Das Bundesverfassungsgericht ist dem Begehren des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann nachgekommen und hat verboten, den Bundestag noch in dieser Woche über das Gebäuedeenergiegesetz abstimmen zu lassen.
Damit hat das Gericht lediglich die Eilbedürftigkeit des Antrags anerkannt, nicht aber abschließend darüber geurteilt, ob es sich bei Gesetzgebungsverfahren im Schweinsgalopp grundsätzlich um ein verfassungswidriges Vorgehen handle. Es hat aber schon erkennen lassen, dass es die Eilbedürftigkeit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht erkennen kann – und damit hat es zwischen den Zeilen die Frage aufgeworfen, was denn wohl die Fraktionen der Ampel bewogen haben könnte, das Parlament, zu dem ja auch die Fraktionen der Oppositon gehören, mit ihren Terminplänen quasi mit Anlauf an die Wand zu fahren.
Nüchtern betrachtet spielt es nicht die geringste Rolle, ob ein Gesetz, das am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll, nun bis zum 7. Juli 2024 verabschiedet wird, oder erst in der nächsten Woche. Dass die nächste Woche schon in die Parlamentsferien fällt, kann so schwer nicht wirken, denn es wäre nicht das erste Mal, dass der Bundestag auch während der Ferien zu dringlichen Sitzungen zusammengerufen wird. Die Kosten für die Anreise aus den Nah- und Fernreisezielen der Abgeordneten können schließlich den Steuerzahlern aufgebürdet werden.
Es wird sich in den wenigen Tagen des Aufschubs, den das Verfassungsgericht der Opposition gewährt hat, sich mit dem Gesetzeswerk vertraut zu machen und ihre Debattenreden vorzubereiten, auch nichts am Abstimmungsverhalten der Fraktionen von Grünen, SPD und FDP ändern. Die wollen das Gesetz und sie werden es mit ihrer Mehrheit beschließen.
Dies wiederum wirft eine andere Frage auf, nämlich warum der Abgeordnete Heilmann sich – sicherlich in Abstimmung mit seiner Parteiführung – berufen sah, das Verfassungsgericht anzurufen. Vernünftigerweise hätte die CDU sich sagen müssen: Der Klügere gibt nach, wir sind halt die Unterlegenen und bleiben es auch, selbst wenn wir uns den ganzen langen Gesetzestext noch ein halbes Jahr lang ansehen dürften.
Da sich für beide Fragestellungen keine schlüssige Antwort finden lässt, weil Regierung und Opposition gleichermaßen wissen, dass dieses Gesetz, solange die Ampelkoalition nicht zerbricht, mit parlamentarischen Mitteln nicht aufzuhalten ist, liegt die Vermutung nahe, dass es im Grunde gar nicht um die Verabschiedung dieses Gesetzes geht, sondern um etwas ganz anderes.
Es geht darum, die Startpositionen der Parteien für die Landtagswahlen in Bayern und Hessen, die für den 8. Oktober angesetzt sind, zu beeinflussen. Die Ampel will, dass das vor der Sommerpause verabschiedete Gesetz nach der Sommerpause keine Schlagzeilen mehr macht, weil sie natürlich weiß, dass ihr Gesetz weite Teile der Wählerschaft negativ betrifft und daher geeignet ist, Stimmung gegen die Ampelparteien auszulösen. Also setzt man auf die Vergesslichkeit der Wähler, die ja ebenfalls ihren Urlaub genießen und darüber die Politik weitgehend vergessen werden.
Die Opposition hingegen weiß, dass die Diskussion des Gesetzes nach den Ferien, also im September und kurz vor den beiden Landtagswahlen noch einmal tief ins Bewusstsein der Wähler eindringen und deren Zorn noch einmal aufstacheln würde, was sich in Stimmengewinnen für die CDU (und die AfD) auswirken würde.
Es wäre naiv, anzunehmen, diese Überlegungen hätten bei der Entscheidung des BVerfG keine Rolle gespielt. Dass sie in der Entscheidung nicht explizit zum Ausdruck kommen, hat natürlich damit zu tun, dass dies nicht Gegenstand des Eilantrags des Abgeordneten Heilmann war.
Das Verfassungsgericht konnte sich daher vornehm zurückhalten und hat – nach einer kurzen Spielunterbrechung – den Ball wieder in das Feld der Ampel geworfen.
Die Strategen von Grünen, SPD und FDP haben nun abzuwägen, welches weitere Vorgehend die geringsten negativen Auswirkungen auf ihre Chancen bei den Landtagswahlen haben wird.
- Den nächstmöglichen Termin im Juli wahrnehmen, um das Gesetz immer noch in ausreichendem Abstand zum Wahltermin in trockene Tücher zu hüllen, was natürlich von der politischen Konkurrenz als stures, uneinsichtiges Beharren auf der im Grunde unmaßgeblichen Termingestaltung bezeichnet würde, oder
- die Beratung und Abstimmung im Bundestag in den Septemer zu legen, was die öffentliche Diskussion kurz vor dem 8. Oktober noch einmal neu aufflammen lassen wird.
Damit wird klar, dass die Karlsruher Richter das Gesetz nicht gestoppt haben, dass es also keinesfalls einen „Schuss vor den Bug“ der Ampel gegeben hat, dem, sollte die Ampel nicht beidrehen, die Versenkung folgen würde, dass es aber auch etwas mehr war als bloßer Theaterdonner, der nach kurzer Zeit wieder verhallt sein wird.
Wie auch immer die Ampel sich für ihr weiteres Vorgehen entscheidet. Mit dem Verbot der Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause wurde die Ampel beschädigt, wobei sie sich selbst aussuchen darf, wie stark diese Beschädigung ausfallen und wirksam werden wird.
Damit hat sich das Verfassungsgericht auch ein kleines Stück von seiner zuletzt durchgängig regierungsfreundlichen Haltung entfernt.
Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Regierung inzwischen nicht mehr von Angela Merkel und der CDU/CSU angeführt wird, sondern vom ehemaligen Vizekanzler Scholz und seiner Ampel, den politischen Gegnern der Union, was dann darauf hindeutet, dass frühere Gerichtsentscheidungen zwar regierungsfreundlich erschienen, aber dennoch fälschlich als regierungsfreundlich angesehen wurden.