann erstreitet sich der Nachtschwärmer ein Kirchenglockenläuteverbot, weil er nach der anstrengenden Nacht von Samstag auf Sonntag am Sonntag unbedingt seinen Schlaf braucht, und zwar bis mittags, mindestens.

Oft genug findet sich ein Amtsrichter, der sich sagt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, und entscheidet, dass sich auch die dörfliche Gemeinschaft, ungeachtet der ortsüblichen Gepflogenheiten, Notwendigkeiten und natürlichen Geräusch- und Geruchsemissionen so verhalten müsse, wie der Mieter in der großstädtischen Wohnanlage. Gleiches Recht für alle!

Dass der Rechtsgrundsatz einst anders gedacht war, dass nämlich gleiches Recht nur dann zu gelten habe, wenn auch Vergleichbarkeit des Sachverhaltes vorliegt, wobei eben ein Hahnenschrei früh um halb fünf auf dem Dorf mit einem zur gleichen Uhrzeit veranstalteten Klavierspiel im Mehrfamilienhaus nicht als vergleichbar angesehen werden sollte, scheint bei so manchem Amtsrichter mangels Lebenserfahrung in Vergessenheit geraten zu sein.

Es werden also tatsächlich und in schöner Regelmäßigkeit in Deutschland Urteile gefällt, die dem Eindringling in eine gewachsene Gemeinschaft das Recht zubilligen, der Gemeinschaft Regeln aufzuzwingen, die das Gemeinschaftsleben beeinträchtigen, teils sogar unmöglich machen, weil er Unterschiede nicht akzeptieren will und sich im Recht fühlt – und dann auch noch Recht bekommt.

Der jüngste Fall einer solchen Penetration einer uralten Tradition wird aus Memmingen berichtet.

Da gibt es einen Fischereiverein, der einmal jährlich als Höhepunkt des Vereinslebens, zugleich als touristisches Spektakel, das Abfischen des Stadtbaches veranstaltet. Jeder Memminger weiß, dass es dabei eine klare Rollenverteilung gibt, dass nämlich die Männer in den Graben steigen und die Forellen mit ihren Keschern fangen, während die Frauen am Rand stehen, die Fische entgegennehmen und in die bereitstehenden Bottiche werfen.

Jedes Vereinsmitglied weiß, dass es diese Tradition gibt, und über Jahrhunderte hat sich daran auch niemand gestört. Nun hat eine Frau, die seit 1980 dem Fischereiverein angehört, sich in den Kopf gesetzt, beim Abfischen gemeinsam mit den Männern in der Bach zu steigen. Und sie hat Recht bekommen.

Tradition alleine sei keine Rechtfertigung für Diskriminierung. Und weil ein Verein nun einmal die Steuerzahler belaste, unter denen sich ja auch nicht nur Männer befinden, müsste, wer beim Zahlen gleich behandelt wird, auch beim Fischen gleich behandelt werden – so ähnlich jedenfalls.

Im ungeschriebenen Recht hat sich seit einiger Zeit der Grundsatz „Nein heißt nein!“ etabliert.

Das sei nicht vergleichbar?

Sind nicht alle hier angeführten Fälle irgendwie dem Sachverhalt einer Vergewaltigung ähnlich? Müssen nicht Biergartenbetreiber und Biergartengäste, Hühnerhalter und Landwirte mit Misthaufen, christliche Kirchen und deren Mitglieder, einem Eindringling in ihre Gesellschaft wider Willen zu Willen sein und nach seinen Regeln leben?

Wenn ein Mann nicht will, dass eine Frau zu ihm in den Stadtbach steigt, wenn eine ganze Gruppe von Männern nicht will, dass Frauen zu ihnen in den Stadtbach steigen, dann soll deren „nein“ kein Gewicht haben?

Als Folge dieser ausufernden Diskrimierungs-Ideologie wird es vermutlich eines Tages  einen Mann geben, dem ein Richter zubilligt, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit einer verheirateten Frau aus der Nachbarschaft auch gegen deren Willen haben zu dürfen, weil die Tradition der ehelichen Treue nicht ausreiche, ihn als potentiellen Sexualpartner abzuweisen und damit zutiefst verletzend zu diskriminieren.

Nun ja, so weit kommt es vielleicht doch nicht.
Aber Übertreibung macht nun mal anschaulich.