Gerichtsposse um den Superlativ von „dumm“

PaD 32 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 32 2024 Gerichtsposse um den Superlativ von dumm

Der voraussichtlich letzte heiße Donnerstag des Jahres
hat mich ermutigt,
diesen etwas süffisanten Text zur Abkühlung zu kredenzen.

Der Franke an sich ist eher ruhig, besonnen, geduldig, mundfaul bis muffelig, nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, aber – wenn steter Tropfen seinen Stein höhlt – auch reizbar und am Ende zu unerwarteten Ausbrüchen fähig.

Ein solcher Franke, wohnhaft im Raum Kronach, dessen Alter mit 58 Jahren angegeben wird, hat im Frühjahr 2023, also vor rund 16 Monaten, eine weitere fränkische Eigenschaft an den Tag gelegt, von der die Franken selbst sagen:

„Mir soochen unno Zeuch gradnaus, wie uns do Schnabl gowachsn is.“

Da gibt es keine sorgfältigen Umschreibungen, kein vorsichtiges Verschweigen, keine verwirrend-vieldeutige Schwurbelei. Der Franke sagt, was er meint, und er meint auch, was er sagt.

Naiv, wie er in manchen Angelegenheiten eben auch ist, meint der Franke, frei meinen zu dürfen, was er will. Das mag zwar in Franken und unter Franken gelten, wo man mit fränkischen Schimpfworten nicht gerade zimperlich umgeht, ohne sich nach jeder Stammtischdiskussion gegenseitig mit Beleidigungsklagen zu überziehen, doch hinter den fränkischen Grenzen stoßen solche urtümlichen Sitten und Gebräuche auf Unverständnis und den tiefinnerlich empfundenen Wunsch, den Franken Mores zu lehren, indem man ihnen glasklar zeigt, wo der Hammer hängt.

Was hat er also getan, der 58-Jährige aus dem Raum Kronach?

Nun, er hat sich des Sozialen Netzwerks X, seinerzeit noch Twitter, bedient und dort gepostet (fränkisch: geboosded):

„Die dümmste Außenministerin der Welt verhindert Friedensgespräche und fördert Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet. Sie ist damit verantwortlich für den Tod vieler Menschen. Sie gehört ebenso vor den Strafgerichtshof. Mildes Urteil, weil dumm.“

Die Chefin des Auswärtigen Amtes, Annalena Baerbock, erkannte darin eine gegen sich gerichtete Beleidigung und forderte per Strafantrag die Bestrafung des Franken, der sich nach wie vor keiner Schuld bewusst ist.

Gut ein Jahr nach der verwerflichen Twitterei des Franken konnte die zuständige Staatsanwaltschaft am 3. Juni 2024 vermelden, sie habe die diesbezüglichen Ermittlungen abgeschlossen und beim Amtsgericht Kronach einen Strafbefehl beantragt.

Ein Strafbefehl entspricht dem Urteil im Strafprozess. Der Witz dabei: Es findet keine Verhandlung statt. Der Beschuldigte wird zum Tatvorwurf nicht gehört, und wenn nicht fristgerecht Einspruch erhoben wird, steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Das Amtsgericht Kronach hat den Strafbefehl gegen den Franken über 9600 Euro (120 Tagessätze) erlassen. Berücksichtigt wurden dabei noch drei weitere strafwürdige Äußerungen zu Michael Roth und Sawsan Chebli (beide SPD), sowie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Letztgenannte ist unter anderem deshalb einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, weil sie nach eigenem Bekunden monatlich um die 200 Anzeigen wegen Beleidigung erstattet, was für bundesrepublikanische Verhältnisse eine stark rekordverdächtige Leistung darstellen dürfte.

Unser Franke, dem – wie den Franken insgesamt – das Vorurteil der Dickschädeligkeit anhängt, hat den Strafbefehl nicht akzeptiert und Einspruch eingelegt, so dass  es um den Jahreswechsel 2024/25 herum doch noch zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommen wird.

Was aber, wird er zu seiner Verteidigung vorbringen wollen?

1. Ich bin ein Franke

Zunächst einmal könnte er sich darauf berufen, ein Franke zu sein, der in typisch fränkischer Manier ohne jegliche Beleidigungsabsicht, oder auch nur ohne den geringsten Verdacht, seine Äußerung könnte beleidigend aufgefasst werden, einfach gesagt hat, was er sich im Augenblick seines Twitter-Postings gedacht hat. Er könnte darauf hinweisen, dass im tieferen Süden der Republik auch die Aufforderung „Leck mich am Arsch“ nicht unbedingt als Beleidigung aufgefasst werden könne, weil sie sozusagen zum alltäglichen Sprachgebrauch gehöre und gesellschaftlich akzeptiert werde. Auf alle Fälle tue es ihm leid, derart missverstanden worden zu sein, und er entschuldige sich auch gerne bei allen, die sich durch seine Äußerungen verunglimpft gefühlt haben mögen.

Damit begäbe sich der wackere Franke jedoch auf sehr dünnes Eis, das eventuell nur deshalb tragfähig genug wäre, weil die Verhandlung im fränkischen Kronach stattfindet, wo seine Argumentation, anders als  etwa in Bielefeld oder Potsdam, nachvollzogen werden könnte.

Das Gericht könnte erkennen, dass es sich weder um eine Meinungsäußerung, noch um eine Tatsachenbehauptung gehandelt habe, sondern nur um eine im fränkischen Sprachraum übliche und von Franken als solche erkannte „Übertreibung zur Anschaulichmachung“ gehandelt habe. Damit habe er lediglich ausdrücken wollen, dass er die Handlungsweise der Außenministerin im Ukraine-Konflikt für falsch halte, dass er – als lupenreiner Demokrat – ihr damit aber keinesfalls die Kompetenz, solche Entscheidungen zu treffen, schon gar nicht aufgrund mangelnder persönlicher Eignung, abstreiten wollte.

Zu einem Freispruch erster Klasse dürfte es dennoch nicht kommen, ein bisschen Ermahnung zu mehr Sorgfalt wird sich zur Erhaltung des Rechtsfriedens nicht vermeiden lassen. 60 Tagessätze, statt 120  – fertig.

2. Berufung auf die Meinungsfreiheit

Dieser Versuch erfordert ein Höchstmaß an juristischer Spitzfindigkeit, wenn die Klippe des §188 StGB (umgangssprachlich: Majestätsbeleidigung) umschifft werden und der Hafen des Art. 5 GG erreicht werden soll. Schließlich gilt immer noch: „Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand!“

Der  einzige Angriffspunkt fände sich da in jener Anforderung an die Strafbarkeit, dass das öffentliche Wirken der beleidigten Person durch diese Beleidigung erheblich erschwert werde.

Der Anwalt des Franken könnte vortragen, dass es keinerlei Anhaltspunkt dafür gebe, dass das öffentliche Wirken der deutschen feministischen Außenministerin durch das Twitter-Posting seines Mandanten auch nur im Geringsten erschwert worden sei. Ohne entsprechenden, beweiskräftigen Vortrag der Klägerin, die Erschwernisse in ihrem öffentlichen Wirken betreffend, die es ja sehr wohl gäbe, habe es vor dem Posting seines Mandanten nicht gegeben, sie hätten auch ohne das Posting seines Mandanten niemals eintreten können, sei sein Mandant freizusprechen und ggfs. sogar mit einem Schmerzensgeld zu entschädigen.

Auch  diese Argumentation kann vom Gericht leicht durchlöchert werden, zum Beispiel mit dem Hinweis, es bedürfe keines Beweises durch die Klägerin, zumal der damit verbundene Aufwand für sie auch unzumutbar sei, da die erhebliche Erschwernis ihres öffentlichen Wirkens doch für jedermann offenkundig sei und zweifellos mit dem Posting des Angeklagten in einen zumindest mittelbaren, in Teilen wohl aber auch unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden könne, zumal dies – und nichts anderes – der vom Angeklagten beabsichtigte Zweck seines Postings gewesen sei, dass er sonst ja schlicht hätte unterlassen können.

Da bleiben die 120 Tagessätze stehen und der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Punkt, aus, Feierabend.

3. Keine Meinungsäußerung, sondern Tatsachenbehauptung

Ein überaus gewagtes Manöver, mit dem Vorteil des Überraschungsmoments auf Seite der Verteidigung. Der Anwalt des Angeklagten müsste dabei die Klägerin dazu auffordern, aus der Liste aller weiteren, 2023 amtierenden Außenministerinnen, jene zu benennen, die – entgegen der Darstellung des Franken  – tatsächlich die Dümmste von allen sei.

Es kommen gar nicht so viele in Frage, die  Überprüfung sollte also relativ einfach gelingen können.

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Erato Kozakou-Markoullis seit 2011 Zypern Hochschulabschluss Soziologie Politik
Louise Mushikiwabo seit 2009 Ruanda Hochschulabschluss Sprachen
Maite Nkoana-Mashabane seit 2009 Südafrika ?
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Ramona Nicole Mănescu seit 2019 Rumänien Hochschulabschluss Europäische Integration
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Sophie Wilmès seit 2020 Belgien Studium Kommunikationswissenschaften
Arancha González seit 2020 Spanien Hochschulabschluss Europarecht
Olta Xhaçka seit 2020 Albanien Studium Politik, Internat. Beziehungen, öffentl. Verwaltung
Anniken Huitfeldt bis  2023 Norwegen Studium Geschichte, Geografie
Yōko Kamikawa seit 2023 Japan Hochschulabschluss Internationale Beziehungen

*) Wikipedia-Porträts der angeführten Außenministerinnen sind über den Namen verlinkt und sollten – über die Angabe der Abschlüsse hinaus – berücksichtigt werden.

Doch mit einem solchen Beweisantrag würde das öffentliche Wirken der beleidigten Person erst recht in einem unvorstellbaren Maße erschwert. Die diplomatischen Beziehungen zum Staat einer ggfs. benannten Außenministerin wären – wenn nicht gar ein Krieg ausbräche – auf Jahrzehnte gestört und auch durch noch so viele Milliardenzahlungen zur Wiedergutmachung nicht aus der Welt zu schaffen.

Hier  müsste die Staatsräson auch dem fränkischsten Kronacher Richter die Abweisung des Antrags zwingend geboten erscheinen lassen.

Selbst eine fürsorglich eingereichte negative Feststellungsklage mit dem gleichen Ziel, dass nämlich bis zum Beweis des Gegenteils (es gibt Dümmere), eine wahre Tatsachenbehauptung aufgestellt wurde, weshalb keine Beleidigung vorliegen könne, müsste aus Gründen der Staatsräson rundweg abgewiesen werden.

Es sieht nicht so aus, als hätte der Einspruch erhoben habende Franke eine echte Chance, trockenen Fußes aus dem Fettnäpfchen herauszukommen, in das er nun einmal unvorsichtigerweise getreten ist.

Auf die Entscheidung des Gerichts dürfen wir gespannt sein, vor allem für den Fall, dass die Ampel bis zur Hauptverhandlung zu Fall gekommen sein sollte.