Nein, diese Franzosen aber auch …

Die französische Volksseele ist leicht erregbar. Darin sind sich autochthone Franzosen und Migrationshintergründler inzwischen zum Verwechseln ähnlich.

Nun hat es wieder etliche Nächte gegeben, in denen bei den Menschen aus den ehemaligen französischen Kolonien so ziemlich alle Sicherungen durchgebrannt sind, und, wie es aussieht, war selbst ein Heer von 45.000 Polizisten nicht genug, um Brandstiftungen und Plünderungen zu verhindern.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sieht so aus, dass die Begeisterung der aufrüherischen Massen schon wieder nachlässt. Der Dampf ist raus aus dem Kessel, die Motivation, noch eine Nacht und noch eine Nacht randalierend durch die Straßen zu ziehen, lässt nach. Das kann sich wieder ändern, sollte die Ordnungsmacht etwas tun, was als neuerliche Provokation interpretiert werden könnte, doch fürs Erste scheint die Aufwallung abzuklingen.

Hierzulande haben die Honorar-Kommentatoren Gefallen daran gefunden, davon zu fabulieren, dass Macron nun geschwächt sei. 

Ich kann das absolut nicht erkennen.Macron kennt seine Franzosen, weiß, dass mal die einen, mal die anderen mehr oder minder aggressiv gegen irgendetwas protestieren müssen, um sich selbst zu überzeugen, ihren Bürgerpflichten Genüge getan zu haben, und dass danach schon wieder Ruhe einkehren wird, in den Straßen. Mit dem Einsatz von zuletzt 45.000 Polizisten  und der Verhaftung von mehr als tausend Randalierern hat er dazu beigetragen, den Aufruhr auszubremsen ohne ihn jedoch um jeden Preis schnellstmöglich ersticken zu wollen. Nach dem Gesetz von Druck und Gegendruck ist es ihm gelungen, sehr subtil deeskalierend zu wirken.

Es zeichnet sich da ein Muster, ein Modus operandi ab, der von den Gelbwestenprotesten über die Rentenreformproteste bis hin zu eben den Ereignissen der letzten Nächte in kaum veränderter Form letztlich zur Befriedung des Landes geführt hat. Es waren noch nicht einmal Zugeständnisse erforderlich, um das im Sande verlaufen zu lassen, was als schlagzeilenträchtiges Fanal begonnen hat.

Monsieur le President hat nichts falsch gemacht. Dieser Gewaltsausbruch, wie auch der unvermeidlich nächste, woran auch immer er sich entzünden mag, werden bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen längst vergessen sein.

Die Schäden werden von den Versicherungen beglichen – und wer nicht versichert war, hat halt Pech gehabt. 

Marine Le Pen hat nichts gewonnen. Natürlich wurden ihre Stammwähler wieder einmal bestärkt, doch jener Teil der Franzosen, der eine schärfere Law and Order  Politik ablehnt, weil er darin eine Übergriffigkeit des Staates erkennt und den Verlust seiner Rechte fürchtet, wird nicht ins rechte Lager wechseln. Zumal sich so mancher vorzustellen vermag, welche Eskalation ein weniger besonnener Polizei-Einsatz nach sich gezogen hätte.

Monsieur le President ist weder geschwächt, noch gefährdet. Sogar sein Besuch beim Elton John Konzert war eher ein Zeichen der Stärke und Überlegenheit, als ein Zeichen der Schwäche. Macron hat kein Problem, weil der spontane Aufstand, der zwar sehr an die BLM-Aufstände in den USA erinnert, die ausgebrochen waren, nachdem George Floyd bei einem Polizei-Einsatz ums Leben gekommen war, in Frankreich jedoch keine klare politische Stoßrichtung hat, weil es keine organisierte (Bürgerrechts-)Bewegung gibt, die den Protest auffangen und kanalisieren könnte, und, weil es ausgeschlossen ist, dass von Seiten des Rassemblement National Unterstützung für diese Aufständischen kommen wird. 

Es ist auch verfehlt, von einem Bürgerkrieg zu sprechen. Bei einem Bürgerkrieg sind Zerstörungen unvermeidlicher Nebeneffekt, das Ziel ist es jedoch, sich der bedrückenden Last einer ignoranten Macht zu entledigen. Die mutwilligen Zerstörungen in den letzten Nächten waren jedoch nicht Nebeneffekt, sondern die eigentliche und einzige Absicht. Nichts als blindwütige Rache nach dem Motto „Zahn um Zahn“. Das  ist erreicht, nun verfliegt der Rausch.

Wenn Macron etwas gefährlich werden kann, dann sind es nicht die auf der innenpolitischen Bühne zu lösenden Probleme, sondern seine unverkennbare Neigung, auf dem außenpolitischen Parkett immer wieder mit eigenen Ideen und Vorstellungen gegen die Linie des großen Bruders in Washington zu verstoßen. Wozu auch gehört, dass Macron nicht aufhört, für Friedensgespräche mit Moskau zu plädieren, zuletzt sogar – noch schlimmer! – in einer Allianz mit Chinas Xi.

Damit legt Macron sein Schicksal in die Hand der Presse, die jederzeit und unter jedem Vorwand auf einen leisen Wink hin damit beginnen kann, ihn herunterzuschreiben, so wie sie ihn, fast aus dem Nichts, einst hinaufgejubelt hat.