Nächster Halt: „Deflation“. Alles aussteigen, dieser Zyklus endet hier.

In relativ kurzem Abstand habe ich mit dem PaD 28 /2019 „Völker, hört die Zins-Signale“ und dem Pad 31 /2019 „Bargeld, Nullzins, Negativzins und andere Rätsel“ die Geldpolitik der EZB und die Folgewirkungen für Geschäftsbanken, Sparer und Kreditnehmer einigermaßen umfassend, und daher wohl immer noch „zu theoretisch“ behandelt.

Alles, was ich im heutigen Tageskommentar nochmals komprimiert und als Denkanstoß für praktisches Handeln auf den Punkt bringe, wurde in den beiden vorangegangenen Paukenschlägen schon angesprochen. Es spricht nichts dagegen, sich diese im Anschluss auffrischend zu Gemüte zu führen.

Vorab eine sehr einfache, aber eingängige Beschreibung der Wirkungen der beiden wichtigsten Begriffe des Geldwesens, Inflation und Deflation:

Die Kaufkraft des Vermögens der Gläubiger
wächst in der Deflation und schrumpft in der Inflation.

Wir haben in Deutschland seit Einführung der Deutschen Mark 1949 und auch nach dem Umstieg auf den Euro 2001 immer nur den Zustand relativer Geldwertstabilität bei durchgehender, zumeist jedoch niedriger Inflation erlebt. Die Strategie der Gläubiger, den inflationären Kaufkraftverlust ihres Vermögens auszugleichen, bestand schlicht darin, von ihren Schuldnern nominal mehr Geld zurückzufordern als ausgeliehen wurde, indem ein positiver Zins vereinbart und eingetrieben wurde, der über den Inflationsausgleich hinaus auch noch das Kreditausfall-Risiko absichern und  eine bereits inflationsbereinigte, mehr oder minder bescheidene Vermögensmehrung hervorbringen sollte.

Trotz der alles dominierenden Thomas-Cook-Pleite wimmelt es in den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse in diesen Tagen aber auch von Meldungen, die besagen:  Immer mehr Banken wollen dazu übergehen, Sparern und Einlegern auf ihre Guthaben negative Zinsen in Anrechnung zu bringen. Gleichzeitig wird in der Werbung der Vergleichsportale maximale Aufmerksamkeit auf die korrespondierende Entwicklung auf der Kreditseite gelenkt, wo durchaus der Eindruck erweckt wird, der negativ verzinste Kredit sei schon fast die Regel, wohl auch, um die durchaus berechtigte, wenn auch nur diffuse Skepsis des Publikums mit Hilfe von „zwei unvergleichlichen Familien“ vom Tisch zu wischen.

Es darf mit gutem Grund unterstellt werden, dass die Vergabe von Krediten zu negativen Zinsen nicht von ökonomischen Selbstmördern erfunden wurde. Auch der von der EZB geforderte, negative Einlagezins, kann zwar als Begründung für negative Zinsen auf Sparkonten herangeogen werden, zwingt aber keineswegs dazu, negativ verzinste Kredite anzubieten.

Dass es dennoch geschieht – und was wir derzeit erleben, ist nur der allererste Anfang – ist ein klares Indiz für die Absicht, bewusst und gezielt eine deflationäre Situation herzustellen.

Schon in meinen ersten Publikationen zum Thema Geld, vor nun fast 20 Jahren,  habe ich postuliert, dass der nächste Crash zuerst die Deflation hervorbringen wird, der die Hyperinflation folgt, wenn im Kampf um die letzten wertbeständigen Sachwerte die großen, wertlosen (weil substanzlosen) Guthaben in die Waagschale geworfen werden.

Die „positive“ Wirkung von Negativzinsen
im Deflationsumfeld

Betrachten wir die Entwicklung der Massenkaufkraft in Deutschland (von Frankreich, Italien, Griechenland gar nicht zu reden), dann  ist die seit 2002 massiv rückläufig. Die Zahl der Menschen, die um ihren Lebensunsterhalt auf der Ebene des Existenzminimums bestreiten zu können, ganz oder teilweise auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, hält sich relativ stabil bei sechs Millionen. Die öffentliche Infrastruktur verkommt. Man ist geneigt, es für eine glückliche Fügung zu halten, dass die meisten Panzer der Bundeswehr nicht fahren, weil die meisten Brücken im Lande die Lasten wegen Baufälligkeit sowieso nicht mehr verkraften würden. Tatsache ist: Die Republik wurde an allen Ecken und Enden im Namen der schwarzen Null gezielt kaputtgespart, was selbstverständlich massive Einbrüche bei der Beschäftigung und beim Masseneinkommen nach sich gezogen hat.

Die politischen Manipulationen an der Rentenformel und die Schwierigkeiten der Anbieter kapitalgedeckter Altersvorsorge, die notwendigen Renditen zu erzielen, um ihre Leistungsversprechen einhalten zu können, wirken in die gleiche Richtung, was dazu führt, dass die kleinen Geld-Vermögen zum Erhalt der notwendigen Liquidität angegriffen werden und durch diese Entsparvorgänge nominal stark schrumpfen. Hier ist das Ende der Möglichkeiten abzusehen, und dann wird erkennbar werden, dass die Banken bereits aufgehört haben, durch neue Kreditvergabe mindestens so viel Liquidität herzustellen, wie durch Tilgungs- und Sparvorgänge stillgelegt wird.

Ursachen für die Zurückhaltung der Banken im Kreditgeschäft gibt es mehrere:

  1. Die ständig verschärften internationalen Regeln für das Kreditgeschäft (Basel) erschweren die ausreichende Kreditvergabe.
  2. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung führt zu einer allgemeinen Investitionszurückhaltung und damit zum Nachlassen der Kreditnachfrage.
  3. Die Bonität vieler der noch auftretenden Nachfrager nach Krediten wird als zu schlecht eingestuft.
  4. Das von den Zentralbanken vorgegebene Zinsniveau schmälert die Rendite des Kreditgeschäftes.

Alle diese vier Ursachen treffen momentan gleichzeitig zu. Deren negative Wirkung wird durch die Politik des billigen Geldes nicht aufgehoben. Wer als Banker durch „Basel“ und „Stresstests“ in seiner Bewegungsfreiheit behindert ist, während seriöse Kreditnachfrager Mangelware sind und aus dem Kreditzins kein positiver Deckungsbeitrag generiert werden kann, trägt zwangsläufig, wenn auch unfreiwillig, zum Liquiditätsmangel im Bereich der Realwirtschaft bei.

Da von dieser Problematik alle Banker, wenn auch durchaus in unterschiedlichem Maße, betroffen sind, kann das Bankensystem gar nicht anders, als die Realwirtschaft gemeinschaftlich zu strangulieren. Daraus folgende, weitere Sparmaßnahmen, in der Regel verbunden mit rückläufigen Lohnsummen, werten das Geld auf. Es kann mehr Arbeit für weniger Geld eingekauft werden, was in der Folge ermöglicht, im Wettbewerb mit Preissenkungen zu operieren.

Damit ist die sowieso seit Jahren latent vorhandene Deflation von ihren künstlichen Fesseln befreit. Die Fähigkeit von Unternehmen und privaten Haushalten ihren Kreditverpflichtungen nachzukommen, wird vermindert, weil die reduzierten Einkommen zwar noch ausreichen, die ebenfalls reduzierten Preise zu bezahlen, nicht aber, um die nach wie vor bei 100% notierten Kredite zu bedienen.

Kreditausfälle sind die Folge. Negativ-Zinsen auf Einlagen tragen dazu bei, die Bilanzen zu stabilisieren. Wo die Aktiva durch Kreditausfälle schrumpft und die Passiva durch Negativzinsen reduziert wird, ist alles schon nur noch halb so schlimm.

Die andere Hälfte von „Halb so schlimm“ sieht so aus: 

Mit der Ansage: „Geld ist so billig wie noch nie“, und, „Wann denn, wenn nicht jetzt?“, wird versucht, Menschen mit guter Bonität, die es eigentlich nie vorhatten, dazu zu animieren, sich zu verschulden, vom kurzfristig rückzahlbaren „1.000 Euro zu minus 0,4-Prozent Konsumkredit“ bis zur „Hypothek mit zehnjähriger Zinsfestschreibung zu plus 0,5 Prozent“.

Was diesen Menschen nicht gesagt wird, ist die Tatsache, dass diese scheinbar „kostenlosen“ Kredite mit der fortschreitenden Deflation schnell sehr teuer werden können, weil das zur Tilgung benötigte Geld sehr viel schwerer zu verdienen sein wird. Die Wirtschaft der EU befindet sich im Rückwärtsgang. In Deutschland werden Energiewende und Klimaschutz noch mehr zum wirtschaftlichen Niedergang beitragen als die Exportverluste durch den Brexit und die Handelspolitik der USA.

Wer sich in dieser Situation verschuldet, und in den Strudel der Abwärtsbewegung gerät, wird seine Sicherheiten verlieren und womöglich in die Privatinsolvenz getrieben. Wer sich in dieser Situation verschuldet, und das Glück hat, seinen Kredit vereinbarungsgemäß bedienen zu können, wird – gemessen an der Kaufkraft – für die letzten Raten weit, weit mehr  bezahlen müssen, als ihm gegenwärtig ausgezahlt wird.

Die Hyperinflation setzt dann ein, wenn die Zahl derjenigen, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können, so große Löcher in die Bankbilanzen reißt, dass deshalb die anderen Vermögenswerte der Banken (Aktien, Grundstücke, Edelmetalle) sehr viel höher bewertet werden müssen!

Und wie kommt die Höherbewertung zustande?

Ganz einfach: Indem man die Kurse und die Preise durch massive Nachfrage in die Höhe treibt. Plötzlich rollen – angefeuert von den Banken, die ihre Bilanzen nicht anders im Gleichgewicht zu halten wissen – die gebunkerten Milliarden in den Markt und kaufen auf, was aufzukaufen ist. Doch es steigen nun nicht nur die Preise für die Assets, denn tausende von Milliarden haben die Finanzsphäre verlassen und toben durch die Realwirtschaft, die aber immer noch darniederliegt. Also werden auch Brot und Butter, Schuhe und Fahrradreifen schnell zu unerschwinglichen Luxusartikeln und die Wirtschaft bricht vollends zusammen, auch weil niemand mehr bereit ist, für ein Geld, das schon morgen viel weniger wert ist als heute, überhaupt noch zu produzieren oder im Lager gebunkerte Waren abzugeben.

Der Staudamm der riesigen Geldvermögen enthält nur Zahlen. Keine Werte. Diese Zahlen entstanden leistungslos aus dem Nichts. Sie repräsentieren keine Waren und Güter, sondern lediglich  schon längst unerfüllbare Forderungen an die Schuldner.

Die Hyperinflation – als eine Art blindwütiger letzter Gerechtigkeit – setzt alles auf Null.

Es ist wie beim Monopoly-Spiel – wenn der Sieger feststeht, gibt es für das viele Geld in seiner Kasse nichts mehr zu kaufen, und seine Straßen, Häuser und Hotels sind ebenfalls nichts mehr wert, weil kein Mitspieler mehr Geld hat, um sie zu kaufen.

Wie lange das Spiel noch dauern wird, ist schwer zu sagen. Sicher ist jedoch: Wir waren dem bevorstehenden Crash noch nie näher als  heute.
Die Möglichkeiten, das Ende noch hinauszuzögern, sind vielfältig, doch wenn nur einer der großen Spieler die Nerven verliert, brechen alle Dämme.