Friedrich Merz hat den durchaus begründeten Zweifel daran geäußert, dass die Ampel-Koaltion das Ende der laufenden Legislaturperiode erreichen wird.
Was Merz als Zweifel artikuliert, ist alles, was so manchem Bundesbürger überhaupt noch Hoffnung macht: Das krachende Scheitern der Ampel, je früher, desto besser.
Dem gegenüber steht der eiserne Wille der Fortschritts-, Zukunfts- und Weltrettungskoalition, nicht nur diese Amtszeit durchzustehen, sondern darüber hinaus bei den Bundestagwahlen noch einmal auf dem Siegertreppchen zu stehen. Das zeigt sich schon darin, wie es immer wieder gelingt, nach geradezu mörderischen Auseinandersetzungen innerhalb der Koaltion, eine Einigung dahingehend zu erzielen, dass jetzt erst einmal beschwiegen wird, was den Krach heraufbeschworen hat, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern.
Geniestreich dieser Woche: Man zerfetzt sich förmlich am Gebäudeenergiegesetz in der Fassung des Entwurfs vom April. Dann treten Scholz, Habeck und Lindner auf, befrieden die streitbaren Fraktionen mit einem Kompromiss, der zugleich den Wählern suggerieren soll, dass auch hier nichts so heiß gegessen werden muss, wie die Temperamente hochkochten, und liefert dann als Grundlage für die erste Lesung im Bundestag den unveränderten Entwurf aus dem April auf den Tisch.
Wie sagt man dazu? Chapeau? Oder Chuzpe?
Das ist – nach meiner Einschätzung – ein derart krasser Affront gegen den Inhaber der Richtlinienkompetenz, dass dem in jedem Zirkus die sofortige Vertragsbeendigung des aufsässigen Artisten auf dem Fuß folgen würde. Nicht so in der Bundesregierung. Das ist nun kein Indiz dafür, dass sich die Bundesregierung grundsätzlich von einem Zirkus unterscheiden würde. Es ist ein Indiz dafür, dass der Ampelchef sich von seinen Mitarbeitern auf der Nase herumtanzen lässt, ohne sich mit dem notwendigen Machtwort Respekt zu verschaffen.
Warum also führt Scholz nicht? Warum führt er sein Kabinett nicht so, wie Helmut Schmidt sein Kabinett geführt hat? Es kann an seinem Selbstverständnis liegen, es kann daran liegen, dass er nie wirklich Kanzler sein wollte, dass er ohne jegliche Ambition vermeintlichen Sachzwängen folgte, als er sich zum Kandidaten machen ließ, ohne auch nur den Parteivorsitz dazu zu verlangen.
In meiner satirischen Fortsetzungsgeschichte zum Bundestagswahlkampf „Planungsbüro Wunsch & Wille“ habe ich das schon in der ersten Folge vom 11. Januar 2021 so herausgearbeitet:
Es läutet an der Eingangstüre. Sabine unterbricht die Verkostung der Kekse, eilt aus der Teeküche an ihren Platz am Empfang, drückt den Knopf für den Türöffner und betätigt gleichzeitig den Schalter für die roten Warnlampen in den Büros von Wunsch und Wille. Es tritt ein ein Herr in mittleren Jahren, den Mund-Nasen-Schutz vorbildlich über Mund und Nase gezogen, sieht sich kurz prüfend um und tritt dann an Sabines Schreibtisch. Sabine schaut langsam an ihm hoch und sagt dann:
„Guten Tag, Herr ….?“
„Mein Name tut nichts zur Sache. Ich habe einen Termin.“
„Einen Augenblick, bitte.“
Sabine nutzt die mittelalterliche Gegensprechanlage.
„Ja, …?“, tönt es aus dem Lautsprecher.
„Hier ist ein Herr. Sein Name tut nichts zur Sache. Er sagt, er habe einen Termin.“
„Ja. Wir erwarten einen solchen Herrn. Bitte führen Sie ihn ins Besprechungszimmer. Bieten Sie etwas an. Kaffee, Wasser, oder so, und ein paar Kekse. Wir sind gleich soweit.“
„Sie haben es gehört, Herr – ach ja, tut nichts zur Sache – bitte folgen Sie mir.“
Der Mann mit der Maske folgt Sabine, legt brav seinen Mantel ab, als Sabine ihn dazu auffordert und dann das Bekleidungsstück in der Garderobennische des Besprechungsraumes verstaut, gleich links neben der Tür, da wo sich wegen des Einbaus der Teeküche diese Nische ergeben hat.
„Nehmen Sie doch Platz. Die Herrren werden gleich für Sie da sein.“
„Wie lange sollen wir ihn warten lassen?“, fragt Wunnibald Wunsch seinen Partner.
„Wir gehen nach Sabine rein, wenn sie ihm seinen Kaffee serviert. Das bringt ihn erst mal ein bisschen durcheinander und lockert die Atmosphäre auf.“
Zehn Minuten später ist alles überstanden. Der Besucher hat Platz genommen, seinen Kaffee bekommen, sich wieder erhoben, um die Ellenbogen von Wille und und Wunsch mit seinem Ellenbogen zu berühren, dann erneut Platz genommen und erwartungsvoll in die kleine Runde geschaut.
Wunnibald Wunsch eröffnet das Gespräch mit der oft erprobten Standardfrage: „Sie wollen also Kanzler werden?“
Der Besucher senkt den Blick als wollte er seine Kaffeetasse hypnotisieren. Dann nuschelt er: „Nein, nein. Bloß das nicht.“
„Ja was denn dann?“, schmettert Wilbrecht Wille mit volltönendem Bass in den Raum, dass die staubigen Blätter des Ficus Benjamini in der Ecke am Fenster zu zittern beginnen.
„Kandidat. Nur Kanzlerkandidat“, sagt er kleinlaut, obwohl er weiß, dass Wunsch und Wille das ganz genau wissen, und dann fügt er mit schelmischen Grinsen hinzu: „Aber ein guter Kandidat. Einer, an den sich die Leute erinnern werden. Schaffen Sie das? Ich meine: So sang- und klanglos wie Martin Schulz, so will ich nach der Wahl nicht in der Versenkung verschwinden.“
Wunsch und Wille lehnen sich zurück. Wunsch sagt: „Nun, ich denke, wir haben verstanden. Dann wollen wir mal. Erzählen Sie mal. Und nehmen Sie endlich die Maske ab! Wir sind hier schließlich nicht beim Ku-Klux-Kahn!“
Ich schätze das heute noch ganz genau so ein. Er wollte nicht, und agiert auch immer noch so, als wollte er gegenüber Saskia Esken zum Ausdruck bringen : „Ich habe das nie gewollt. Ich kann das auch nicht, der linken Dominanz ein Ende zu setzen. Und das habt ihr nun davon.“
So steht er nun da, nicht wie Helmut Kohl, der die Sachen kraftvoll aussitzen konnte. Nicht wie Angela Merkel, die nach langem Zuwarten im strategisch optimalen Augenblick ihre unabänderlichen, alternativlosen Beschlüsse verkündete und durchsetzte. Nein, eben so wie Olaf Scholz, bis zum letzten Drücker abwartend, um dann beschwichtigend den kleinsten gemeinsamen Nenner zu beschwören und sich wieder zurückzuziehen.
Natürlich ist ein schwacher Kanzler wie ein Hauptgewinn für jeden Ressortvorstand, doch die sich daraus entwickelnde Politik, keiner erkennbaren Linie mehr folgend, sondern eher sich auf einem halben Dutzend Holzwegen zielstrebig fortbewegend, macht das zunichte, was Wirtschaft und Volk brauchen, nämlich Gewissheiten und Planungssicherheit. Wird dieses Defizit zu groß, beginnt zuerst ein Murren, in das sich bald laute Buh-Rufe mischen, bis die Suche nach einer Alternative beginnt. Die Gruber-Veranstaltung in Erding war ein Fanal, das von den Bürgern ausgegangen ist, das wachsende Interesse an den Veranstaltungen der Werte-Union zeigt das Unbehagen der mittelständischen Wirtschaft und die Umfragewerte der AfD sind ein Spiegelbild des Verschwindens der alten Gewissheiten in Verbindung mit dem Verlust jeglicher über den Tag hinausgehender Planungssicherheit.
In den Umfragen hat die Ampel ihre Regierungsmehrheit inzwischen verloren. Doch noch stützen die Medien diesen Kanzler und sein Kabinett, deren Politik eigentlich nur noch an Insolvenzverschleppung erinnert.
Dabei kann Scholz aus zwei weiteren Gründen nicht mehr aus eigener Kraft aufrecht stehen. Da ist die eine Lunte, am Pulverfass Scholz, die schon lange vor sich hinglimmt aber trotz allen Beschweigens nicht verlöschen will. Warburg und Cum-Ex-Skandal, mit Erinnerungslücken eingedämmt, dennoch jüngst mit der Verurtelung von Hanno Berger zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und drei Monaten wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, bedrohen Scholz weiterhin. Dass noch keine Beweise vorgelegt wurden, die Scholz stärker belasten, kann bedeuten, dass es solche Beweise nicht gibt, aber auch, dass bestimmte Interessen nur so lange durchgesetzt werden können, wie möglicherweise existierende Beweise nicht vorgelegt werden.
Die andere Lunte ist bei der Sprengung der Ostseepipelines angezündet worden. Erst waren es nur Spekulationen und Gerüchte, Deutschland habe – aus Interesse an der beschleunigten Energiewende – doch auch mindestens einen Finger des Mitwissens dabei im Spiel gehabt. Gerüchte, die auch durch die Enthüllungen des Seymour Hersh nicht ausgelöscht, sondern mit des Kanzlers Stippvisite bei Joe Biden sogar noch unterstützt wurden. Jetzt aber lautet die allgemeine Erzählung so, dass ein europäischer Geheimdienst die CIA über ukrainische Pläne zum Attentat informiert habe, während wiederum die CIA ihre europäischen Verbündeten und explizit Deutschland in Kenntnis gesetzt habe. Das wird praktisch überhaupt nicht thematisiert.
Dabei wäre es allerhöchste Zeit, dass Scholz entweder eidesstattlich versichert, dass an dieser Erzählung nichts, aber auch nicht das Geringste dran ist, auch auf die Gefahr hin, dass Joe Biden ein hochgeheimes Schriftstück aus dem Hut zaubert, das Scholz der Lügen straft, oder dass der Kanzler schleunigst freiwillig seinen Rücktritt einreicht.
Dass hierzu bisher keine nennenswerte Diskussion stattfindet, könnte darauf hindeuten, dass irgendwo auf dieser Welt ein hohes Interesse am Fortbestand der Ampel und der Fortsetzung der Deindustrialisierung Deutschlands besteht.
Wenn dem so ist, dann hilft alles Hoffen auf Schützenhilfe von außerhalb nichts. Der wünschenswerte Politikwechsel hängt ganz alleine vom deutschen Wähler ab.