Das EU-europäische Zensurkartell

Es gibt die Staaten der EU.

Die haben alle ihre Parlamente, ihre Verfassungen und ein darauf gegründetes Rechtssystem.

An die Beschlüsse der Parlamente, die Verfassungen und das geltende Recht haben sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu halten.

Gut. „Haben“ ist falsch.

„Hatten“, bzw. „hätten“, bringt den Status quo besser zum Ausdruck.

Weil es für Regierungen ausgesprochen lästig sein kann, sich an Verfassungsrecht und Parlamentsbeschlüsse zu halten, und weil dabei stets die Gefahr besteht, dass „Volkeswille“ in einem Maße zur Umsetzung gelangen müsste, das ein zügiges, ungebremstes Durchregieren zumindest erschwert, hat man einen Club gegründet, in dem man sich abspricht, um Regeln schaffen zu können, mit denen letztlich die Parlamente entmachtet, die Verfassungen missachtet und das geltende Recht an den Parlamenten vorbei zurechtgebogen werden kann.

Dieser Club, man könnte auch von einem Kartell sprechen, nennt sich „Europäischer Rat“. Da treffen sie sich, setzen sich zusammen, und hecken aus, was den Bürgern ihrer Nationalstaaten als nächstes zugemutet werden soll. Natürlich sind nicht immer alle einer Meinung. Vor allem Polen und Ungarn versuchen immer wieder, ihr Veto einzulegen, aber das spielt praktisch keine Rolle. Beide verzichten am Ende dann doch lieber wieder auf die Eigentständigkeit als auf das Geld, das die EU für Wohlverhalten ausschüttet, und im Zweifelsfall droht ein Vertragsverletzungverfahren, das natürlich nicht der Rat anstrengt.

Denn dieser erlauchte Club der Staats- und Regierungschefs, der in seiner Geschlossenheit allmächtig ist, wie ein König oder Kaiser von Gottes Gnaden, ist viel zu abgehoben, um sich in den Niederungen der Administration selbst die Hände zu besudeln.

Man hält sich Kommissare. Kommissare für dies, Kommissare für das, und einen Verwaltungschef, der, weil es einfach besser klingt, sich „Präsident“ nennen darf. Präsident der Europäischen Kommission. Derzeit wird diese Rolle von der vom Rat ernannten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgefüllt.

Die Kommissare arbeiten die vom Rat vorgegebenen Aufgaben ab. Das Ergebnis ist so genanntes „Europäisches Recht“, das – eine Infamie der besonderen Art – dann von den nationalen Parlamenten in nationales Recht gegossen werden muss, weil es halt immer noch Nationalstaaten sind und die EU selbst keine Staatlichkeit besitzt. Dieses System funktioniert hervorragend. Es macht es möglich, nationale Verfassungen auszuhebeln und die nationalen Parlamente von der Last der Gesetzesarbeit weitgehend zu entbinden, denn sie müssen nicht mehr mehr tun, als die in ihre Landessprache übersetzten Texte zu verabschieden. Tun sie das nicht, droht, was Ungarn und Polen immer wieder droht, nämlich ein Vertragsverletzungsverfahren. Wer will das als Volksvertreter schon auf sich nehmen, dem Volk, bzw. den Steuerzahlern des Volkes, wegen Insubordination gegenüber der Kommission, die Last einer Vertragsstrafe aufzubürden. Niemand.

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland findet sich die Aussage:

  • Jeder hat das Recht,
    seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
    und zu verbreiten
    und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
  • Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.
  • Eine Zensur findet nicht statt.

Das klingt wie im Märchen, was sich die Mitglieder des Gremiums „Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz der westdeutschen Besatzungszonen“ innerhalb von nur zwei Wochen auf Herrenchiemsee ausgedacht haben, um einer neuen Republik das zu ersparen, was das „Dritte Reich“ sich hatte einfallen lassen, um die Meinungsfreiheit in geordnete Bahnen zu lenken und jegliche Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten mit aller gebotenen Härte zu ahnden.

Nun, die Meinungsfreiheit war von Anfang an nicht so, wie sie in Artikel 5, Satz 1 des Grundgesetzes  als eherner Grundsatz prangen durfte. Satz 2 enthält nämlich bereits erste Einschränkungen.

Diese Rechte finden ihre Schranken

  • in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze,
  • den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend
  • und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Der naive Bürger geht natürlich davon aus, dass es eigentlich keine Gesetze geben könne, die einen Grundgesetzartikel entkräften, aber wer des Lesens mächtig ist, weiß, dass das Grundgesetz hier dem Gesetzgeber die Erlaubnis erteilt hat, die Meinungsfreiheit nach Gutdünken einzuschränken, solange sich denn im Deutschen Bundestag eine einfache Mehrheit dafür findet. Hier aufzuzählen, was da inzwischen alles an Möglichkeiten gefunden wurde, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Hier geht es darum, darauf hinzuweisen, dass der Club der Staats- und Regierungschefs der EU mit den neuen Möglichkeiten, die der Wahrnehmung der Meinungsfreiheit durch das Internet zugewachsen sind, trotz aller bereits einschränkenden nationalstaatlichen Gesetze, immer noch äußerst unzufrieden war.

Insbesondere die Tatsache, dass Druck auf die großen Meinungsportale, der von den Nationalstaaten ausgeübt werden konnte, noch nicht zuverlässig ausgereicht hat, die gewünschte Zensur aus schnell und vollständig genug durchzusetzen, hat den Wunsch geweckt, mit der gesamten Marktmacht der EU dafür zu sorgen, dass der Meinungsfreiheit im Internet ein neuer, noch stabilerer Riegel vorgeschoben werden soll.

Nach dem Vorbild des deutschen „Netzwerksdurchsetzungsgesetzes“ hat daher die Kommission ein EU-weites Zensurgesetz geschaffen, den „Digital Services Act“, der heute, am 25. August 2023 in Kraft getreten worden ist.

Seit heute bestimmt also die EU-Kommission im Auftrag der Staats- und Regierungschefs der EU, also  auch im Auftrag von Bundeskanzler Olaf Scholz, was auf den folgenden Plattformen unverzüglich gelöscht  werden muss, bzw. nicht angezeigt werden darf:

AliExpress, Amazon Store, AppStore, Bing, Booking, Facebook, Instagram, Google Maps, Google Play, Google Search, Google Shopping, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, TikTok, X, Wikipedia, YouTube und Zalando.

Am offenen Grab der Meinungsfreiheit in der EU hielt der Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, eine bewegende Rede, deren Kernaussage hier wiedergegeben werden soll:

„Ich und meine Dienststellen werden die Einhaltung des DSA gründlich durchsetzen und unsere neuen Befugnisse voll ausschöpfen, um Plattformen zu untersuchen und gegebenenfalls zu sanktionieren.“

Und als ob dies noch nicht genug wäre, fügte er noch diesen – sehr nach Despotie und Sippenhaft klingenden Satz hinzu:

„Die Einhaltung des DSA ist keine Strafe, sondern eine Chance für Plattformen, ihre Zuverlässigkeit zu verbessern.“

„Zuverlässigkeit“!

Klingt das nicht wie der blanke Hohn?

Ist der Begriff „Gleichschaltung“ in diesem Zusammenhang tatsächlich unangemessen, wenn alle großen Plattformen gleichermaßen verpflichtet sind, den Zugang zu „verbotenem Wissen“ zu sperren? Und dies unter Androhung existenzgefährdender „Chancen“, ihre Zuverlässigkeit zu verbessern?

Als ich vor zwanzig Jahren begonnen habe, meine Meinung im Internet zu veröffentlichen und das Handeln von Regierung und Wirtschaft zu kommentieren, war ich noch überzeugt, auch bei scharfer Kritik, von keinem Richter dieser Republik deshalb schuldig gesprochen zu werden.

Heute – obwohl ich mir inhaltlich und stilistisch treu geblieben bin – würde ich darauf keine Wette mehr eingehen. Es ist nicht mehr das Recht, das mir erlaubt, meine Meinung zu äußern, stattdessen vertraue ich darauf, dass die Reichweite meines Blogs noch klein genug ist, um der Gefahr zu entgehen, dass mir ein Kommissar die „Chance“ einräumt, meine Zuverlässigkeit zu verbessern?

Die Frage, wie lange es wohl noch dauern wird, bis das Abhören von Feindsendern unter Strafe gestellt wird, steht im Raum.

Die Möglichkeiten, jeden Browserverlauf zu verfolgen, bestehen. Daraus vollautomatisch Bußgeldbescheide zu erzeugen und im Wiederholungsfall den Internetzugang zu sperren, wäre keine Hexerei. Die Nutzung von VPN zu verbieten, oder gleich ein Verbot zu erlassen, VPN überhaupt anzubieten, geht auch.

Es ist erstaunlich, was heutzutage alles geht. Finden Sie nicht auch?

Ein Kinderlied, dass demnächst auch auf dem Index landen dürfte, wegen Delegitimierung der großen Elefanten …