Meinungsfreiheit – WOZU?

Bitte um Beachtung:
Beim nachstehenden Aufsatz handelt es sich um hochkonzentrierten, ätzenden Zynismus, der trotz aller Ähnlichkeiten keinesfalls mit offiziellen regierungsamtlichen oder parteipolitischen Verlautbarungen verwechselt werden darf.

 

Die über Jahrhunderte  gepflegte  Erzählung,

(„Gewähren Sie Gedankenfreiheit, Sire!“ und „ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung äußern dürfen“)

Meinungsfreiheit sei etwas Wichtiges, Gutes und Unverzichtbares, darf nicht länger unhinterfragt bleiben, das böswillige Insistieren auf die Wahrnehmung eines so genannten Grundrechtes nicht länger hingenommen werden.

Die Spatzen pfeifen’s von den Dächern …

Schon zu den Zeiten als noch Autokraten, Diktatoren und die Abkömmlinge von Erbmonarchen ohne jeden weiteren persönlichen Befähigungsnachweis von Gottes Gnaden die Macht ausüben konnten, war das Beharren darauf, die eigene Meinung zu verbreiten, wenn diese die Grenzen des guten Geschmacks oder auch nur die Eitelkeit der Herrscher verletzte, eine höchst fragwürdige, ja überaus törichte Angelegenheit, weil sie schnell in den Kerker, unter die Folter und auch in den Tod führen konnte.

Nun lehrt uns die Geschichte zwar, dass nicht alle früheren Potentaten als das hellste Licht am Leuchter gelten konnten, was durchaus bei dem einen oder anderen – Gebildeten oder auch nur Eingebildeten – zu  der ‚Meinung‘ führen konnte, selbst bessere und gerechtere Entscheidungen treffen zu können, doch muss ebenfalls konstatiert werden, dass sich diese ‚Meinung‘ nur aus einer gewissen und zumeist viel zu großen Distanz bilden konnte, als dass damit die Beweggründe und Hintergedanken, die langfristigen Strategien und die kurzfristigen taktischen Manöver der Fürsten hätten erkannt  werden können.

Alleine daraus wird deutlich, dass ‚Meinung‘, wenn sie in Kritik an den Eliten in Staat, Wirtschaft und Kirche mündet, auch in unseren Tagen kaum mehr sein kann, als der aus Unkenntnis geborene Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Entscheidungen, deren Tragweite vom Zweifler jedoch nicht ansatzweise überblickt werden kann.

Wenn nun zur ‚Meinung‘ auch noch der missionarische Eifer, sie zu verkünden hinzukommt, dann ist das Motiv dahinter in 999 von 1000 Fällen eine rein emotionale Aufwallung, die sich aus niederen Instinkten, wie Neid und Missgunst speist. Im tausendsten Fall mag es das Empfinden einer bitter empfundenen Ungerechtigkeit sein, von welcher der Kritiker ‚meint‘, sie  drohe, oder widerfahre ihm bereits.

Wenn die Juristen heute jedoch zwischen der falschen Tatsachenbehauptung, die strafbar sein kann, und der straffrei bleibenden ‚Meinung‘, die allen Tatsachen Hohn sprechen darf, unterscheiden, dann ist das – ich bitte Sie ernsthaft darüber nachzudenken – doch eher ein Zeichen verweichlichter Dekadenz, die da irgendwie ins Gesetzbuch geraten ist, als einer konsequenten Denk- und Handlungsweise.

Ist es nicht so, dass das wirre, unkontrollierte Herumgemeine, das gerade in Zeiten des Internets zu einem Tsunami des Unfugs angeschwollen ist, nur dazu führt, dass sich die eher phlegmatischen Charaktere überfordert und angewidert gänzlich als „Couch-Potatoes“ zurückziehen, während  die große Schar der Choleriker, der Hysteriker und Narzisstiker in einen Wettstreit um die am lautesten vorgetragene Dummheit verfallen und damit die ätzende Saat des Zweifels aus allen Himmelsrichtungen in die Gesellschaft hineintragen, die zwangsläufig die Orientierung verliert und dann vom geringsten Anlass in einen wütenden Mob, in eine das individuelle Urteilsvermögen auflösende Massenseele (Le Bon) verwandelt wird, die am nächsten Morgen verkatert vor den Trümmern dessen steht, was sie nächtens blindwütig zerschlagen und eingerissen hat.

Ist es auf der anderen Seite nicht jedem verständigen Menschen vollkommen einleuchtend, dass das Pochen auf die Meinungsfreiheit stets von jenen vorgetragen wird, die sich mit dem, was die demokratische Mehrheit in vollendeter Einsicht klaglos erträgt, eben nicht einverstanden erklären wollen, teils aus vorgeblich altruistischen Motiven, zumeist jedoch aus egoistischen, respektive  gruppen- und parteienegoistischen Motiven heraus?

Ist das Pochen auf die Meinungsfreiheit nicht immer auch das Pochen darauf, den Samen der Zwietracht und des Zweifels ausstreuen zu dürfen. Ist es nicht so, dass es zwischen jenen Kräften, die der bürgerliche Anstand meidet, weil sie den „Radikalen“ und „Extremisten“ zugerechnet werden müssen, und jenen, die nicht aufhören, sich auf ihr Meinungsfreiheit zu berufen, kaum einen Unterschied sondern näherungsweise Deckungsgleichheit gibt?

Die Meinungsfreiheit hat ihren Anfang doch schon da genommen, wo die Schlange im Paradies sich anschickte, Eva ihre ‚Meinung‘ über die von Gott verbotene Frucht vorzutragen. Eine Meinung die natürlich falsch war, wie sich an den Folgen für Adam und Eva überdeutlich zeigte, und das nicht aus einem Irrtum heraus, sondern aus boshafter Verlogenheit, wie auch heute noch so manche in aller Unschuld vorgetragene ‚Meinung‘ nur der glänzende Umhang für eine bodenlose Lüge ist.

Im 21. Jahrhundert hat sich die Welt aus dem mythischen Urschlamm erhoben. Unsere Wissenschaftler haben die  Natur erkundet und entschlüsselt und die Welt zu einem Ort der Fakten gemacht, in der es nur im Belanglosen, weil unvorstellbar Kleinen, und im ebenfalls Belanglosen, weil unvorstellbar Fernen, noch einen Raum für Vermutungen, für Hypothesen, ja – wenn’s denn sein muss –  auch für wissenschaftliche Meinungen gibt.

Der Rest ist für die Experten in jeder Hinsicht messbar, berechenbar und im Verhalten vorhersagbar. Dazu eine ‚Meinung‘ zu äußern ist immer zugleich das Eingeständnis von Nichtwissen, wobei nicht das Nichtwissen zu verachten ist, schließlich kann längst nicht mehr jeder alles wissen, sondern die Selbstüberschätzung, die darin besteht, sich als Laie über den Experten erheben zu wollen.

In unserem 21. Jahrhundert ist es nicht mehr die aristokratische Geburt, die Herrscher von Gottes Gnaden hervorbringt, sondern ein langer Weg der Prüfung aller erforderlichen Fähigkeiten, der im Ortsverein der Parteien beginnt und im Bundesvorstand abgeschlossen wird, ein Weg, auf dem unter den Besten  der Besten nur die Allerbesten zu Kandidaten werden, die wiederum von der Schwarmintelligenz des gesamten Volkes in gründlicher Erwägung aller Fakten mehrheitlich  ins Amt gehoben werden.

Man muss sich dessen doch bewusst sein:

Die Regierungsmitglieder sind der menschgewordene Wille der Mehrheit der Wahlberechtigten, auch der Nichtwähler(!).

Was ist dagegen schon eine abweichende oder ablehnende ‚Meinung‘ ? Richtig. Ein Nichts, ein Pups! Keiner Beachtung wert – läge darin nicht der Keim der Gärung, welcher Unruhe und ein Brausen ins Volk zu bringen vermag, das doch so gerne den Versprechungen der falschen Propheten folgt, die nicht müde werden, ein Schlaraffenland zu verheißen, das sich – nach Lage  der Fakten – nun einmal nicht herstellen lässt.

Wir brauchen keine Meinungsfreiheit!
Wir brauchen einzig das Regiment der Fakten
und der Wissenschaft.

Kein Politiker sollte jemals wieder Sätze sagen, in denen Floskeln wie „ich glaube“, „ich hoffe“, „ich bin der Meinung“ oder „ich bin fest davon überzeugt“ vorkommen, weil es Meinungen sind, geeignet, das Volk in die  Irre zu führen.

Wo selbst an der Spitze des Staates die Meinungen vor den Fakten, die Ideologien vor den Erkenntnissen, die Knalltüten vor den wahren Experten  das  Sagen haben, wo man sich in Koalitionsverhandlungen auf beidseitig vertretbare Meinungen  verständigt, statt auf die einzig sinnvollen und notwendigen Maßnahmen, wären die verheerenden Wirkungen des faktenfreien Meinens aller Beteiligten Grund genug, um – wie Jesus einst im Tempel zu Jerusalem – durch den Reichstag zu ziehen und die Tische der Händler und Wechsler umzuwerfen und die Lobbyisten mit der Peitsche aus dem Tempel zu jagen.

Meinungsfreiheit, das war ein Zugeständnis an die Armen im Geiste, wie sie noch vor hundert Jahren mit der Nase im Maßkrug die Stammtische mit ihrem Geschwätz unterhielten, eine Art „Psycho-Hygiene“ für alle, denen die höheren Weihen und die tieferen Einsichten fehlten. Die Gelegenheit, sich den eigenen, kleinen, törichten Frust und die kleinen, törichten Träume von der Seele reden zu können, um dann erlöst wieder ins Geschirr zu gehen und den Pflug oder den Karren dahin zu ziehen, wo es der Fuhrknecht befiehlt, der auch nur tut, was ihm von höherer Stelle geheißen wird.

Aus diesem Relikt aus dem vorindustriellen Zeitalter auch heute noch ein Menschenrecht für jeden herleiten zu wollen, der in der Lage ist, seine armseligen, aber dennoch gefährlich aufrührerischen Gedanken in alle Winkel der Welt zu tragen, das können ernsthaft nur noch jene verteidigen, die selbst auf ihre Chance warten, an die Macht zu gelangen und ihre radikalen und extremistischen Pläne und Ziele umzusetzen.

Wer Meinungsfreiheit für sich fordert, selbst da noch, wo verständige Menschen oder smarte Algorithmen zum Schutz der Allgemeinheit bereits versuchen, löschend und sperrend dagegen einzuschreiten, outet sich doch selbst als Extremist, und jene, die dies auch noch verteidigen, outen sich als mehr oder minder naive Spießgesellen der Extremisten.

Doch der Aufstand der Anständigen ist längst in vollem Gange und wird über kurz oder lang dazu führen, dass trotz formaler Beibehaltung des Artikels 5, Grundgesetz, kein Deutscher mehr anderes von sich geben wird als belastbare Fakten, und dass jeder Deutsche schweigen wird, so er nicht vollständig über die notwendigen Fakten verfügt.

Eine wunderbare, berauschende Vorstellung! Keine Meinungen mehr! Welch ein wohltuendes Schweigen! Welch eine himmlische Ruhe!

Wer müsste da nicht alles
für alle Zeiten das Maul halten!

Eine wahrhaft paradiesische Vorstellung.

Dass Heiko Maaß auf dem von ihm als Justizminister eingeschlagenen Weg auf dieses hehre Ziel hin in seiner neuen Funktion nicht mehr mit gleicher Intensität vorangehen kann, ist bedauerlich, wird unsere Reise in die schöne neue Welt aber auch nicht aufhalten können.

Bis dahin möge sich jeder jeden Tag aufs Neue fragen, ob das, was ihm vorgetragen wird – von wem auch immer – nur ‚Meinung‘ ist, oder ob tatsächlich die Fakten ihre klare und lautere Sprache sprechen.

 

Die Antwort lautet übrigens 42.