Auf der Suche nach den Ursachen der Verblödung (Teil 2)

Aus der Höhle in den Supermarkt
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PaD 32 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 32 2023 Auf der Suche nach den Ursachen der Verblödung 2

Archaische Programme plus erlernte Fähigkeiten bilden das Spektrum der Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen, dies ist die Quintessenz des ersten Teils dieses Aufsatzes.

Im Mittelpunkt dieses Aufsatzes stand die Radnetzspinne, als ein Beispiel für das – aus unserer begrenzten Sicht – scheinbare Erreichen des Evolutiongipfels, ab dem keine sinnvolle Weiterentwicklung mehr möglich erscheint.

Der Mensch hingegen ist weit über das genetische Erbe hinausgewachsen, ist aus dem Käfig des determinierten Reiz-Reaktionsschemas der so genannten Instinkte entkommen, hat gelernt, diese in Frage zu stellen und weitgehend zu überwinden.

Wir haben viele der ursprünglichen Reflexe auf die Ebene unwillkürlicher Körperfunktionen zurückgedrängt und handeln bewusst, bzw. selbstbewusst, anders, weil der Reflex als töricht oder, unter den veränderten Bedingungen unserer selbstgeschaffenen Umwelt, sogar schädlich wäre. Das kann immer noch negative Folgen nach sich ziehen, weil die Körperchemie – zum Beispiel die vermehrte Ausschüttung von Adrenalin in Stresssituationen – nicht mehr durch vermehrte Muskelarbeit bei Flucht oder Kampf wieder ins Gleichgewicht  gebracht wird.

Die Vorstellung, dass Veränderungen des Erbgutes einer großen Population sich nur in Prozessen vollziehen könne, die sich über sehr lange Zeiträume erstrecken, ist weit verbreitet und was die physische Basis, die Morphologie betrifft, auch kaum zu bestreiten.

Es muss jedoch die Frage erlaubt sein, ob  dies auch für die genetisch verankerten Programme zutrifft.

Die Arbeitsweise der Evolution ist schrecklich banal. Wer an seine Umwelt gut angepasst ist – also von der körperlichen Ausstattung und von der Programmierung her mit dem Notwendigen ausgerüstet ist – hat die deutlich bessere Chance, sich fortzupflanzen und so zum Arterhalt beizutragen. Wer  in der einen oder anderen Hinsicht Defekte aufweist und – zum Beispiel in Gefahrensituationen – nicht schnell genug reagiert, weil entweder die Programmierung das rechtzeitige Erkennen der Gefahr nicht zulässt, oder  weil körperliche Eigenheiten die artgemäße Fluchtgeschwindigkeit oder die Abwehrchancen einschränken, wird dem Fressfeind mit höherer Wahrscheinlichkeit vor der Geschlechtsreife zum Opfer fallen, seine „Defekte“ also nicht vererben können.

Die Menschheit ist jedoch an einem Punkt angekommen, an dem die Mehrzahl der Menschen sich in einer Umgebung eingerichtet hat, in der genetische Reiz-Reaktionsmuster für das Überleben des Individuums kaum noch eine Rolle spielen. Defekte Programme werden daher nicht von der Vererbung ausgeschlossen. Im Gegenteil, sie können in einem „Biotop“, in dem die alten Reflexe eher schädlich sind, einen Beitrag zur Erhöhung des Fortpflanzungserfolges leisten.

Es entsteht der „Coole Typ“.

Sein Gegenstück findet sich in dem Menschen, bei dem sich Wut, aber auch Scham und Verlegenheit, in einem mehr oder minder stark rot werdenden Gesicht zeigen. Es handelt sich um ein nonverbales Signal an die Mitmenschen, das ausdrückt, dass der Betroffene sich in einem psychischen Ausnahmezustand befindet und keinesfalls (weiter) gereizt werden sollte.

Der coole Typ errötet nicht. Die Ursache liegt m.E. aber nicht darin, dass er gelernt hat, diese Reaktion auf Wut oder Scham zu unterdrücken, sondern darin, dass die auslösenden Emotionen bei ihm nicht mehr, bzw. nur noch in einer stark abgemilderten und rationalisierten Form auftreten. Der coole Typ denkt: „Ich sollte jetzt wütend sein“, statt die Wut in sich aufsteigen zu fühlen, während die gesellschaftliche Enttabuisierung aller einst mit Scham und Verlegenheit assoziierten Situationen dazu beigetragen hat, diese Emotionen weitgehend verschwinden lassen.

Ein weiteres Phänomen, ungleich schwerwiegender, deutet sich in unserer Zeit bereits an: Der Verlust der Beißhemmung gegenüber Art- und Rudelgenossen.

Das ist nicht die Tötungshemmung gegenüber dem Feind, die den Soldaten während der Ausbildung abtrainiert wird und zudem durch immer größere Reichweite der Waffen weit von dem entfernt ist, was im Nahkampf, überwunden werden muss.

Vor ein paar Tagen berichtete der bayerische Rundfunk über die Zunahme der Jugendgewalt in München, hier ein kurzer Ausschnitt:

Nicht nur der Anteil schwerer Delikte an der Jugendkriminalität steige, auch die Taten selbst würden offenbar brutaler, beobachtet der Münchner Oberstaatsanwalt Franz Gierschick. In den 1990ern sei es ein Aufreger gewesen, wenn auf Personen am Boden noch eingetreten worden sei.

„Ich würde mir diese Zustände heute ‚zurückwünschen'“,

sagt er. Heute gingen Jugendliche und Heranwachsende mit Messern und zum Teil Macheten aufeinander los – eine Steigerung in der Qualität der Angriffe, die auffalle in den letzten Jahren.

Dieses Phänomen muss für sich betrachtet werden. Eine Vermengung mit dem Problem fehlgeschlagener Integration, das hier natürlich auch zu finden ist, würde nur Äußerlichkeiten, Anlässe und Gelegenheiten beleuchten, nicht aber den allgemeinen Verlust der Bindung des Individuums an die Gesellschaft, aus der es hervorgegangen ist und die für sein Überleben unverzichtbar ist.

Was da beginnt, ist ein gesellschaftlicher Selbstzerstörungsmechanismus, der sich eben nicht nur in den Exzessen migrantischer Gewalttäter zeigt, sondern auch in der deutschstämmigen Bevölkerung, die als grob in zwei Lager getrennt wahrgenommen werden kann, bei der das Mehrheitslager der so genannten „Demokraten“ dem kleineren Lager der so genannten „Rechten“ mit einer schon kaum noch anders als „Vernichtungswille“ zu bezeichnenden Haltung gegenübersteht, die über die Ausgrenzung durch „Brandmauern“ schon weit hinausgeht, wie erst jüngst im Falle des AfD-Politikers Andreas Jurca wieder zu beobachten war,  der längst nicht als das erste Opfer „demokratischer“ Schlägertrupps zu verzeichnen ist. Der erneute offene Aufruf zur Gewalt, der jüngst in aller Deutlichkeit und Klarheit von der Antifa mit Nennung der Zielpersonen und ihrer Wohnadressen verbreitet wurde, sollte dabei ebensowenig vergessen werden, wie die Erklärung des Bundespräsidenten: „Wir alle haben es in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen“, und, kein Bürger könne sich „auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen“

Die Idee von Elon Musk, sich mit Marc Zuckerberg zur Entscheidung eines Interessenkonfliktes vor der Öffentlichkeit in einem Zweikampf, Mann gegen Mann zu messen, wäre in früheren Zeiten eines der möglichen Mittel gewesen, um eine verbindliche politische Richtungsentscheidungen herbeizuführen, ohne dass die Anhänger der Streithähne sich ebenfalls gegenseitig totschlagen müssten, bis nur noch Kombattanten der einen, der obsiegenden Seite übrig sind.

Vermutlich wird es zu diesem Zweikampf zwischen X und Meta nicht kommen, weil dieses archaische Programm einfach nicht mehr funktioniert und es – im Falle der Durchführung – nur zu einem Spektakel verkommen würde, dessen Ausgang am originären Interessenkonflikt nichts zu ändern vermöchte.

 

Es gehört wohl zur Geschichte der Menschheit, dass ihr Fortbestand nur dann als gesichert erscheint, wenn die Mitglieder der über den Globus verteilten Gesellschaften sich innerhalb der jeweiligen Gesellschaft bestimmten, gemeinsamen Werten verpflichtet fühlen und sich den daraus ergebenden Gesetzen freiwilig unterordnen. Früheste Zeugnisse solcher Gesetze finden wir in den von der Bibel überlieferten 10 Geboten und auch im Codex Hammurapi, der die Gesetze einer anderen, alten  Wertegemeinschaft bis in unsere Zeit überliefert hat.

Stellt man den aktuellen Geist der einst christlich geprägten Gesellschaft Deutschlands in den Kontext der 10 Gebote, ist festzustellen, dass diese Gebote – von versprengten Minderheiten abgesehen – keine Wirkung mehr auf das Zusammenleben entfalten.

Schon mit dieser Erkenntnis muss festgestellt werden, dass das erste und zentrale Gebot, auf das sich alle weiteren als Basis beziehen, vollständig obsolet ist.

Für den Einzelnen, der mehr oder minder mit dem gesegnet ist, was als „Intellekt“ bezeichnet wird, spielt das keine Rolle. Er ist überzeugt, mit dem Abschütteln des Göttlichen endlich seine Freiheit gewonnen zu haben.

Für die Gesellschaft ist das der Eintritt in die kollektive Verblödung. Denn der Effekt ist nichts als eine allgemeine Orientierungslosigkeit und ein verlustreiches Ringen von unversöhnlichen Standpunkten um die Lufthoheit über den Stammtischen, mit dem Ziel, das eigene Lebenskonzept zur neuen, notfalls mit Gewalt implementierten, allgemeingültigen Ordnung zu erheben.

Das ist der Zeitpunkt, an dem auch der über viele Generationen angesammelte Schatz von Wissen und Erfahrungen zwangsläufig obsolet wird, weil die Akzeptanz dieses (von alten weißen Männern geschaffenen)  Erfahrungsschatzes, einfach den vielen, quasi wieder bei null beginnenden, völlig naiven neuen Entwürfen im Wege steht.

Die Politik, von dieser Entwicklung im Schlaf überrumpelt, wagt nicht mehr, diese Entwicklungen zu beurteilen und folgerichtige Entscheidungen zu treffen, sondern unterwirft sich, nichts anderem als dem Drang verpflichtet, bei der Sitzverteilungsarithmetik auf dem Siegertreppchen ganz oben zu stehen, den gerade als dominant erscheinenden Strömungen, um dort jene ausschlaggebenden Stimmen abzufischen, die zur Mehrheit gebraucht werden.

Das mag, als die Demokratie noch auf einem gesamtgesellschaftlich getragenen Wertefundament stand, der richtige Weg gewesen sein, um die Weiterentwicklung des Staates und der Gesellschaft in jenen kleinen Schritten zu vollziehen, die sich eher nahtlos an das Bestehende anfügen. In einer Gesellschaft, deren Mitte die Orientierung verloren hat, während die Minderheiten  wie die Mäuse, wenn die Katze aus dem Haus ist, auf dem Tisch tanzen, verstärkt dieser Opportunismus der politischen Klasse den Verfall nur noch.

Die Wissenschaft, abhängig  vom Wohlwollen der Regierenden, beeilt sich, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, die ins Konzept passen und spaltet sich dabei in einen öffentlich sichtbaren, vom Konsens beseelten Teil und einen in der Unsichtbarkeit gehaltenen Teil der ausgegrenzten Häretiker, die Wissenschaft nicht als ideologisches Beweisführungsinstrument sondern weiterhin als evidenzbasiertes Handwerk verstehen und einsetzen.

An dieser Stelle trifft die argumentierende Verblödung von oben auf die Verblödung durch Erinnerungsverlust an der Basis und findet in diesen weitgehend von Vorwissen und archaischen Reflexen entleerten „Gefäßen“ eine neue Heimat.

Obwohl es mich gereizt hätte, hier die offenkundigen Beispiele der Verblödung auszubreiten, verzichte ich ganz bewusst darauf, weil es sich in allen Fällen um zufällig aus der Masse hochgekochte Erscheinungen handelt, die mehr jenem „goldenen Kalb“ ähneln, das sich das Volk Israel schuf, während Moses auf dem Berg Sinai die Gesetzestafeln empfing, als sinnvollen und zielführendenden Weiterentwicklungstendenzen einer einigen Gesellschaft.

Bedenken Sie:

Jeder Sciencefiction Roman könnte als Vorlage für eine neue Ideologie dienen. Einer Ideologie, der – um das unvorstellbar Schreckliche abzuwenden – jeder folgen und Opfer bringen muss, was es zwingend erforderlich macht, Querdenker, Ketzer und Leugner aufzuspüren, gnadenlos zu verfolgen und unschädlich zu machen.

 

Teil 3 folgt am nächsten Donnerstag als PaD 33 /2023

Teil 1 ist hier zu finden