Die Bedeutung der Gasspeicher-Füllstände

Achtung:

Der nachstehende Artikel, veröffentlicht am 20.09.2022, ist fehlerhaft. Die angeführten Zuflüsse in die Gasspeicher beziehen sich nicht auf Deutschland, sondern auf die gesamte EU. Damit ist die Lagebeurteilung so nicht mehr haltbar.

Die Richtigstellung finden Sie hier.


 

Das ist ein Tageskommentar mit verhältnismäßig vielen Zahlen, die ich mir mühsam zusammengesucht habe. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken: Erst das Ergebnis ist erschreckend.

Zu Beginn eine sehr wichtige Zahl zum Speichervolumen,
die ich aus den Publikationen des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) entnommen habe:

Theoretisch Verfügbarkeit des Arbeitsgases: 35 Tage

Diese Aussage bezieht sich auf alle unterirdischen Gasspeicher in Deutschland bei vollständiger Befüllung. Vollständige Befüllung heißt nun aber nicht, dass der komplette Inhalt des Speichers entnommen werden könnte. Es wird dazu unterschieden zwischen den Kategorien Arbeitsgas und Kissengas. Das Kissengas muss im Speicher verbleiben um einen gewissen Mindestdruck zu gewährleisten der benötigt wird, um den Speicher stabil zu halten. Das Kissengas macht, je nach Art des Speichers und der geologischen Situation einen Anteil zwischen 20 und 50 Prozent des Speichervolumens aus.

Es ist festzuhalten, dass nicht der gesamte Speicherinhalt zur Verfügung steht, sondern nur jener Teil, der nach den jeweiligen Gegebenheiten als Arbeitsgas zur Verfügung steht.

Die Verfügbarkeit, bzw. die Reichweite des Arbeitsgas-Speichervolumens wird nun allerdings nicht auf den Gasverbrauch an Spitzenbedarfstagen, auch nicht auf den Durchschnittsverbrauch der deutschen Gaskunden bezogen, sondern auf die technisch mögliche, konstante tägliche Entnahme-Menge, die sogenannte „Plateau-Entnahme-Rate“. Bei maximalem Füllstand sind etwas höhere Entnahmeraten möglich, bei deutlichem Absinken des Arbeitsgasvolumens sinkt auch die mögliche Gasentnahmerate.

Es ist festzuhalten, dass aus den Speichern pro Zeiteinheit nur eine bestimmte Menge Gas entnommen werden kann. Bedarfsspitzen, die über die Plateau-Entnahmerate hinausgehen, können grundsätzlich nicht bedient werden.

Die Plateau-Entnahme-Rate für alle unterirdischen Erdgasspeicher in D wird vom LBEG, Stand 31.12.2020, mit 671 Millionen Kubikmetern pro Tag angegeben. Seither dürfte sich dieser Wert nicht wesentlich verändert haben.

Es folgt eine weitere, wichtige Zahl, nämlich der Erdgasverbrauch in Deutschland.

Diese Zahl stammt von BDEW, dem Verband Erdgas, Strom und Heizwärme sowie Wasser und Abwasser, der in Deutschland 1.600 Branchenunternehmen vertritt.

Erdgasverbrauch Deutschland 2021: 1.016 Mrd. Kilowattstunden

Um dies zu den Speicherkapazitäten in Beziehung setzen zu können, ist es erforderlich, die Kilowattstunden in Kubikmeter umzurechen.

Faustformel: 1m³ = 10 KWh

Im letzten Jahr lag der Verbrauch also bei rund 100 Milliarden Kubikmetern. Allerdings verteilt sich dieser Verbrauch sehr unterschiedlich auf die Monate. Die Verbrauchsspitze lag 2021 im Januar bei gut 140 Mrd. Kilowattstunden, bzw. 14 Mrd. Kubikmetern.

Der tägliche Verbrauch im Januar 2021 – ohne Berücksichtigung von fehlenden Verbräuchen der Wirtschaft an Feiertagen und Wochenenden – kann demzufolge mit 450 Millionen Kubikmetern angenommen werden.

Dritte und letzte Zahl: Der Ergas-Zufluss nach Deutschland

Hier bin ich bei Bruegel.org fündig geworden. In der Kalenderwoche 36 hat Deutschland insgesamt 6,6 Mrd. Kubikmeter Erdgas importiert. 587 Millionen m³ aus Russland, 2,2 Mrd. m³ aus Norwegen, 700 Millionen aus Algerien und 2,8 Mrd. m³ in Form von LNG-Gas aus aller Welt.

Es ist festzuhalten, dass die Augenblicks-Aufnahme zum Stand der Erdgasversorgung für den kommenden Winter ein absolut beruhigendes Bild zeigt:

Deutschland hat es in der KW 36 geschafft, doppelt so viel Erdgas zu importieren, wie bei Spitzenlast im Januar 2021 verbraucht wurde und konnte folglich über 3 Milliarden m³ in die Speicher leiten, die nun zu über 90 Prozent gefüllt sind. Der tägliche Spitzenverbrauch im Januar 2021 lag deutlich, nämlich um 220 Millionen m³ unter der maximal möglichen Plateau-Entnahme, so dass die Reichweite der Speicher sich von theoretisch 35 Tagen auf realistisch fast 50 Tage verlängern dürfte. Hielte der Zustrom der Ergasimporte an, wie in KW 36, wäre es noch nicht einmal erforderlich, die Speicher überhaupt anzugreifen. Dass  Deutschland mittlerweile als Erdgas Zwischenhändler sowohl Frankreich als auch Polen mitversorgt, soll hier nur am Rande erwähnt werden.

Warum also ist Erdgas knapp, warum darf nur noch kalt geduscht werden, warum stehen die Stickstoffwerke in Piesteritz still, warum müssen Bäcker und Metzger und viele weitere Betriebe das Geschäft aufgeben?

 

Es ist der Draghi-Spahn-Habeck-Effekt.

Die Sorge um die eigene Reputation hat schon Mario Draghi dazu gebracht, im Wissen: „Gelddrucken kostet nichts“, das (Zitat aus Kir Royal) „Zuscheißen“ des angerichteten Scherbenhaufens mit Geld zu praktizieren und sein zum Sprichwort gewordenes „Whatever it takes!“ in die Welt hinaus zu schreien.

Jens Spahn hat das im Frühsommer 2020 im kleineren, aber ebenso irrsinnigen Maßstab wiederholt, als er, ohne auf die völlig überzogenen Preise und die angebotene Qualität zu achten, Masken einkaufte, als gäbe es kein Morgen mehr, und jeden, der auch nur einen Hinweis geben konnte, wo noch Masken aufzutreiben wären, mit mehr als fürstlichen Provisionen belohnte. Vom peinlichen Zustand, keine Masken eingelagert zu haben, zum Großkotz-Zustand, in Masken praktisch zu schwimmen, hat Spahn nichts anderes getan, als jede Menge Geld zum Fenster hinauszuwerfen.

Nun hat Robert Habeck, von dem peinlichen Zustand aus, sich vom russischen Erdgas losgesagt, ohne jedoch gleichwertigen Ersatz schon beschafft zu haben, das Füllhorn in die Hand genommen und den Weltmarkt leergekauft. Ohne jedes Augenmaß, wie vorher Draghi und Spahn, und natürlich soll auch Lauterbach noch ehrend erwähnt werden, der sich bis über die Halskrause mit so genannten Impfstoffen eingedeckt hat.

Geld kostet ja nichts. Das holen wir aus dem Haushalt.

Uniper, der inzwischen zur Verstaatlichung anstehende Gashändler, hat die Milliarden schneller verbrannt als man zusehen kann. Weder ein Hilfspaket, mit dem der Bund im Gegenzug bereits 30 % der Anteile an Uniper erhalten hat, noch der 9 Milliarden-Hilfskredit der KfW haben bisher ausgereicht, die Differenz zwischen dem einstigen Preis für russisches Öl und dem durch – vor allem deutsche – Panikkäufe in die Höhe geschossenen Weltmarktpreis auszugleichen. Uniper steht schon wieder um weitere 4 Milliarden Euro Kredithilfe an und Habeck ist offenbar gewillt, das bodenlose Fass nun zu verstaatlichen, was aber an den Verlusten, die sich aus langfristigen, preisgebundenen Lieferverträgen an die Uniper-Kunden ergeben, nichts ändern wird.

Habeck, der sich mit seiner Gasumlage blamiert hat, sitzt jetzt in einer besonders unangenehmen Falle. Der Notfallplan-Gas, der im Falle der Feststellung einer Gasmangellage die Freistellung der Lieferanten von ihren vertraglichen Verpflichtungen aus der Preisbindeung ermöglichen würde, kann nicht in Kraft gesetzt werden, weil die Angst vor leeren Gasspeichern unseren Minister für Klimawirtschaft getrieben hat, jede erreichbare Menge zu jedem aufgerufenen Preis aufzukaufen, und die Importeure mit der gesetzlichen Pflicht, die Gasspeicher bis zum 1. November auf 95 Prozent zu füllen, dazu angetrieben hat, sich mit aller Kraft in diese Shopping-Tour zu stürzen. Von Gasmangel kann daher derzeit keine Rede sein.

Die Kosten zur Stützung der Hauptbetroffenen, vor allem Uniper, die nämlich bisher in großen Mengen Russengas importiert hatten, sollten durch eine Umlage auf den Gaspreis wieder eingetrieben werden. Von dieser Gasumlage hätten jedoch auch solche Gashändler massiv profitiert, die gar keine Verluste aus dem Gasgeschäft zu verzeichnen haben, was von Kritikern bemängelt wurde. Was nicht bemängelt wurde, war die Tatsache, dass nicht nur jene Kunden, die noch von den niedrigen, langfristig vereinbarten Preisen profitierten, die Gasumlage zahlen sollten, sondern auch jene, deren Verträge ausgelaufen waren und mit astronomischen Gaspreisen fortgesetzt werden mussten.

Die Bundesregierung hat es geschafft, die durch „beste Energiewende-Absichten“ und „beste Sanktionspolitik“ mutwillig geschaffene, prekäre Gasversorgungskrise in eine nicht weniger problematische Gaspreiskrise zu überführen. Für die Bevölkerung und die Wirtschaft ist es allerdings egal, ob die Maschinen stillstehen und die Heizungen kalt bleiben, weil es kein Gas gibt, oder weil das Gas unbezahlbar geworden ist. Das ist die Analogie zur Bananenimportstrategie der DDR. Entweder es gab keine, oder  sie waren für Otto Normalossi unbezahlbar.

Kurzfristig sitzen wir jetzt auf einem Haufen weit überteuert eingekauften Gases. Diese Zeche ist gemacht und muss auch dann bezahlt werden, sollte die Politik zur Vernunft zurückkehren und North Stream 2 nicht länger blockieren.

Alle Indizien deuten allerdings darauf hin, dass die Entscheidung, North Stream 2 doch noch in Betrieb zu nehmen, im Laufe der nächsten Monate getroffen werden muss, schon alleine damit die BASF nicht ihren gesamten Betrieb stilllegt und mit dem Wegfall ihrer unendlichen Vielzahl von Chemieprodukten alle noch funktionierenden Lieferketten zerstört. Ob Habeck dann noch Wirtschaftsminister, Scholz noch Bundeskanzler und Lindner noch Finanzminister sein wird, ist im Augenblick noch offen. Es kommt darauf an, wie lange die Genannten sich noch weigern wollen, den Tatsachen ins Auge zu sehen.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen.

Der Bund, der nun die Verluste von Uniper ausgleicht, indem er das Geld bereitstellt, um die Gas-Exporteure zu bezahlen, muss zumindest einen Teil davon noch einmal ausgeben, um die Bürger mit Entlastungspaketen soweit nur irgend möglich ruhigzustellen. Ist das nicht das Musterbeispiel des Gegenteils einer Win-Win-Situation?

Ich kann gar nicht so viel essen …