… durch den Winter kommen

Die Chancen stehen gut, das wir gut durch den Winter kommen,
tönt es von Ines, dem Zusammenschluss der Gasspeicher-Betreiber.

Die Bürger sollen sich im Januar und Februar auf Blackouts einstellen,
tönt es schon tags darauf aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz.

Was stimmt denn nun?

Mir drängt sich der Vergleich mit den ersten Wochen der Corona-Pandemie in Deutschland auf. Da war das Durcheinander um die Einschätzung ähnlich widersprüchlich. Aber das will ich hier nicht vertiefen.

Festzuhalten ist, dass sowohl die Gasversorger als auch die Elektrizitätsversorger eine Energiemangellage nicht ausschließen können.

Die Gasspeicherbetreiber formulieren es halt in der Überschrift positiv und setzen noch die (fragwürdige) Information oben drauf, dass die Wettermodelle einen milden Winter vorhersagen, und betonen damit im Grunde eigentlich nur: Wir haben unsere Aufgabe erledigt. Die Speicher sind voll. Voller geht nicht. Jetzt warten wir ab und hoffen, dass der Winter mild wird und dass die Eigentümer des Gases nicht alles ins benachbarte Ausland verkaufen.

Die Bevölkerungsschützer, von Sorge geplagt, am Ende den Schwarzen Peter in der Hand zu halten, weil sie nicht früh und eindringlich genug gewarnt hätten, formulieren um einiges dramatischer. Auch sie betonen damit nur: Wir haben unsere Aufgabe erledigt. Die Bevölkerung ist gewarnt. Jetzt warten wir ab und hoffen, dass der Winter mild wird und es nirgends im europäischen Stromverbund zu größeren Problemen kommt.

Wir alle wissen, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens von Wettervorhersagen, die über einen Zeitraum von drei bis vier Tagen hinausgehen, schon ausgesprochen gering ist.

Wie also die Temperaturen in Deutschland im Dezember, Januar, Februar und März aussehen werden, ist heute noch vollkommen ungewiss.

Man kann aber die Gewissheiten von der anderen Seite her aufzählen:

  • Mit der Verlängerung der Laufzeiten von drei Kernkraftwerken bis zum 15. April 2023 stehen maximal 4,2 Gigawatt elektrischer Leistung über den Winter zur Verfügung.
  • Mit der verstärkten Verfeuerung von Kohle zur Stromerzeugung sind alleine von Mitte Oktober bis Mitte November rund 15 Gigawatt elektrischer Leistung aktiviert worden.
  • Die Spitzenlast der Gaskraftwerke konnte durch vermehrten Einsatz von Kohle von bis zu 14,5 Gigawatt Ende Oktober auf knapp 11 Gigawatt am 18. November reduziert werden.
  • Wasserkraftwerke und Strom aus Biogas tragen zuverlässig rund 7 Gigawatt zur Stromversorgung bei.

Es stehen also gesichert – und ohne Gasbedarf – rund 26 Gigawatt Stromerzeugungsleistung zur Verfügung. 66 Gigawatt wurden im Januar 2022 in der Spitze von den Verbrauchern abgenommen.

Es besteht eine Lücke von 40 Gigawatt, die durch Photovoltaik und Windkraft gedeckt werden müsste.

Im Januar 22 stand diese Leistung aus den so genannten Erneuerbaren nur am 2., 3., 5. jeweils mittags zur  Verfügung. Ebenso um null Uhr am 9., nachmittags am 17., spätabends am 19. bis in die Morgenstunden des 20., am 27. Januar ganztags und am 28. bis in den Vormittag, sowie am 29. und 30. bis in den Vormittag des 31. Januar zur Verfügung.

Das ist nicht berauschend. Ohne Gas für die Stromerzeugung zu verwenden, geht das nicht. Überschläglich betrachtet mussten im Januar 2022 durchschnittlich 12 Gigawatt von Gaskraftwerken abgerufen werden. Das macht für den ganzen Januar 9 Terrawattstunden. Dafür benötigt man etwa eine Milliarde Kubikmeter Erdgas.

Die Großindustrie hat ihren Gasverbrauch inzwischen auf etwa 1100 GWh täglich reduziert, Haushalte und kleine Gewerbe benötigen in den Wintermonaten um 2000 GWh.

Dies wiederum bezogen auf 31 Januartage sind 96 TWh oder weitere 10 Milliarden Kubikmeter.

Die gesamte aus den deutschen Gasspeichern entnehmbare Gasmenge liegt bei 23 Milliarden Kubikmetern, die theoretische Reichweite beträgt damit etwa 2 Monate. Hinzu kommen jene Mengen die aus laufenden Gasimporten entnommen werden können.

Wenn alles gutgeht, könnte das Gas also über den Winter reichen und Haushalte, Gewerbe und Stromversorgung sicherstellen.

Es darf allerdings nur in geringerem Umfang Gas aus den deutschen Speichern an die Nachbarn verkauft werden. Die Gasimporte dürfen nur geringfügig zurückgehen. Es darf  auch kein kalter Winter werden.

Ganz am Rande: Im Januar 2022 wurden in Deutschland nicht 11, sondern 14 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht. Diese Differenz entspricht dem gesetzten Einsparziel von 20%.

Beim Stromnetz sieht es noch einmal anders aus. Hier ist der gesamte europäische Verbund – von Portugal bis in die Türkei – darauf angewiesen, dass konventionelle Kraftwerke und erneuerbare Energien stets so viel liefern, wie benötigt wird. Da wird es sehr darauf ankommen, wie viele der momentan abgeschalteten französischen Kernkraftwerke (ungefähr die Hälfte) rechtzeitig wieder ans Netz gehen. 

Es wird aber auch darauf ankommen, wieviele Haushalte in Deutschland aufgrund hoher Gaspreise ihre elektrischen Heizlüfter und Radiatoren einschalten.

Letzteres spart zwar Gas, das wiederum zur Stromerzeugung zur Verfügung steht, aber  diese Rechnung geht auf Grund von Wirkungsgrad-Unterschieden auf der physikalischen Seite leider nicht auf.

Es bleibt spannend – und Vorsorge ist keinesfalls verkehrt.