G7 – beschließt: Einen Deckel!

PaD 26 /2022 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 26 2022 G7 beschließt – einen Deckel

 

Wollen die uns verar…

Ob Olaf Scholz seinen Mitgipflern vom Erfolg des Berliner Mietendeckels vorgeschwärmt hat, ist leider nicht überliefert. Wundern würde ich mich nicht. Mich wundert inzwischen gar nichts mehr.

Einen Preisdeckel für russisches Öl.

Da drauf muss man erst mal kommen.

Gültig für die Wirtschaftsräume USA, Kanada, Frankreich, Italien, Deutschland, Japan und Großbritannien, sowie – im Nebenzug – für die von von der Leyen befehligten, nicht gipfelwürdigen übrigen EU-Staaten.

Da muss man ja erst einmal die Frage stellen, wer es mit den Sanktionen nicht so genau nimmt, und immer noch bei den Russen kauft. Eigentlich sollte es ja russisches Öl im wertewestlichen Traumland schon gar nicht mehr geben.

Dann muss man die Frage stellen, zu welchen Preisen Russland sein Öl denn momentan verkauft. Dem Vernehmen nach verkauft Russland derzeit zu Niedrigstpreisen an China und an Indien. Indien soll so viel russisches Öl kaufen, dass es selbst nicht mehr weiß, wohin damit, und daher einen schwunghaften Handel damit treibt. Die Abnehmer des indischen russischen Öls sollen vorzugsweise in der EU sitzen.

Es ist natürlich ganz schön bescheuert – und das ist keine Anspielung auf den früheren Verkehrsminister – wenn man das Öl nicht beim Erzeuger, sondern beim Zwischenhändler kauft. Kein Wunder, dass dem flüssige Gold dabei ein Mehrwert zuwächst, der sich im Preis widerspiegelt. 

Hat man Narendra Damodardas Modi eigens nach Schloss Elmau einfliegen lassen, um ihm zu erklären, dass die Gefährlichen Sieben künftig keinesfalls mehr als 60 Dollar pro Fass indisch-russischen Rohöls nach Neu-Dehli überweisen würden, und nicht mehr als 40 Dollar solange Indien sich nicht der Koalition der Willigen anschließt?

Dem Vernehmen nach soll Narendra Damodardas Modi bislang kein Statement abgegeben haben, aus dem geschlossen werden könnte, dass der Versuch erfolgreich gewesen sei, ihn mit siebenfacher Überzahl – nach bewährter Talkshow-Manier –  weichzuklopfen.

Wie denn auch?

Dem indischen Premierminister kann man doch kein X für ein U vormachen. Der weiß ganz genau, dass die wertewestlichen Versuche, durch eine ihren Volkswirtschaften verordnete Low-Carb-Diät sowohl das Klima zu retten als auch Russland in die Knie zu zwingen, dazu geführt haben, dass das Angebot an  Öl auf dem Weltmarkt knapp geworden ist.

Der indische Premierminister Modi, der am 17. September 72 Jahre alt werden wird, gehört noch zur Klasse (nicht im Sinne von Kaste, oder Klassenkampf, sondern eher im Sinne von Elite) jener alten weißen Männer, die das Kopfrechnen und das logische Denken noch selbst beherrschen, ohne sich dafür immer wieder ad hoc und ohne Ausschreibung externe Beratungsleistungen einkaufen zu müssen.

Modi ist zudem Realist. Er weiß, dass, selbst wenn Indien das russisch-indische Öl billiger abgeben würde, als es der Markt hergibt, die Preise für Benzin und Diesel an der Tankstelle um keinen Cent sinken würden. Nur dass dann eben die internationalen Mineralölkonzerne den Reibach machen würden. Und er schätzt die Lage richtig ein, wenn er davon ausgeht, dass es einen „Käuferstreik“ nicht geben wird, solange Indien noch einen Tropfen russisches Öl auf den Markt werfen kann.

Nüchtern betrachtet muss man zu der Erkenntnis gelangen, dass es vollkommen unmöglich ist, dass sich die entscheidenden, öffentlich auftretenden Vertreter der sieben großen westlichen Volkswirtschaften für drei Tage hinter 16 Kilometer Zaun und 18.000 Polizisten  verschanzen, um anschließend ein Ergebnis zu verkünden, das sich anfühlt wie das Brainstorming einer Jungpfadfindergruppe.

Das trifft übrigens für die 600 Milliarden Dollar, die ausgegeben werden sollen, um der neuen Seidenstraße das Wasser abzugraben, ganz genauso zu, und für ein Verbot, des Handels mit russischem Gold nicht minder.

Also sollten wir davon ausgehen, dass diese so genannten Ergebnisse im Vorfeld des Gipfels von einem Sack voller Spin-Doktoren erarbeitet wurden, damit man etwas hat, was man den Medien an die Hand geben kann, damit die es dem Pöbel in einfacher Sprache in die Tröge werfen können.

Was da tatsächlich im Hochsicherheitstrakt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen beredet und beschlossen wurde, wird ebenso wenig an die Öffentlichkeit dringen, wie die Bilderberger öffentlich machen, was sie auf ihren Tagungen jeweils Neues ausgeheckt haben.

Also ist Spekulieren über die tatsächlichen Themen und Entscheidungen das Gebot der Stunde.

Es gibt winzige Indizien, die darauf hinweisen, wo die Schwerpunkte gelegen haben könnten.

Ein Indiz ist die Gründung eines exklusiven Klima-Clubs. Auch wenn die glorreichen Sieben das 1,5 Grad Ziel immer noch im Wappen führen: Dass hier eine Kehrtwende eingeleitet wurde, ist unverkennbar. Das Geschäftsmodell „Klimaschutz – Dekarbonisierung“ das eine  einem Weltkrieg gleichkommende Zerstörung an der bestehenden und funktionierenden und leider profitwidrig langlebigen Infrastruktur anrichten sollte, um mit Billionenaufwand dafür einen Ersatz zu schaffen, zugleich die Reserven an fossilen Brennstoffen zu schonen und dabei über die Energieverteuerung den Massenkonsum chinesischer Waren einzudämmen, war ein Projekt für eine Schönwetterphase. Man war sich sicher, den damit herbeigeführten Mangel zu beherrschen und bewirtschaften zu können, ohne dass die kleinen Leute merken, wie sie veralbert werden, sondern sogar – in Angst vor dem steigenden Meeresspiegel, vor Dürren und Hungersnöten – von sich aus fordern, ihnen noch größere Teile des bescheidenen Wohlstands für den Fetisch „Klima“ wegzunehmen.

Mit dem 24. Februar 2022 ist das eingetreten, was den ganzen schönen Traum zerstört hat. Ein Energiemangel, wie er selbst in den kühnsten Einsparprogrammen nie vorgesehen war, und von dem man vom ersten Tag an wusste, dass er nicht zu beherrschen sein würde, warf seinen langen Schatten voraus. Aktionismus war gefragt. Aber nicht Aktionismus zur Problemlösung, sondern Aktionismus  darin, die Hände in Unschuld zu waschen. Alles was im Bereich der Energieversorgung auf dem Altar der Erneuerbaren bis dahin geopfert worden war, die abgeschalteten Kraftwerke, die Abwanderung energieintensiver Unternehmen, letztlich die Versorgungssicherheit, durch Verzicht auf die nachfrage-orientierten Energieversorgung zugunsten der angebots-orientierten Versorgung, musste jetzt so schnell als nur irgend möglich aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit getilgt – und stattdessen Putin als der böse Schurke hingestellt werden, der unser gewohntes gutes Leben zerstört.

Selbstverständlich dienten auch die neuerlichen Sanktionen gegen Russland, der selbst verkündete, selbst gewählte Ausstieg aus russischer Kohle, russischem Öl und russischem Gas nur diesem Zweck, denn das Gedächtnis der Tagesschau-Konsumenten ist kurz, so dass man schon am übernächsten Tag mitteilen kann: Putin hat uns den Gashahn abgedreht. Dass derweil der gesamte versammelte Wertewesten im Lande der schönen Ministerpräsidentin damit beschäftigt ist, das Endstück der mit Gas gefüllten und unter Druck stehenden Pipeline North Stream 2 so fest als möglich zuzuhalten, dass der Gashahn am anderen Ende dieser Leitung keineswegs geschlossen ist, dass wir nur aufdrehen müssten, und der Mangel wäre beseitigt, muss ja nicht erwähnt werden. Das würde einen Teil der Bevölkerung nämlich nur verunsichern.

Ebenso verunsichern würde es die Bevölkerung, sollte noch einmal unvorsichtigerweise in den Medien erzählt werden, dass nicht Putin die Getreideschiffe am Auslaufen aus den ukrainischen Häfen hindert, sondern dass es die von der Ukraine in die Fahrrinnen gelegten Seeminen sind, die den Schiffsverkehr zum Himmelfahrtskommando machen würden. Noch mehr verunsichern würde es die Bevölkerung, käme sie dann von selbst auf den Gedanken, dass es der Ukraine ziemlich egal ist, ob der Weizen nun dort ankommt, wo er gebraucht wird, oder ob er in den Silos vor sich hin gammelt. Die Finanzhilfen der Freunde Selenskis machen Exporterlöse überflüssig. Also hält man lieber die Zufahrten zu den Seehäfen von russischen Kriegsschiffen frei, als die mühsam gelegten Minen zu räumen.

Wobei das Spiel ja schon wieder eine Runde weiter ist. Die Briten wollen jetzt eine Armada von Kriegsschiffen ins Schwarze Meer schicken, angeblich um die Minen zu räumen und den Seeweg für den Weizen frei zu machen. Der Ukraine kann das nur recht sein. Statt langweiliger und unbeweglicher Minen, einen Verband britischer Kriegsschiffe im Schwarzen Meer zu wissen, das stärkt doch den Rücken – und wenn man Erdogan dazu bringt, den Bosporus für die britischen Kanonenboote zu öffnen, dann hat man auch den Türkenboss wieder stärker unter Kontrolle, weil er für eine ganze Weile nicht mehr auf die Freundschaft Putins wird setzen können.

Wenn man aber den Übeltäter schon einmal festgemacht hat, wenn man der ganzen Bevölkerung nun erklärt, sie werde den Winter zweifellos, und wenn überhaupt, nur heulend und zähneklappernd überstehen, habe es aber noch gut, weil in weiten Teilen der Welt wegen Putin die Zahlen der Hungertoten in die Höhe schnellen,  dann hat man auch den Großteil der noch nicht vollständig fanatisierten Putinversteher auf seiner Seite, wenn es gilt, Waffen, vor allem schwere Waffen und jede Menge Munition und Milliarden an Hilfsgeldern Richtung Ukraine in Marsch zu setzen.

Soweit alles gut, nur das Problem der Energieversorgung der Industrie ist noch nicht gelöst. Was liegt da näher, als die Klimaschutzmaßnahmen so gut es auf die Schnelle geht, wieder zurückzunehmen? Mag der Rest der Welt sich sklavisch an die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens halten oder sie trickreich umgehen, das ist egal. Die grandiosen Sieben machen ab sofort in enger Abstimmung und zum Schutz der westlichen Werte ihr eigenes Ding.

Ein zweites Indiz ist der Beschluss des unmittelbar auf den G7-Gipfel folgenden NATO-Gipfels, die Stärke der Schnellen Eingreiftruppe von bisher 30.000 oder 40.000 auf 300.000 Mann zu erhöhen. Es wäre doch höchst verwunderlich, sollte Generalsekretär Stoltenberg diesen Auftrag nicht direkt aus Elmau erhalten haben, wo man sich garantiert vorher auf die Stärke dieses Zeichens der Stärke geeinigt hat.

Auch dabei handelt es sich meines Erachtens um eine Finte. Eine Finte, die der Unterbrechung der Versorgung Kaliningrads mit wichtigen Rohstoffen und Waren folgt, wie sie nur von langer Hand geplant und vorbereitet sein kann.

Die Strategen des Wertewestens haben nach acht Jahren den Erfolg ihrer Bemühungen, Putin zu militärischen Aktionen zu provozieren, feiern können. Die rechte Freude wollte aber nicht aufkommen, weil die Russen peinlich darauf bedacht waren, nicht in eine direkte Konfrontation mit einem NATO-Mitglied hineingezogen zu werden. Im Verlauf der Kampfhandlungen in der Ukraine wurde auch deutlich, dass darauf auch nicht mehr gehofft werden konnte. Um sich nicht völkerrechtlich ins Unrecht zu setzen, musste man vier Monate zusehen, wie Selenskis Truppen in einem Abnutzungskrieg allmählich aufgerieben werden und konnte nur mit Geld, Waffen und Geheimdienstinformationen behilflich sein.

Mit der teilweisen Blockade Kaliningrads, die – das wissen beide Seiten – jeden Tag in eine vollständige Blockade umgewandelt werden kann, hat man Putin ein neues Stöckchen hingehalten und ihn  zum Springen aufgefordert. Nachdem er in die Ukraine einmarschiert war, so hoffte man, würde er auch nicht zögern, in Litauen einzumarschieren.

Doch aus dem Kreml kamen erst einmal nur pauschale verbale Ankündigungen von Gegenmaßnahmen, aber kein russischer Panzer näherte sich der – von westlichen Strategen immer noch weit überschätzten – Suwalki-Lücke, um das Baltikum von Polen abzutrennen und ins Zarenreich einzugliedern.

Was macht man also, wenn ein Kunde den Gebrauchtwagen ums Verrecken erst kaufen will, wenn er das noch einmal gründlich mit seiner Frau besprochen hat? Man baut Druck auf: „Ich rate Ihnen, sich zu beeilen. Gleich morgen Früh kommt ein anderer Interessent, der nur noch die Finanzierung mit seiner Bank klären wollte. Wenn Sie erst noch mit Ihrer Frau reden wollen, ist das Schnäppchen wahrscheinlich weg.“

In Bezug auf Kaliningrad heißt das: „Lieber Wladimir Wladimirowitsch, denk doch mal nach. Du musst ja sowieso was machen, wenn du dich nicht lächerlich machen willst. Aber wenn du noch lange überlegst, in Litauen einzumarschieren, wird es zu spät sein. Gerade haben wir nämlich beschlossen, dass schon Ende dieses Jahres nicht nur 30.000, sondern 300.000 Mann bereitstehen werden, um deine Truppen zu empfangen.“

Dies wiederum deutet daraufhin, dass – wie ich gestern schon ausgeführt habe – der NATO die Zeit davonläuft, weil der Verschleiß der in Reserve gehaltenen, konventionellen Waffen im Kriegsgebiet Ukraine ein Ausmaß angenommen hat, das die Chancen  für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der russischen Armee mit konventionellen Waffen bald unmöglich machen wird.

Wenn aber, um dennoch den Sieg davontragen zu können, auf Atomwaffen zurückgegriffen werden muss, dann würde dieser Krieg der erste seit dem Sezessionskrieg (1861 -1865) sein, bei dem die USA selbst auf eigenem Territorium Verluste erleiden müssten. 

Nein. Dieses Szenario ist nicht im Interesse der USA. Russland soll geschwächt werden. Der US Verteidigungsminister  Lloyd Austin hatte bei seinem Besuch in Kiew unverblümt zum Ziel erklärt, Russland müsse so geschwächt werden, dass es „solche Dinge, wie eine Invasion der Ukraine künftig nicht mehr anstellen“ könne. Der russische Außenminister Sergei Lawrow bestätigte meine Überlegungen in seiner Replik auf Austin, indem er auf die ernste und nicht zu unterschätzende Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung hinwies.

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat diese Denkweise am 30. April 2022 so zum Ausdruck gebracht:

„Waffenlieferungen dienen nicht mehr nur der Verteidigung der Ukraine,
sondern auch der Schwächung des russischen Bedrohungspotenzials für den Westen.
Die Ziele sind nicht voneinander zu trennen,
darauf zu verzichten, wäre verantwortungslos.“

 

Es sind wieder zwei Monate vergangen.

Möglicherweise hat da in der Zwischenzeit ein aufgeweckter junger Mann, vielleicht als Kantinenwirt, in die atombombensicheren Bunker der strategischen Planungsteams  des Pentagon Einzug gehalten.

Könnte ja sein, dass  der  mal, kommunikativ wie man als Wirt sein muss, einfach so ins Blaue hinein gefragt hat, ob das mit der Schwächung Russlands so enden wird, wie mit der Schwächung der Taliban in Afghanistan, der Mullahs im Iran, oder gar mit der Schwächung Kim Jong Uns in Nordkorea?

Könnte sein, dass der Staff Sergeant, der als Ordonnanz beim Kaffeeholen war, diese Frage aufgeschnappt und seinem Major Tom beim Kaffee-Einschenken  erzählt hat, welche spannende Frage der neue Kantinenwirt gestellt hat. 

Nicht auszuschließen ist, dass Major Tom über diesen Vorgang daraufhin eine Akte angelegt und „Top Secret“ auf den Deckel gestempelt hat, und dass diese Akte über weitere Zwischenschritte, schon leicht angeschmuddelt auf dem Schreibtisch von Lloyd Austin gelandet ist.

Ebenfalls nicht auszuschließen dass Austin daraufhin bei Hillary Clinton angerufen hat, um sie zu fragen, ob er die Akte mit dieser „damned Question“ Joe Biden zur Kenntnis geben, oder ob er sie nicht doch lieber durch den Reißwolf jagen sollte.

Hillary könnte Austin gebeten haben, noch abzuwarten, sie wolle erst die Meinung von Henry einholen, der sich in so was ja gut auskennt.

Es kann natürlich auch ganz anders gelaufen sein, aber irgendwie scheint man in Washington jedenfalls begriffen zu haben, dass es schon richtig ist, einen Gegner schwächen zu wollen, dass das aber mit Selenskis Truppen in der Ukraine alleine nicht zu schaffen ist.