Auf der Suche nach den Ursachen der Verblödung Teil 3

PaD 33 /2023 Hier auch als PDF verfügbar: Pad 33 2023 Auf der Suche nach den Ursachen der Verblödung 3 –

Im ersten Teil dieser Reihe ging es um archaische, genetisch verankerte Programme, mit dem zweiten Teil wurde aufgezeigt, dass die Veränderung der Lebensumwelt durch „Fortschritt“ viele dieser Programme obsolet gemacht hat, so dass sie für das Überleben nicht mehr relevant sind und „defekte“ Programme problemlos weitervererbt werden können, ja u.U. sich sogar positiv auf den Fortpflanzungserfolg auswirken können. Beispielhaft angeführt wurde dabei der „coole Typ“.

Die zunehmende Verblödung, die mit dem Verlust der artspezifischen, genetisch verankerten Überlebensmechanismen eingeleitet wurde, wird allerdings durch einen weiteren, unumkehrbar erscheinenden Prozess gefördert:

Die progressiv fortschreitende Entwertung erlernten Wissens und erworbener Fähigkeiten.

Ein Prozess, der inzwischen in faktisch jeden Lebensbereich hineinwirkt, durch einen positiven Rückkopplungseffekt noch immens verstärkt wird und auch die Spezialisten und Korriphäen auf ihren Spezialgebieten nicht verschont.

Bitte sehen Sie sich das folgende Bild genau an. Es handelt sich um eine Lochkarten-Tabelliermaschine vom Typ „Bull Gamma 10“. Die beiden unten an die Maschine gelehnten Tafeln mit dem wuchernden Kabelsalat darauf, waren zu Zeiten der Lochkarte das was man heute „Programme“ nennt.  Die Stromimpulse die ausgelöst wurden, wenn die Löcher der Lochkarte einen Kontakt ermöglichen, wurden über diese Stecktafeln mit Drähten und so genannten „Bananensteckern“ verschaltet, so dass bestimmte Impulse aus jeder der 80 Spalten der Lochkarte bestimmte Aktivitäten der Tabelliermaschine auslösten.

Die Tabelliermaschine war das Herz einer Abteilung, die „Maschinelle Abrechnungsstelle (MAS)“ genannt wurde und über gut ein Dutzend Lochkartenstanzmaschinen sowie Lochkartensortier- und Lochkarten-Mischmaschinen verfügte.

Der Chef dieser Abteilung war ein „Lochkarten-Genie“. Er holte aus seiner Bull Gamma 10 alles heraus, was nur irgend möglich war. Bis 1970.

Bild: technikum29 Computer Museum, Creative Commons Lizenz, Link: technikum29.de

Als 1970/71 die Bull Gamma 10 durch einen „echten Computer“ abgelöst wurde, mit einem Arbeitsspeicher von sagenhaften 4 Kilobits, scheiterte der gleiche Mann, mit damals vielleicht knapp 50, daran, die betriebswirtschaftlichen Pflichtenhefte in COBOL-Programme umzusetzen. Jetzt waren die Jungen  dran, zwischen 20 und 30, frisch von den Programmierkursen zurück, vollbrachten sie die neuen kleinen Wunder, die unter anderem in einem programmier-technischen Hochseilakt bestanden, der es erlaubte, die 4.004 Speicherstellen, die zur Verfügung standen, im Laufe eines Programmdurchlaufs immer wieder anders zu nutzen.

Damals wertete ich dies noch als ein bedauernswertes Einzelschicksal, das ich auf persönliche Defizite des Betroffenen zurückführte. Heute weiß ich, dass es sich um einen Prozess handelt, der sich massenhaft vollzieht und kaum jemanden verschont.

Ein klassisches Beispiel für diese Breitenwirkung findet sich in der Rechtschreibreform, bzw. in den in rascher Folge sich selbst korrigierenden Reformen, an deren Ende zwei bis drei Generationen ihrer Fähigkeit beraubt  waren, sich schriftlich fehlerfrei auszudrücken, während die erhofften Erfolge im schulischen Bereich ausgeblieben sind. Eingebrannte Regeln in Bezug auf die Groß- und Kleinschreibung, die Getrennt- und Zusammenschreibung, die Interpunktion, die Verwendung von „ß“ und „ss“, sowie die neuen Schreibweisen von Fremdwörtern, stifteten nichts als Verwirrung. Schulische Experimente wie „Schreiben nach Gehör“ vervollständigten das Chaos, das jedoch, mit Hilfe der attestierten „Legasthenie“ ohne Auswirkung auf die Zeugnisnoten bleiben kann.

Zur Legasthenie gesellte sich alsbald die Dyskalkulie. Der Taschenrechner ersetzte das Kopfrechnen, was an sich noch weitgehend folgenlos bliebe, wie sich am Beispiel der Auszubildenden (Mittlere Reife) beim Optiker zeigte, die ohne Taschenrechner nicht in der Lage war, einen Nachlass von 50 Euro vom Rechnungsbetrag in Abzug zu bringen. Mit Taschenrechner dann aber doch und mit korrektem Ergebnis. Die Folgen zeigen sich beim Verlust jeglichen Gefühls  für Größenordnung, das beim „Rechenschieber“ noch unverzichtbar war, sich heute aber, um ein prominentes Beispiel zu bemühen, darin manifestiert, dass es auf dem Erdball mit 42.000 km  Äquatorumfang Länder geben kann, die hunderttausende von Kilometern von Deutschland entfernt sind.

Hierbei spielen nun aber bereits auch Google und Wikipedia eine wichtige Rolle. Die schnelle Verfügbarkeit quasi lexikalischen Wissens zu jeder Zeit und an jedem Ort, vorausgesetzt, das Smartphone findet ein Netz und der Akku  ist nicht leer, entbindet davon, sich überhaupt noch etwas zu merken.

So ziemlich jeder alte weiße Mann wird sich (im Kopf) und ohne zusätzliche Informationen zu benötigen, ausrechnen können, wie schnell die Erde auf ihrem Kurs um die Sonne unterwegs ist. Er kennt nämlich die Distanz Sonne-Erde in Lichtminuten, die Lichtgeschwindigkeit und die Kreisformeln. Die so ermittelte  Strecke, die in  einem  Jahr zurückzulegen ist,  in Stundenkilometer umzurechnen ist dann nur noch ein Klacks.

Natürlich weiß Herr Google das auch, und gibt schneller Auskunft als der alte weiße Mann das im Kopf ausrechnen kann, außerdem gehört es zu den Fakten, die man wirklich nicht kennen muss, weil sie keinerlei Auswirkung auf das alltägliche Leben haben, weshalb es egal ist, sollte mal der Strom so lange ausfallen, dass auch die Smartphones nicht mehr funktionieren. Im Grunde  nutzloses Wissen!

Aber darum geht es ja auch gar nicht.

Es geht um die Fähigkeit, Informationen eigenständig miteinander verknüpfen zu können, um entweder selbst zu einer Erkenntnis zu gelangen, oder, was zunehmend wichtiger wird, eine in den Raum gestellte Information (blitzschnell) auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen, einen Rechenweg oder einen Argumentationspfad nachvollziehen zu können.

Diese Fähigkeit geht verloren, weil die Ergebnisse fix und fertig vorliegen und nur in der gleichen fix-und-fertigen Form bei den meisten anderen Quellen gefunden werden, wenn nach einer Bestätigung gesucht wird.

Es ist so ähnlich, wie eine Pappschachtel mit 10 Hühnereiern  im Supermarkt zu kaufen. Die sind da fix und fertig zugriffsbereit. Alles was zeitlich vor dem Entdecken des Eierkartons im Supermarktregal liegt, ist irrelevant. Sicherlich: Es gibt Menschen, die sich für „Bio-Eier“ entscheiden, aber in der Masse eben einfach nur, weil sie der Behauptung glauben: „Bio ist besser.“ Was genau an den Eiern im Einkaufswagen besser ist, als an denen, die nicht mit „Bio“ sondern mit „Bodenhaltung“ oder „von freilaufenden Hühnern“ angeboten werden und jenen, die ohne solche Kennzeichnung, dafür mit einem tollen Markennamen wie  zum Beispiel  „Landhuhn – gold“ auskommen, das wissen von 1.000 Bio-Eier-Käufern vielleicht noch fünf zu erklären, wobei fraglich ist, ob diese fünf  überhaupt Bio-Eier im Supermarkt kaufen würden, statt sich im Hofladen bei Bauer Riedelmayer zu versorgen, wo man den Hennen beim Scharren und Picken im Freigelände noch zusehen kann.

Das ist ein Ergebnis eines evolutionären Optimierungsprozesses, der darauf hinausläuft, den Energieverbrauch des Individuums zu optimieren, also nicht mehr Energie aufzuwenden, als für die (sichere) Erreichung eines Ziels  erforderlich ist. Auch das gehört zu den Überlebensstrategien, obwohl es  der „Faulheit“ nahezu ununterscheidbar ähnlich ist.

Das zugehörige Ideal  findet sich in den Erzählungen, die so etwas wie ein  Leben im „Schlaraffenland“ als  die erstrebenswerteste Form des Daseins schildern. Zwischen diesem „Nichts tun und trotzdem pappsatt werden“ und dem heute ernsthaft propagierten „Nichts besitzen und glücklich sein“, besteht kein grundsätzlicher Unterschied. „Nichts besitzen“ heißt ja im Rückschluss auch, sich für nichts anstrengen zu müssen. Das ganze Rennen nach dem Materiellen, sei es für die Grundversorgung oder gleich für den Luxus, kann ja entfallen, wenn man  sich nur ein bisschen einschränkt und dafür Lebensqualität gewinnt.

Wenn erst einmal die Autos aus der Stadt verschwunden sind, wenn die Lastenräder auf marmorgepflasterten Lastenradwegen dahinrollen und die vielen großen breiten Straßen zu grünen Parks und zu Spielwiesen gemacht worden sind, was fehlt  da denn noch? Man nehme eine Vision vom Schlaraffenland, einschließlich der aus Köln vertriebenen Heinzelmännchen, lasse diese Vision oft genug von Experten beschreiben und von den Medien zum Ideal aufblasen, und schon werden alle, alle, alle nichts anderes mehr wollen, weil ihnen die Fähigkeit fehlt, Informationen eigenständig miteinander verknüpfen zu können, um eine in den Raum gestellte Vision (blitzschnell) auf ihren Realisierbarkeit abklopfen und die Argumentation nachvollziehen zu können.

Die Grünen haben diese Vision (bitte unbedingt jetzt anklicken) in einer Art „naiver Malerei“ sogar visualisiert, aber wieder ist es, wie mit dem Eierkarton im Supermarkt: Es gibt kein „Davor“, auch kein „Danach“, und alles, was nicht im Bild ist, gibt es auch nicht im „Jetzt“.

Da werfen wir doch lieber einen Blick um die nächste Ecke und sehen uns an, was nach drei bis vier Jahren davon übriggeblieben sein wird:

Jedes Idyll zerfällt, wenn  es nicht  gepflegt, erhalten, renoviert und erneuert wird. Die reale Welt ist nun einmal nicht eines der beiden Holodecks auf der
USS Enterprise (NCC-1701-E) aus den Star-Treck-Filmen.

Visionen, die dies glauben machen wollen, sind Beiträge zur Verblödung, und davon gibt es mehr als genug.

Erstaunlich viele dieser Holodeck-Inszenierungen entstammen dem Bereich der Politik, da fühlt sich mancher, der ein Fachkräftezuwanderungsgesetz ersinnt, wie Captain Kirk der nur hätte sagen müssen: „Computer, lass Fachkräfte zu uns kommen!“, und schon hätte sich das Holodeck mit Spitzenkräften  aller Fachrichtungen gefüllt. Oder: „Computer! Deutschland ist ein reiches Land! Mach uns den 100-Milliarden Wumms und den 200-Milliarden Doppelwumms!“

Noch Beispiele gefällig?

  • Wir erzeugen grünen Stahl aus grünem Wasserstoff zu Weltmarktpreisen.
  • Jeder Mensch hat das Geschlecht, für das er sich entscheidet.
  • Wir werden jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen.
  • Busse und Bahnen befriedigen den gesamten Mobilitäts- und Transportbedarf.
  • Wir schaffen das.

Die Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen. Rund 80 Prozent der Wähler entscheiden sich weiterhin für die gleichen Parteien, obwohl deren Visionen immer abstruser und deren Gesetze immer absurder  werden. Doch noch droht Gefahr. Es gibt sie noch, die Querdenker, die noch in der Lage sind, Informationen eigenständig miteinander zu verknüpfen und sowohl Faktenirrtümer als auch Logikfehler zu erkennen, und mutig genug sind, ihre Erkenntnisse zu verbreiten.

Das Bemühen, diese Schwachstelle abzudichten, weil sonst das Fortschreiten der Verblödung noch aufgehalten werden könnte, hat inzwischen Ausmaße und Formen  angenommen, die ihrerseits wiederum die Gefahr in sich tragen, die Illusion zu zerstören, die im Grundgesetz  verankerten Grundrechte hätten in der Realität noch ihre ursrpüngliche Bedeutung und Wirkungskraft. Kritikverbote, wie sie mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz in die Welt gesetzt wurden und nun durch die verpflichtende Schaffung von Zig-Tausenden von „Meldestellen“ in allen Unternehmen mit mehr als 49 Mitarbeitern noch einmal einen verstärkenden Schub erhalten, aber auch der – jegliche Kritik an Politikern maximal einschränkende – Tatbestand  der „Verfassungschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ sind mächtige Werkzeuge um die Meinungsfreiheit auf jenen schmalen Korridor zu beschränken, der vom geltende Narrativ besetzt ist.

Dass diese Mittel für erforderlich gehalten werden, ist ein positives Indiz dafür, dass es innerhalb der Bevölkerung immer noch nennenswerte Kräfte gibt, die versuchen, sich der Verblödung entgegenzustellen.

Gibt es also noch Hoffnung?

Es gibt zwei Erkenntnisse, aus denen sich Hoffnung schöpfen lässt.

  1. Der Widerstand gegen die Verblödung ist vorhanden, es fehlt denen, die ihn tragen, noch eine schlagkräftige Organisation, was es relativ einfach macht, Einzelne herauszuziehen und an ihnen Exempel zu statuieren, doch dies hat die Masse der Selbst- und Querdenker bisher nicht ins Wanken bringen können.
  2. Die Folgen der Verblödung werden laufend deutlicher in der Dysfunktionalität des Staates und dem Dahinsiechen der Volkswirtschaft erkennbar, sodass immer mehr Menschen den Unterschied zwischen Sein und Schein, zwischen der Realität und dem Holodeck zu erkennen vermögen und beginnen, nach Erklärungen zu suchen. Diese Erklärungen gibt es, sie können – trotz vieler Störsender (Faktenchecker) – an vielen Stellen im Internet abgerufen werden, und sie werden abgerufen.

 

Wege zur Rückgewinnung der Ernsthaftigkeit, des Wissens und der Fähigkeiten  werde ich in Teil 4 dieses Absatzes beschreiben. Diese Wege befinden sich alle außerhalb des Holodecks und bedürfen erheblicher Anstrengungen, um über sie zum Ziel zu gelangen. Das sollte es uns allerdings wert sein.

Zur Erinnerung:

Teil 1   Teil 2