„NICHT MEIN KRIEG“, Helmut Roewer, 2024

Eine Buchbesprechung.

Eigentlich sind es zwei Bücher zum gleichen Thema in einem Umschlag. Die Bücher unterscheiden sich durch die jeweilige Distanz zum Sujet.

Betrachten Sie es als den Unterschied zwischen dem präzisen Luftbild eines Irrgartens, auf dem alle Abzweigungen und Sackgassen deutlich zu erkennen sind, und der Wahrnehmung dessen, der im Irrgarten umherirrend versucht, den Ausgang zu finden.

Wie der Titel verrät,  handeln beide Bücher vom Krieg in der Ukraine. Der Untertitel „Deutschland und der Ukraine Konflikt“ weist dabei schon auf die vom Autor eingenommene Perspektive hin.

Kritiker könnten einwenden, es sei voreilig, einen Krieg, der noch gar nicht zu einem Ende gekommen und dessen Ausgang immer noch umstritten ist, in eine historsiche Einordnung zu zwängen. Wer jedoch unvoreingenommen zu lesen beginnt, wird eher zu dem Schluss kommen, es sei höchste Zeit, eine ebenso seriöse wie neutrale Darstellung der Entwicklung des Konflikts und des daraus entstandenen Krieges zu verinnerlichen, bevor die Wogen der Propaganda alles Wesentliche vollständig aus dem Gedächtnis gelöscht haben.

„Nicht mein Krieg“ beginnt mit der Betrachtung und der Interpretation der wahrnehmbaren Tatsachen, der Auslotung der erkennbaren Absichten und der Beurteilung der Erfolge und Misserfolge der unmittelbaren Kontrahenten und ihrer Unterstützer, die namentlich auch in der deutschen Politik zu finden sind. Roewer zeigt in dieser Schilderung zugleich auf, dass eben auch die Zerstörung der Pipelines Nord Stream 1 und 2 und der Terrorangriff auf die Musikhalle in Krasnogorsk ebenso zu diesem Krieg gehören, wie die Zerstörung des Dnjepr-Staudamms nördlich von Cherson und die Sprengung der Eisenbahn- und Straßenbrücke zur Krim.

Dass Deutschland in diesem Krieg nicht nur deswegen „Partei“ ist, weil es – nach den USA – das meiste Geld und die meisten Waffen für die Ukraine zur Verfügung stellt, sondern auch, weil Deutschland zugleich Opfer der Anti-Russland-Sanktionen ist, wird von Roewer klar herausgestellt. Dazu ein wichtiger, wertender Satz:

„Auch in diesem Fall war es so, dass die Bundesregierung nicht nur keine Maßnahmen gegen das AUS dieses wichtigen Industriezweiges nebst den hieraus abzuleitenden Folgeschäden ergriff, sondern sie ließ unverhohlen Behagen erkennen, dass man dem Ende des Verbrenner-Motors einen guten Schritt näher gekommen  sei.“

Soviel zum Luftbild des Irrgartens, das den ersten Teil des Buches ausfüllt und damit zumindest so viel Orientierung bietet, dass der Weg vom Eingang zum jetzt erreichten Standpunkt sauber nachvollzogen werden kann.

Im zweiten Teil öffnet der Autor seine Tagebücher. Die tägliche Konfrontation mit den neuesten Nachrichten aus unterschiedlichsten Quellen bleibt selten unkommentiert. Der Versuch das Aktuelle einzuordnen, richtig zu deuten, die nächste Zukunft zu prognostizieren und sich immer wieder auch Irrtümer einzugestehen, ist Helmut Roewer gerade deshalb perfekt und erfrischend authentisch gelungen, weil keine über den Tag hinausgehende Absicht damit verbunden war und seine Neigung zu einer spöttisch-ironischen Sicht- und Schreibweise ungefiltert in die Tagebücher eingeflossen ist.

Es gibt von mir hier nur eine Kostprobe:

22. Juni 2022

Einen gewissen schwarzen Humor kann man der Regierung des Herrn Scholz nicht absprechen. Sie beantwortet die Frage nach der laufenden Ukraine-Hilfe, indem sie zwei Kategorien bildet: letal und nicht-letal. Fragt sich, wo die 270.000 EPA – das sind Fresspakete pro Soldat pro Tag – hingehören. Erfahrungen meiner Dienstzeit: Es gab Soldaten die die Eintopfkonserve aus dem EPA auf den Spirituskocher stellten, ohne sie zuvor zu öffnen. War in mehreren Fällen letal. Wissen die Ukrainer das? Vor allem diejenigen, die die EPAs auf dem schwarzen  Markt erwerben?

Nächste Woche soll der Gasnotstand in Deutschland beginnen. Heute noch mal heiß geduscht.

Gas (2): Mit Interesse einen Mann namens Brudermüller zur Kenntnis genommen. Der leitet die BASF. Im April stand er noch voll hinter dem Green Deal der EU. Jetzt lässt die Firma verlauten, dass bei Gas-Ende die Firmenschließung in Ludwigshafen drohe. 40.000 Mitarbeiter. Ob die im Zweifel nächstes Jahr Deutschland noch für ein reiches Land halten werden, erscheint mir zweifelhaft.

Gas (3): Dass dieser Stoff ein Grundprodukt der chemischen Verfahren ist entzieht sich grünem Vorstellungsvermögen und zeigt den Schwachsinn, dieses durch Windräder ersetzen zu wollen. Windräder, so könnte man in einfacher Sprache sagen, machen Wind, aber kein Gas.

Warum ich dieses Buch heute zum Thema mache?

Weil ich fürchte, dass Sie – gerade weil es ein empfehlenswertes Buch ist – noch nirgends davon gehört oder gelesen haben.

Kaufen können Sie „Nicht mein Krieg“ direkt beim Buchhaus Loschwitz, was – zugegeben – ein bisschen umständlich ist (E-Mail schreiben, Lieferung abwarten, Rechnung bezahlen), es ist jedoch auch für die Ein-Click-Besteller mit sofortiger Zahlung per Abbuchung bei Amazon zu haben, allerdings mit nicht vorhersehbarer Lieferzeit. (Im Augenblick: 3.9.24, 17:08 Uhr, hat Amazon nämlich nur noch 1 Exemplar auf Lager …)

Also: Holen Sie sich Ihren neuen Roewer.

Ihr

Egon W. Kreutzer