Balkonkraftwerke – die V2 (Wunderwaffe) im Welt-Energiekrieg

Heute Abend werden wir in den Nachrichten hören, was das Bundeskabinett beschlossen hat, um die Realisierung der Parole: „Balkonkraftwerke sollen sich lohnen“, in die Wege zu leiten. Nach allem, was bisher bekannt ist, soll kräftig weiter zugebaut werden, was Erleichterungen für den Anschluss der Kleinanlagen erfordert. Die Tagesschau berichtete darüber, nach meinen Recherchen aber zum Teil mit Halbwahrheiten, auf die ich noch eingehen werde. 

Künftig sollen, so der voraussichtliche Beschluss, Anlagen bis 800 W/p Wechselrichterleistung genehmigungsfrei, lediglich mit Registrierung in einer Datenbank zugelassen werden, wobei der Anschluss ans Netz über eine spezielle Steckdose erfolgt. Anlage eingestöpselt – fertig.

Was heißt 800 Watt/peak?

Das heißt, dass das Balkonkraftwerk bei optimaler Ausrichtung und optimalem Montagewinkel bei klarem Himmel über die Mittagszeit, also zwischen 11 und 15 Uhr Sommerzeit, tatsächlich 800 Watt Leistung bringt, also 0,8 Kilowattstunden pro Stunde. Dieser Strom ist vorzugsweise für den Eigenbedarf vorgesehen und soll so die Stromrechnung entlasten.

Welche Verbraucher kommen also in der Sommerzeit über Mittag zum Einsatz?

Der Kühlschrank läuft.

Anschlusswert 100 Watt. Strom wird etwa zu 50% der Zeit bezogen. Verteilt auf 16 Einschaltphasen von 15 Minuten Dauer mit einer Last von 0,1 Kilowatt fallen zwischen 11 und 15 Uhr also 0,2 KWh Verbrauch an.  Das spart – an sonnigen Sommertagen – etwa 6 Cent täglich. Sollte es in einem Jahr hundert solcher sonnigen Sommertage geben, dann summiert sich das auf eine Ersparnis von vollen 6 Euro, und wenn man annimmt, dass auch im Frühling und im Herbst diese Leistung vom Balkonkraftwerk abgerufen werden kann, und dass auch zwischen 8 und 11 Uhr und zwischen 15 und 20 Uhr noch eine gewisse Leistung verfügbar ist, dann kann sich der Kühlschrankbetrieb übers Jahr gesehen von 450 KWh auf 375 KWh Netzstrom reduzieren. Gespart bei 29 Cent/KWh:  ~ 22 Euro.

Daneben befindet sich der Fernseher im Standby-Betrieb

und schluckt permanent seine von der EU vorgeschriebenen 0,024 KWh pro Tag. Nehmen wir noch den WLAN-Router dazu, der im Ruhezustand 9 bis 10 Watt frisst, dann kommen täglich weitere 0,240 KWh hinzu. Die werden an etwa  8 von 24 Stunden vom Balkonkraftwerk gespeist, so dass auf das Jahr gesehen 32 KWh, bzw. 9,30 Euro eingespart werden.

Was ist mit dem nicht selbst genutzten Strom aus dem Balkonkraftwerk?

Die Maximallast für das 800 W/p Balkonkraftwerk beträgt bei Berufstätigen, die während der Zeit, in der das Balkonkraftwert am meisten leisten kann, nicht  zu Hause sind, also immer wenn der Kühlschrank gerade Strom zieht, 0,111 Kilowatt bzw. knapp 14 Prozent der maximal verfügbaren Stromausbeute. Dahingegen gehen 0,689 Kilowatt kostenlos ins Netz.

Hier hat die Tagesschau angegeben, dass sich der noch weiter zu betreibende analoge Stromzähler dann rückwärts drehen wird, was einer Einspeisevergütung von 29 Cent pro Kilowattstunde entspräche.

Dem widerspricht jedoch die Balkonkraftwerksinformationsseite von Vattenfall, wo es heißt, die Einspeisevergütung sei derzeit auf 8,2 Cent festgelegt, und es lohne sich nicht, diese in Anspruch zu nehmen, weil die mögliche Ersparnis dann durch zusätzliche Kosten wieder aufgezehrt wird, vom bürokratischen Aufwand ganz zu schweigen.

Bei Heise-online präzisiert man das. So lange die Vesorger die alten Zähler nicht austauschen, werden diese tatsächlich rückwärts laufen. Das wäre ein Bonus, den man mit dem Balkonkraftwerk mitnehmen kann. Wenn dann allerdings der smarte Zähler kommt, ist es vorbei damit. Mit einem jahrelang rückwärts laufenden Zähler sollte allerdings niemand kalkulieren. Das geht ins Auge. Wie überhaupt das ganze Balkonkraftwerk nicht unbedingt eine Investition sein wird, die am Ende ihrer Lebensdauer eine Rendite abgeworfen haben wird.

 Natürlich kann man den Eigenverbrauch durch eine raffinierte Wäschelogistik steigern und damit mehr Sonnenstrom nutzen.

Es ist schließlich möglich, Waschmaschine und Trockner per Timer im Sommer jeweils über Mittag laufen zu lassen. So eine Waschmaschine hat ein Heizelement, dass 2 oder 3 Kilowatt braucht, um das Waschwasser auf 30, 40, 60 oder gar 90 Grad zu erhitzen. Wer den aktuellen Empfehlungen folgt, wäscht allerdings alles bei maximal 40 Grad. Diese Temperatur ist ratz-fatz erreicht. Dann läuft, in einer Art Intervallbetrieb noch der Motor, der die Trommel antreibt. Nennleistung 200 bis 300 Watt. Beim Trockner sind die Verhältnisse ähnlich. Es wird heiße Luft gemacht und durch die Wäsche gepustet während sich die Trommel dreht. Die Heizleistung wird aber nicht über die ganze Trockenzeit abgerufen, sondern auch immer nur für kurze Zeit. Bedenkt man dann noch, dass nicht an jedem Tag der Woche eine Trommel voll Wäsche zusammenkommt, dann bleiben vielleicht zwei von sieben Tagen, an denen man mit etwas Glück noch eine halbe Kilowattstunde Eigenstrom als Ergänzung zum Netzstrom verbrauchen kann, der wegen der Aufheizzeiten sowieso gezogen werden muss.

Optimale Installation und ein optimaler Sonnenstromsommer lasen aus den 800 Watt, auf die der Wechselrichter begrenzt ist, maximal 800 Kilowattstunden Jahresleistung entstehen. Davon auch nur die Hälfte selbst verbrauchen zu wollen, während das Balkonkraftwerk Strom liefert, ist schon eine sehr sportliche Herausforderung, bei der es noch nicht einmal möglich sein wird, im Sommer für drei Wochen in Urlaub zu fahren. Realistischer ist ein Eigenverbrauch von 150 bis 250 Kilowattstunden und damit eine um rund 50 bis 60 Euro niedrigere Jahresstromabbrechnung. Es dauert also 17 bis 20 Jahre, bis die 1000 Euro, die ein 800 W/p Balkonkraftwerk kostet, bis es an der Steckdose hängt, durch Stromkostenersparnis wieder eingespielt worden sind.

Der Kanzler rechnet übrigens damit, dass wir bald sehr viel billigeren Strom haben werden. Sollte er damit recht behalten (nicht, weil der Ausbau der Erneuerbaren dieses Wunder vollbringt, sondern weil uns ein Regierungswechsel ein wirtschaftlicheres Energieversorgungskonzept beschert), dann wird sich ein Balkonkraftwerk auch nach 25 Jahren noch nicht amortisiert haben.

Tief in der Wolle eingefärbte Grüne entgegnen dieser Argumentation mit den Möglichkeiten der Steigerung des Eigenverbrauchs. Man müsse ja nur einen Speicher einbauen, um die gesamte Stromernte selbst nutzen zu können. Green Solar bietet so einen Speicher mit einer Kapazität von 2,2 KWh für 1.200 Euro an, der einfach nur eingestöpselt (Plug&Play) werden muss.

Das ist sicher ein löblicher Ansatz, doch es gibt da zwei einschränkende Tatsachen:

  1. In Deutschland wird der Speicher von November bis April vermutlich überhaupt nichts zum Eigenstromverbrauch beitragen, weil es unwahrscheinlich ist, dass er in diesen Monaten überhaupt einmal geladen werden kann.
  2. Von Mai bis Oktober, der Zeit, in die die 100 hundert optimalen Tage fallen, können an guten Tagen zwischen 8 und 20 Uhr tatsächlich bis zu 6 KWh geerntet werden. Diese aus der Sonnenscheinzeit in die Stromverbrauchszeit zu retten, ist bei einer Speicherkapazität von 2,2 KWh schon gar nicht mehr so einfach. Wahrscheinlicher ist, dass der Speicher irgendwann am späten Vormittag gefüllt ist und der Überschussstrom von da an, bis die Berufstätigen am Abend nachhause kommen, schlicht ins Netz entweicht.

Großzügig geschätzt ließen sich über den 2,2 KWh-Speicher etwa 100 KWh pro Jahr retten. Ersparnis p.a.: 30 Euro. Amortisationszeit: 40 Jahre.

 

Was wird mit der Förderung von Balkonkraftwerken am Ende erreicht?

In genau jenen Stunden, in denen Deutschland sowieso schon Stromüberschüsse erzeugt und den Abnehmern dieses Stroms dafür sogar noch Geld bezahlen muss, damit sie ihn überhaupt annehmen, wird die Stromproduktion in Deutschland gesteigert, wobei die bereits vorhandenen PV-Anlagen auch den bisher ohne Balkonkraftwerke benötigten Strom weiterhin herstellen und das Ausmaß des Stromverschenkens noch vergrößern. Allerdings kann dadurch keineswegs auf den Neubau auch nur eines Gaskraftwerkes verzichtet werden, denn deren Kapazität mus ausreichen, um eine Dunkelflaute zu überbrücken, spielt also am anderen Ende des Stromversorgungsdilemmas eine Rolle, in das uns die Grünen gestürzt haben.

Freude kommt bei den Chinesen auf, denn deren Export wird durch die Errichtung von Balkonkraftwerken in Deutschland ein kleines bisschen gestützt.

Zudem dürfen sich alle Besitzer eines Balkonkraftwerkes rühmen, als staatstragende Elemente ihren Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung Deutschlands geleistet zu haben und, hochnäsig, wie einst die Geimpften auf die Ungeimpften, auf die Netzstromabhängigen herunterblicken.

Das ist der psychologische Trick: Die Leute sollen Habecks Sache zu der ihren machen. Wer dann merkt, dass ihm das Balkonkraftwerk nichts bringt, wird eher nicht  geneigt sein, das auch zuzugeben, sondern seine Investition mit jeder nur denkbaren Argumentation verteidigen. Da kommt Eugen Roths Lebensweisheit vom missratenen Schnitzel zum Tragen:

Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
bemerkte, dass es ihm mißriet.

Doch weil er es sich selbst gebraten,
tat er, als sei es ihm geraten

 

Statista liefert hier übrigens noch eine aktuelle Statistik zum Stand der Balkonstromerzeugung nach Bundesländern:

 

Infografik: Balkonkraftwerke: Brandenburg ist Schlusslicht | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista