Über die Allgegenwart totalitärer Machtstrukturen

PaD 4 /2022 – Totalitäre Machtstrukturen – hier auch als PDF verfügbar: PaD 4 2022 Totalitäre Machtstrukturen

Was haben Hans Küng, Max Otte und Tilo Sarrazin gemeinsam?

Alle drei haben den Versuch unternommen, eine an ihrer Dogmatik erstickende Massenorganisation von innen heraus zu reformieren. Das Ergebnis: Bei Hans Küng der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis, bei Tilo Sarrazin der Parteiausschluss und bei Max Otte der Beschluss, den Parteiausschluss zu betreiben.

Was haben Horst Köhler, Hans-Georg Maaßen und Kay-Achim Schönbach gemeinsam?

Alle drei haben Tabus gebrochen, indem sie Offenkundiges ausgesprochen haben. Horst Köhler musste ein Jahr nach Beginn seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident zurücktreten. Hans Georg Maaßen musste als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurücktreten. Kay-Achim Schönbach musste als Inspekteur der Marine zurücktreten.

Was haben Alexander Kekulé, Martin Wagener und Jana Jünger gemeinsam?

Alle drei wollten sich einem Narrativ nicht widerspruchslos unterwerfen. Alle drei wurden vom Dienst suspendiert. Gegen Wagner wurde gar ein Betretungsverbot ausgesprochen.

Natürlich ließe sich die Frage nach Gemeinsamkeiten noch mit vielen weiteren Namen fortsetzen, doch der Eindruck, dass hier Merkwürdiges geschieht, würde sich damit nicht mehr wesentlich verändern, noch nicht einmal mehr verstärken, denn wenn ein gewisses Muster erst einmal erkannt ist, und sich dann immer wieder wiederholt, führt das eher zur Gewöhnung und Anpassung an „das neue Normal“ als zu gesteigerter Sensibilität.

Was sind also Kirchen und Parteien, Ministerien und Universitäten, und – in nicht so offenkundiger Weise – auch viele Großunternehmen für sonderbare, sektenartige „Gebilde“, in denen jeglicher Widerspruch mit dem Ausschluss der Ketzer geahndet wird, während die verbleibenden Rechtgläubigen sich immer enger um ihr geistiges Zentrum scharen, das sein Füllhorn über jene ausschüttet, die sich das selbstständige Denken – bis zum Verlust dieser Fähigkeit – selbst verbieten, und unbarmherzig jene verstößt, die irgendwann aus dem Bannkreis der Selbstverleugnung auszubrechen versuchen.

Die Mafia kann es nicht sein. Die Mafia erledigt solche Probleme schnell und endgültig. Da schreibt niemand mehr noch ein zweites Buch, wie Sarrazin, da bezieht niemand noch einen Ehrensold, wie er Horst Köhler zugestanden hätte, wären seine Ansprüche nicht durch die Anrechnung von Pensionsansprüchen aus anderen öffentlichen Ämtern sowieso auf null geschrumpft.

Auch eine insgeheim operierende Nachfolge-Organisation der Stasi kann es nicht sein. Erstens, weil es die nicht geben kann, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, und zweitens weil die Stasi ihre Kunden regelmäßig in sichere Verwahrung nahm. Die heute zu beobachtenden Opfer genießen jedoch zweifellos ihre persönliche Bewegungsfreiheit im gleichen Maße, wie sie auch Otto Normalbürger zugestanden wird. 

Der Versuch, das Geheimnis zu lüften, muss bei Analyse dessen beginnen, was wir unter Würdigung aller Hinweise bisher zu wissen glauben.

Die Vielzahl sich stark ähnelnder Ereignisse, die auf allen Ebenen der Gesellschaft zu beobachten sind, ziehen sich von der jungen Krankenschwester, die etwas zu sagen gewagt hat, was nicht gesagt werden darf, bis hin zum Bundespräsidenten, der etwas gesagt hat, was nicht gesagt werden darf. Es kann also angenommen werden, dass in der Organisation eine tief gestaffelte Hierarchie herrscht, die inzwischen alle Bereiche des Lebens durchdrungen haben dürfte und mindestens eine Instanz oberhalb des Bundespräsidenten kennt.

Dabei geht es grundsätzlich primär darum, „Informationen“ zu unterdrücken, und zwar mit abschreckender Wirkung dadurch, dass der Informant unverzüglich öffentlich geschasst, diffamiert und von seinen Kommunikationskanälen abgeschnitten wird. Dabei ist es gleichgültig, ob die Aussagen der Krankenschwester von den Sozialen Medien unterdrückt, zensiert oder gelöscht werden, oder ob der Politiker – nachdem der Shitstorm über ihn hinweggerollt ist, von den Mainstream-Medien gemieden wird wie ein Lepra-Kranker.

Es geht darum, ein „Bild“ aufrecht zu erhalten, ein Image zu pflegen. Sehr deutlich tritt das zum Beispiel dort zutage, wo „Kirchenmänner“ schnellstmöglich dafür sorgen, dass die Taten eines „Kinderschänders“ vor der Öffentlichkeit verborgen werden, unter anderem dadurch, dass man die  Opfer mit „Schweigegeld“ ruhigstellt und das „schwarze Schaf“ in den eigenen Reihen einfach nur von der Gemeinde A in die Gemeinde O versetzt, ohne ihm jedoch Beschränkungen aufzuerlegen, weil alleine diese Beschränkungen Argwohn wecken könnten.

Die in Bayern gerade anrollende Welle von Kirchenaustritten in Folge eines nicht mehr zu vertuschenden Skandals, von dem in der Spitze auch der in seinem Austragstüberl im Vatikan hausende, aus unbekannten Gründen vom Amt des Pontifex Maximus zurückgetretene Herr Ratzinger nicht unbeschädigt geblieben ist, zeigt, was es zu vermeiden  gilt: Die Zerstörung des gepflegten, nach außen gezeigten Bildes muss mit allen Kräften verhindert werden, weil daraus sonst zwangsläufig ein weitreichender Verlust von Macht, Einfluss und Geld resultiert. Wenn aber über die schon hinreichend verwerfliche Tat hinaus auch noch erkannt wird, wie sich die „heilige Bande“ mit allen Mitteln vor der Aufdeckung zu schützen versucht, dann wird die fromme Schar der bis dahin Gläubigen mit Goethes Gretchen einstimmen in den Ruf: „Heinrich, mir graut’s vor dir!“, und sich enttäuscht und wütend abwenden, denn alles was der Kirche an Zeit und Geld und Vergnügen geopftert wurde, wird in diesem einen Augenblick nicht mehr als der Preis für die versprochene Erlösung angesehen, sondern nur noch als die von Betrügern erschlichene Beute.

Hier findet sich die direkte Parallele zu Horst Köhler. Als dieser in einer unerwarteten Anwandlung von Offenheit der Mär von den Brunnen schlagenden und Mädchenschulen errichtenden Einsatzkräften in Afghanistan widersprach und den Krieg und die mit dem Krieg verbundene Absicht, sich den Zugriff auf Ressourcen zu sichern, beim Namen nannte, war es um ihn geschehen, noch bevor die meisten Wahlberechtigten aus den beschönigenden Reden der Bundeskanzlerin den Satz: „Angela, mit graut vor dir!“ auch nur denken konnten. Im Nachhinein ist anzuerkennen, dass die Anstrengungen, dieses Loch im Panzer des schönen Scheins zu stopfen, ausgereicht haben, um Angela Merkel noch elf weitere Jahre Gelegenheit zu geben, ihr Image zu pflegen und ihre Pläne zu verfolgen. Selbst ihr in Südafrika ausgestoßener Wutschrei: „Unverzeihlich!“, trug weit weniger zum Fiasko der Union bei den Bundestagswahlen im Herbst 2021 bei als die selbstentlarvenden Machtkämpfe derer, die sich anschickten, ihre Nachfolge anzutreten.

Die Vermutung, dass Angela Merkel in der Hierarchie dieser Geheimgesellschaft sehr weit oben steht, liegt praktisch auf der Hand. Angefangen von ihrem Ziehvater Helmut Kohl, den sie gekonnt über die Klinge springen ließ,  über Wolfgang Schäuble, den sie aus dem Amt des Parteichefs verdrängte und ihm auch verwehrte, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, bis hin zu Guenther Oettinger, Roland Koch, Christian Wulff, Norbert Röttgen und Wolfgang Bosbach, gelang es ihr, jedes noch so kleine Feuerchen der Kritik auszutreten, um ja nicht den geringsten Kratzer an der Fassade entstehen zu lassen. Nur einer, den sie gleich zweimal niederhalten konnte, hat es beim dritten Anlauf geschafft, an ihr, die sie sich schon verabschiedet hatte, vorbeizukommen und „offiziell“ zum Vorsitzenden der CDU gewählt zu werden.

Nun, der erste Amtsakt – noch gar nicht wirksam im Amt bestätigt – des Friedrich Merz bestand darin, sich für den Parteiausschluss von Max Otte einzusetzen.

Ob er in seiner langen Wartezeit eine Art „Läuterung“ durchlaufen hat, oder ob er sich damit nachträglich von Sünden der Vergangenheit reinwaschen will, wird sich kaum ermitteln lassen. Fest steht: Er arbeitet am Erhalt des schützenswerten Bildes von Anfang an skrupellos mit.

Inzwischen sind im Laufe dieser Betrachtung vordergründig zwei Organisationen in Erscheinung getreten, die jeweils ihr Image mit den gleichen Mitteln sauberzuhalten versuchen:

  • Die beiden großen in Deutschland agierenden Kirchen. Die Evangelen stehen den Katholen in punkto Vertuschung in nichts nach, außer dass sie vielleicht – aus erklärlichen Gründen, nämlich kein Zölibat und geringere Anzahl von Mitgliedern – quantitativ nicht ganz mithalten können.
  • Die beiden in Deutschland als „Christliche Union“ firmierenden Parteien, CDU und CSU. Schließlich hat auch die CSU ihre Ketzer vom Hof gejagt, wie zum Beispiel den Chef des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg, der es wagte, den Sinn einiger bayerischer Pandemie-Maßnahmen ebenso in Frage zu stellen, wie Maaßen die Hetzjagden.

Es wäre einfach, das Nachdenken an dieser Stelle aufzugeben und zu dem Resümee zu gelangen: Die alte Brüderschaft von Staat und Kirche, nirgends treffsicherer auf den Punkt gebracht als von Reinhard Mey mit dem Liedtext: „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: – Halt Du sie dumm, ich halt sie arm!“, sei eben einfach nicht totzukriegen und nach wie vor die hinter der demokratischen Fassade existierende Zentrale der Macht.

Doch wer seinen Blick nur auf das ehedem konservative Lager richtet, das mit seinen alten weißen Männern von jeher an allem schuld sei, der lügt sich in die eigene, linke Tasche. Was war denn der erbitterte Kampf der guten alten Tante SPD gegen ihr Mitglied Tilo Sarrazin anderes als das Mundtotmachen des Horst Köhler? Der Unterschied liegt in der Geschwindigkeit des Einknickens des Ketzers, nicht in den zu seiner Verfolgung angewandten Mitteln und Methoden. Ach ja, wer erinnert sich noch daran, dass Oscar Lafontaine tatsächlich einmal SPD-Mitglied und sogar Minister im Kabinett Schröder war? Schröder hat ihn auflaufen lassen und weggekickt, denn Schröders Agenda war von Anfang an keine sozialdemokratische Agenda, da musste weg, wer die Partei und ihre Wähler daran erinnern wollte.

Es geht noch linkser. Da steht Sarah Wagenknecht immer noch felsenfest in der wutschäumenden Brandung ihrer sozialistischen Partei, hält dem Zermürbungskrieg gegen sie stand und muss doch täglich damit rechnen, von einem Parteiauschluss-Verfahren getroffen zu werden. Gerade jetzt, wo auch die LINKE sich in der Wärmestube des marxistisch-leninistischen Gedankengutes eng zusammenrottet, um sich über das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde damit hinwegzutrösten, dass ein Sündenbock gefunden und exkommunistifiziert wird.

Man gelangt an dieser Stelle, auch ohne weiter über die Rollen von Gregor Gysi oder Sigmar Gabriel nachdenken zu müssen, zu einer neuen Erkenntnis, die wiederum durch die Grabenkämpfe in der AfD illustriert wird, die sich am deutlichsten gezeigt haben, als eine der am vernünftigsten klingenden Stimmen, nämlich Frauke Petry, vom Hof gejagt wurde. Petry war seinerzeit neben Sahra Wagenknecht die zweite intelligente und weitsichtige Frau in der Politik. Die eine als Bundeskanzler, die andere Finanzminister, die beiden hätten das Zeug gehabt, die Welt aus den Angeln zu heben.

Uwe Barschel, Jürgen Möllemann und Jörg Haider – auch diese tragischen Unglücksfälle, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, haben ja, im Sinne einer Regie, die Kratzer am Image nicht duldet, keine Unschuldigen getroffen. Auch dass Oscar Lafontaine im Wahlkampf 1990 im richtigen Augenblick einer Messerattacke zum Opfer fiel, was die Stimme der Vernunft in Fragen der wirtschaftspolitischen Weichenstellung für die Wiedervereinigung lange genug zum Verstummen brachte, um seiner SPD die Chance zu geben, sich auf den „Kohl-Kurs“ einzustimmen, mag so eine glückliche Fügung der dritten Art gewesen sein. Im gleichen Jahr wurden ja zudem, ebenfalls von einer „psychisch verwirrten Person“, jene Schüsse auf Wolfgang Schäuble abgegeben, denen er seit mehr als 30 Jahren das Dasein im Rollstuhl verdankt.

Diese neue Erkenntnis lautet: Alle Maßnahmen, die zum Schutz der Sauberkeit von Westen und Gesinnungen ergriffen werden, folgen einer übergeordneten Regie, die darauf bedacht ist, die einmal getroffenen Rollenzuordnungen und die zugehörigen Texte, sowie die sich daraus ergebenden Spannungen und Konflikte zu erhalten und gegen unzulässige Veränderungen des Drehbuchs zu schützen.

Das erweitert erneut den Blick, und der fällt auf das Flaggschiff der deutschen Mainstream-Medien, die BILD. Der dort seit Gründung des Blattes vorherrschende transantlantische Anspruch auf die alleinige Wahrheit, verbunden mit einem alarmistisch-populistischen  Kampagnenjournalismus, der stets darauf bedacht war, auch die jeweils zeitgemäßen Bespaßungsbedürfnisse des Publikums zu befriedigen, aber immer dem Motto  verpflichtet: „Das ist der Zeitung tiefer Sinn: Die bess’ren Sachen stehn nicht drin“, musste gewahrt bleiben.

Als Julian Reichelt diese Regel, durchaus positiv auflagenwirksam gebrochen hat, und statt des ewigen Lobgesangs auf die, gemäß Redaktionsstatut grundsätzlich Guten und deren Vasallen, auch einmal das Lied der spöttischen Kritikaster anstimmen ließ – nicht laut, mehr so in den Untertönen – stand sein Chef, Mathias Döpfner vor der Wahl zwischen zwei Übeln. Es muss ihm wohl versichert worden sein, dass der Verzicht auf Auflage das bei weitem geringere und verzeihlichere Übel sei, so dass im Deutschland der Internet-Porno-Konsumenten, der Sex-Toys-Versandhändler, der Swinger Clubs und der Queerfanatiker ein Sex-Skandälchen als das übelste aller Übel enthüllt wurde, was für Reichelt, der den Schuss sehr wohl gehört hat, Warnung genug war, nicht weiter wider den Stachel zu löcken und die Kündigung zu akzeptieren.

Es ist anzunehmen, dass er bald das Schicksal Roland Tichys – über Jahrzehnte als Journalist der Liebling der Talkrunden auf allen öffentlich-rechtlichen Kanälen, und nun im Internet mit angeschlossener Print-Ausgabe vertreten – teilen wird. Wer weiß, vielleicht wird Reichelts Seite ja demnächst als „Reichelts Ausblick“ an den Start gehen.

Es ist sonderbar. Je weiter man sich vom Zentrum des Sturms entfernt, desto deutlicher wird es, dass da nicht singuläre Ereignisse zu bestaunen sind, sondern ein riesiges System, das jeden davonreißt, der sich nicht mit Herz und Hand ergeben hat. Wem auch immer. Nicht dem Land voll Lieb und Leben, falls Sie sich an Melodie und Text erinnern können.

Einigeln und Abstoßen.

Es ist ein Phänomen, eine Entwicklung, die sich wie im Gleichschritt vollzieht. Mit jedem Akt des Abstoßens oder Verstoßens, schwindet zugleich ein Stück der Macht.

Die Zeitungen verlieren an Auflagen und müssen ihre Redaktionen ausdünnen und auch noch Staatszuschüsse und Spenden der Bill & Melinda Gates Stiftung annehmen, um, nach dem längst eingetretenen Bankrott des neutralen, unparteilichen und investigativen Journalismus, nicht auch noch die handelsrechtliche Insolvenz anmelden zu müssen.

Die Parteien verlieren ihre Wähler und ihre Mitglieder. Zwerge wie die Grünen und die FDP müssen die auf Westentaschenformat geschrumpfte SPD links und rechts stützen, um Olaf Scholz auf diese Weise das im Koaltionsvertrag festgeschriebene, betreute Regieren zu ermöglichen. Die Union taumelt zwischen Söderisten und Merzianern so saft- und kraftlos herum, dass man nicht einmal mehr wagt, den Versuch zu unternehmen, herauszufinden, ob sich denn in diesem untergärigen Haufen noch eine hinreichende Mehrheit für einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten finden ließe.

Den Kirchen laufen die Gläubigen in Scharen davon, was allerdings kaum hilft, den schon länger eingetretenen Mangel an Seelsorgern zu vertuschen.

Nur die Rollen, die Positionen, die vorgeblichen Werte und die Beziehungen zwischen Rollen verändern sich nicht, beziehungsweise nur im Schneckentempo.

Eines der bezeichnendsten Satzpaare, mit dem dieses Beharrungsvermögen zum Ausdruck kommt lautet:

„Die Regierung hat X beschlossen. Der Opposition geht das nicht weit genug.“

Jedes Mal, wenn so berichtet wird, gerne auch in der Fassung: „Der Opposition geht das zu weit“, kann gefolgert werden, dass ein weiterer Nagel in den Sarg der Demokratie eingeschlagen worden ist.

Die Regie lässt es nicht mehr zu, wirkliche Alternativen zu formulieren und einzufordern. Da sind Scheren in den Köpfen, die das Denken in Alternativen zuverlässig verhindern, weil die Gewissheit herrscht, „so etwas“ auch nur anzudenken, in einem Halbsatz – testweise – zu erwähnen, führt über kurz oder lang zum Ausschluss, zum hilflosen Paria-Dasein, vor allem dann, wenn die Gefahr besteht, damit den „Beifall von der falschen Seite“ heraufzubeschwören.

Stellen Sie sich ein Parlament vor, gerne auch den Deutschen Bundestag, in dem eine Abgeordnete der CSU einen Vorschlag macht – egal, worum es geht, nur nicht um die nächste Erhöhung der Diäten – dem 95 Prozent der Anwesenden im Plenum begeistert applaudieren. Wie kämen Sie sich vor? Wie im falschen Film oder auf einem anderen Stern?

Nein. Unsichere Listenplätze und die Bindung an den Fraktionszwang verhindern derart utopische Zustände zuverlässig.

Aber warum ist das so? Wer hat dem Parteivorsitzenden die Macht über den Fraktionsvorsitzenden verliehen, wer dem Fraktionsvorsitzenden die Macht über die Fraktion? Männer und Frauen, nur ihrem Gewissen verantwortlich, gewählt vom Volk, um dessen Interessen zu vertreten, haben nicht den Mut, weder einzeln, noch in Gruppen, sich den Vorgaben „von oben“ zu widersetzen. Wie ist das möglich?

Oder fehlt ihnen gar nicht der Mut?

Ist es nur Desinteresse, fehlendes Wissen, Mangel an Ideen und Kreativität? Sitzen sie auf ihren blauen Stühlen nur wie Logenbrüder des ersten Grades und suhlen sich im wonnigen Gefühl, ihre Befehle und Aufträge perfekt und zum Wohlgefallen der Großmeister auszuführen? Überkommt sie Schadenfreude, wenn Abtrünnige verfolgt, bestraft und ausgestoßen werden?

Man kann die Frage nicht vom einzelnen Abgeordneten, also von unten her, beantworten.

Macht hat nicht die einzelne Rute im Bündel. Macht hat, wer über das ganze Bündel herrscht und beizeiten geschwächte, angebrochene, versengte Ruten durch frische neue ersetzt und den Bund immer wieder neu und fest zusammenschnürt.

Das Rutenbündel ist das Symbol des Faschismus. Der Hinweis darauf in diesem Text erfolgt allerdings nur, um Gelegenheit für die Aussage zu finden, dass es „den Faschismus“ mit einer ihm innewohnenden Ideologie nicht gibt und dass der Faschismus Italiens mit Mussolini untergegangen ist.

Was sich erhalten hat, ist lediglich das Wissen um die optimalen Strukturen totalitärer Macht, die der Faschismus nutzte, ohne die Urheberrechte daran zu besitzen.

Das Fundament der totalitären Macht ist die Gleichschaltung.

Gleichschaltung beginnt mit Wohltaten und Gefälligkeiten, wo die Bereitschaft zur Annahme besteht, und mit Drohungen und Schikanen, wo es an der Bereitschaft mangelt, so dass das Fortschreiten der Faschisierung mit Korruption und Unterdrückung unmerklich zu einer führungsfreundlichen Grundstimmung im Volke führt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Einzelnen dies ernst meinen, oder nur vorgeben. Wichtig ist, dass sich die Gleichschaltung in einem engen, öffentlichen Meinungskorridor abspielt, der nicht ohne Schaden zu nehmen verlassen werden kann, weder nach links, noch nach rechts.

Ist dies vollbracht, stehen die noch nicht umgefallenen Abweichler einsam und alleine im Scheinwerferlicht und können, einer nach dem anderen, unschädlich gemacht werden.

Über diesem Fundament wird die Ehrenhalle der Denunzianten errichtet.

Es werden Meldestellen eingerichtet, wo offen oder anonym berichtet werden kann, wer wann und wo welchen zersetzenden Gedanken geäußert, gar Umsturzpläne entwickelt und sich mit anderen verschworen hat. Von da an ist die Rute im Bündel jeglicher Intimsphäre beraubt. Jeder, auch der beste Freund, die beste Freundin, der eigene Sohn oder die eigene Mutter haben den Vertrauensschutz verloren. Jeder kann dich verraten, also ist es besser zu schweigen als in die Mühlen der Justiz zu geraten, weggesperrt, gefoltert oder umgebracht zu werden.

Darüber befinden sich die Büros der ergebenen Beamten.

In den höheren Stockwerken sammeln sich die ergebenen Beamten, die im Sinne des großen Führers ihre Aufgaben wahrnehmen und als gestrenge Herren ihr Befehle an Unternehmen, Kirchen, Medien, die Armee und die Dienste erteilen. Widerspruch ist zwecklos und wird geahndet. Planerfüllung ist Pflicht, und Untererfüllung wird bestraft. Auch für die ergebenen Beamten gibt es weder Entschuldigungen noch Gnade, wenn ihn ihrem Bereich Unregelmäßigkeiten auftreten. Wohl aber Privilegien und Wohltaten bei Planerfüllung.

Damit ist die Machtstruktur einer totalitären Herrschaft hinreichend beschrieben. So lange alle in einer solchen Struktur Eingebundenen überzeugt sind, einen Vorteil davon zu haben, bleibt diese Struktur stabil.

Alle ehedem eigenständigen Organisationen sind in diese große, übergeordnete Struktur eingebunden und dienen ausschließlich noch deren Zwecken. Damit ist schließlich ein ganzer Staat mit seinem Regierungsapparat, seinen Menschen, seinen Religionsgemeinschaften, seinen Medien und seinen Vereinen zu einem einzigen Machtmittel geworden, das in einem überstaatlichen Konzert exakt auf jene Rolle festgelegt wird, die ihm von der Regie zugedacht ist.

General Dwight D. Eisenhower, Weltkriegsgeneral und 34. Präsident der USA, war sich bewusst, dass die Geschicke der USA, und die davon abhängigen Geschicke der ganzen Welt bereits nicht mehr vollständig vom Weißen Haus bestimmt werden konnten. In seiner Abschiedsrede, am 17. Januar 1961, warnte er eindringlich vor der Gefahr, die von jenem militärisch-industriellen Komplex ausgeht und das Primat der Politik bereits untergraben hat.

Er sagte damals, vor gut 60 Jahren bereits:

Diese Verbindung eines gewaltigen Militärapparates mit einer großen Rüstungsindustrie stellt eine neue Erfahrung in den USA dar. Der gesamte Einfluss – wirtschaftlich, politisch, ja sogar spirituell – wird wahrgenommen in jeder Stadt, in jedem Parlament unserer Bundesstaaten und jeder Behörde der Bundesregierung.

Wir erkennen die Notwendigkeit dieser Entwicklung an. Wir dürfen aber auch nicht die Augen verschließen gegenüber ihren schwerwiegenden Folgen. All unsere Bemühungen, Mittel und Existenzgrundlagen sind betroffen; das gilt auch für die Struktur unserer Gesellschaft.

In den Gremien der Regierung müssen wir uns verwahren gegen die Inbesitznahme einer unbefugten Einmischung, ob angefragt oder nicht, durch den militärisch-industriellen Komplex. Das Potential für die katastrophale Zunahme deplatzierter Macht existiert und wird weiter bestehen bleiben.

Wir dürfen niemals unsere Freiheiten und demokratischen Prozeduren durch das Gewicht dieser Konstellation in Gefahr bringen lassen. Nur eine wache und kluge Bürgerschaft kann das richtige Zusammenwirken der gewaltigen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit miteinander gedeihen mögen.

(zitiert nach heise.de vom 17.01.2016)

Der militärisch-industrielle Komplex lebt. Er ist längst über die USA hinausgewachsen und hat sich in der NATO und über die EU ausgebreitet. Die Frage, wie viele Billionen von Dollar die Beherrscher dieser Macht seither aus Steuergeldern in ihre Vermögen überführt haben, ist nicht mehr zu beantworten.

Wenn heute gefragt wird, wo die Zentralmacht entstanden ist, nach deren Pfeife die Welt tanzen muss, dann ist ein Blick auf die Waffenproduktion der USA in den Kriegsjahren 1941 bis 1945 aufschlussreich. Ein erheblicher Teil dieser Waffen wurde exportiert, und zwar nach Großbritannien, Frankreich und in die UdSSR. Die Kriegswirtschaft, die aus der großen Depression heraus startete, setzte den Beginn der wirtschaftlichen Überlegenheit der USA.

Waffenproduktion pro Jahr[95] 1941 1942 1943 1944 1945
Gewehre 38.000 1.542.000 5.683.000 3.489.000 1.578.000
Maschinenpistolen 42.000 651.000 686.000 348.000 207.000
Maschinengewehre 20.000 662.000 830.000 799.000 303.000
Artillerie 3.000 188.000 221.000 103.000 34.000
Mörser 400 11.000 25.800 24.800 40.100
Panzer und Selbstfahrlafetten 900 27.000 38.500 20.500 12.600
Kampfflugzeuge 1.400 24.900 54.100 74.100 37.500
Kriegsschiffe 544 1.854 2.654 2.247 1.513

(Tabelle aus Wikipedia)

Von 1940 bis 1944 verdoppelte sich die Wirtschaftsleistung der USA. Über 4.000 Milliarden Dollar (nach heutigem Wert) betrugen die Militärausgaben im der USA im Zweiten Weltkrieg. Die Annahme, dass davon rund ein Viertel in Unternehmensgewinne und Kreditzinsen geflossen sein dürfte, ist m.E. nicht übertrieben. Wo also einige wenige Anteilseigner und Finanziers durch den Zweiten Weltkrieg 1 Billion Dollar Vermögenszuwachs für sich generieren konnten, die alleine  bei einer durchschnittlichen Verzinsung von nur 3 Prozent bis heute auf rund 6 Billionen angewachsen sein müssten, gilt es jene Clans ausfindig zu machen, die noch heute Ziel und Richtung des militärisch-industriellen Komplexes bestimmen.

John F. Kennedy hat noch versucht, diese Macht zu brechen. Sein Schicksal ist bekannt. Er teilt es, wenn auch aus anderen Gründen, mit Barschel, Möllemann und Haider. Trump hat versucht, diese Macht zumindest etwas einzuhegen. Sein Schicksal ist bekannt.  Er teilt es als Ausgestoßener mit Sarrazin, Maaßen und Kekulé.

Joe Biden gehörte, als er noch körperlich und geistig auf dem Zenit war, zu jenen, die von dieser Machtstruktur Vorteile hatten und wohl immer noch haben, wie auch die Familie Bush, mit Senior und Junior, und deren Mitarbeiter, wie zum Beispiel Verteidigungsminister Cheney. Wen wundert es, wenn der Konflikt mit Russland immer weiter angeheizt wird?

 

Es ist jedoch nicht beim militärisch-industriellen Komplex geblieben. Spätestens mit der Aufhebung der Gold-Deckung des Dollars durch Richard Nixon, 10 Jahre nach Eisenhowers Abschiedsrede, war der Weg frei für einen keiner staatlichen Kontrolle und Lenkung mehr zugänglichen Finanz-und-Währungskomplex, der in freundschaftlicher Zugewandtheit und im eigenen Interesse sowohl die Ausweitung der „Umsätze“ des militärisch-industriellen Komplexes bereitwillig mit Fanstastillionen von Krediten ermöglichte und zugleich versuchte, die ganze westliche Staatenwelt per Kreditschuld zu seinen Tributpflichtigen zu machen.

Ein dritter solcher Komplex ist inzwischen als medizinisch-gesundheitspolitischer Komplex entstanden, der aufgrund seines hohen Erpressungspotentials: „Geld oder Leben!“, skrupellos weltweit die Sozialsysteme, die Staatskassen und die privaten Geldbeutel plündert.

Weil dieser Komplex noch relativ jung ist, sind die Spuren des Geldes noch nicht vollständig verwischt. Sie wissen, wer gemeint ist.

An dieser Stelle muss ein kurzer Abschnitt wiederholt werden, der sowohl das bisher Gesagte über die Gewinner bestätigt, als auch einen neuen Blick auf die Gegenwart eröffnet.

„Damit ist die Machtstruktur einer totalitären Herrschaft hinreichend beschrieben. So lange alle in einer solchen Struktur Eingebundenen überzeugt sind, einen Vorteil davon zu haben, bleibt diese Struktur stabil.

Es wird gar kein Geheimnis mehr daraus gemacht: Der Wohlstand des „Mittelstandes“ ist verschwunden, im Grunde ist sogar der ganze Mittelstand verschwunden. Aus der Perspektive der Machtstrukturen kommt das dem Ausschluss durch Vorteilsentzug gleich.

Schwinden aber die Vorteile, entweder absolut oder relativ zum Ausland, kann das über relativ lange Zeit durch selektive, später auch manipulative Berichterstattung, als ein falscher, von den Feinden gezielt herbeigeführter Eindruck – oder Zustand – erklärt werden, dem mit vermehrten Anstrengungen wieder abgeholfen werden könne, wenn nur weiter alle fest zusammenhalten. Wenn solche Blut-, Schweiß- und Tränenreden jedoch ihre Wirkung zunehmend verfehlen, wird versucht, die Illusion des schönen Bildes durch restauratorische Eingriffe, wie beweiskräftige Faktenchecks und überzeugende präsidiale Reden für eine Weile noch aufrecht zu erhalten. Hilft alles nichts, wird ein Wahrheitsministerium mit der Zensur beauftragt, das Empfangen von Feindsendern bestraft und das Instrument der Kontaktschuld zum Einsatz gebracht. 

Das Problem der Zentralherrschaft besteht nun allerding darin, dass die vielen Abweichler, die im Laufe der Zeit – und in letzter Zeit extrem vermehrt – aufgetreten sind, nicht konsequent liquidiert wurden, wie das Stalin, Mao oder Pol Pot noch als unerlässlich für den Machterhalt angesehen hatten.

Im Ost-West Verhältnis war die Aufrechterhaltung der Feindbilder so wichtig, dass der Unterschied zu den Guten auf der richtigen Seite zwangsläufig nur durch die Anwendung milderer Mittel der Existenzvernichtung dargestellt werden konnte.

Das Internet hat vielen der bis heute Überlebenden neue und nahezu kostenlose Kommunikationskanäle eröffnet, doch wichtiger ist, dass die heute Unzufriedenen, frei von den Belastungen einer Vergangenheit, die sie nur vom Hörensagen kennen, ebenfalls die Gelegenheit wahrnehmen können, sich kritisch zu äußern, auf Missstände hinzuweisen und Korrekturen zu fordern.

Die Gleichschaltung funktioniert nur noch auf der Ebene der ergebenen Beamten, und selbst da nicht mehr umfassend und reibungslos. Erneute Aufrufe zur Denunziation erbringen zwar Erfolge, die jedoch nicht ausreichen, die Ruhe wieder herzustellen. Weitere Wohltaten und Gefälligkeiten werden zwar ausgeschüttet, sowohl an die Medien als an politiknahe Stiftungen und NGOs, doch die Notwendigkeit, den Anschein von Demokratie und Meinungsfreiheit wenigstens notdürftig aufrecht zu erhalten, verhindert immer noch die totale Ausschaltung kritischer Stimmen.

Die Strategie des Einigelns und Abstoßens zeigt nun ihre Kehrseite. Die Zentren der Macht erleben einen sich von der Mitte her über alle Hierarchie-Ebenen ausbreitenden Aderlass, der auf der anderen Seite die Masse der Unzufriedenen verstärkt. Die Mechanismen der Gleichschaltung verlieren an Wirksamkeit.

Eine aus Vertretern von demoskopischen Minderheiten an imkompatiblen Schnittestellen gewaltsam zusammenfügte Bundesregierung ähnelt in ihrer Gesamtwirkung schon heute eher Frankensteins Monster als dem Ideal jenes „Mens sana in corpore sano“ des römischen Dichtes Juvenal, hält sich jedoch mangels Selbsterkenntnis für die omnipotente Kraft des Fortschritts und irritiert mit ihren Aktivitäten die Bevölkerung und den Tiefen Staat gleichermaßen.

Hunderttausende auf den Straßen, längst nicht nur mehr montags, sind auch durch immer härteres Vorgehen der Polizei nicht einzuschüchtern. Nicht durch die Selektion der Abweichler per Gleichschaltung sind sie in Erscheinung getreten, sie haben aus freien Stücken ihre Köpfe aus der Deckung gehoben und sich, sich als Brüder im Geiste erkennend, ohne Zwang graswurzelmäßig organisiert.

Diesen ist nichts mehr zu vermitteln. Weder per Nudging, noch per Drohung. Sie erwarten sich vom System keine Vorteile mehr und sie fürchten die Strafen des Systems nicht mehr. Sie kratzen nicht mehr nur am Lack, sie brennen ihn ab, bis auf den Grund aus dünnem, rostigem Blech, das der einst glänzenden Fassade Form und Gestalt gegeben hat.

Alles sieht aus wie DDR 1953, Ungarn 1954 und Tschechoslowakei 1968.

1989 war es Gorbatschow, der nicht eingegriffen, der den Dingen ihren Lauf gelassen und die SED-Führung ihre Hilflosigkeit hat erkennen lassen.

2022 ist vollkommen anders.

Nicht die UdSSR ist der Hegemon.
Auch nicht Russland.
Nicht einmal die EU.

Noch ist es nur die Ukraine, die beauftragt ist, Deutschland öffentlich darauf hinzuweisen, dass Gehorsam gefordert ist. Einen Vize-Admiral zu opfern, hört man, sei der Ukraine nicht genug. Jetzt müssten Waffenlieferungen folgen und die konsequente Abkehr von North-Stream 2.

Das ist nicht Selenski. Das ist

His Masters Voice„.