Schwere Reiter, schwere Waffen, schwere Niederlagen

Der Krieg ist der Vater aller Dinge.

Lassen wir diesen Satz einfach einmal unwidersprochen stehen, obwohl es dazu jede Menge kritischer Anregungen zu machen gäbe. Stellen wir stattdessen fest, dass der Krieg nach wie vor nichts von seiner Zeugungskraft eingebüßt hat und immer neue „Dinge“ hervorbringt, die er in seine Arsenale einbaut, auf dass der Glaube, ein Krieg könne mit diesen neuen Dingen gewonnen werden, nie aufhören möge.

Wenn wir schon dabei sind, den Krieg mit unseren Worten quasi zu personifizieren, dann müssen wir uns auch eingestehen, dass es „dem Krieg“ nicht darum geht, dass eine Partei obsiegt oder unterliegt, schon gar nicht darum, dass es zu einem Waffenstillstand oder zu einem Friedensvertrag kommt, sondern ausschließlich um sein eigenes Überleben, und dies möglichst verbunden mit maximalem Wachstum. Griechen und Römer verehrten ihren Kriegsgott, ob nun als Ares oder als Mars, in der Hoffnung er möge ihnen den Sieg schenken. Vielleicht waren die Alten klüger als wir Heutigen. Vielleicht wussten Sie, dass der Krieg nichts ist, was Menschen nach Belieben ein- und ausschalten und nach eigenen Wünschen gestalten können, sondern eine Art Naturgesetz, das man sich zu Nutze machen, aber niemals aus der Welt schaffen könne.

Zum Thema:

In Ramstein haben sich auf Einladung der USA Staatsmänner und -frauen sowie hohe Militärs aus dreißig Ländern versammelt, um ein Bündnis gegen Russland zu schmieden. Lassen wir die Frage beiseite, ob es sich bei der Wahl des Tagungsortes um einen Affront gegen die Souveränität Deutschlands gehandelt habe. Das führt nicht weiter. Es zählen die Fakten, und die Fakten besagen, dass die USA das tun, was sie können, solange  sie glauben, dass es ihnen nützt.

Herausgekommen ist, wenn man die deutsche Qualitätspresse verfolgt, einzig und allein, dass Christine Lambrecht zugesagt hat, der Ukraine 50 alte, ausgemusterte Schrotthaufen zu liefern, die einst der Bundeswehr zur Luftabwehr im Nahbereich dienen sollten.

Man muss sich diese Veranstaltung als eine psychologische Inszenierung vorstellen, die keinem anderen Zweck diente, als unter dem Eindruck der übermächtigen, waffenstrotzenden Kulisse der Airbase Ramstein mit einem Kräfteverhältnis von 29 : 1 jenen gruppendynamischen Druck aufzubauen, unter dem die von ihrem frisch übernommenen Amt zweifellos überforderte Frau Lambrecht zusammenbrechen musste, was zugleich Olaf Scholz das bis zuletzt gerade gehaltene Rückgrat bis zur Sollbruchstelle verbiegen sollte. Die Operation ist gelungen.

Deutschland ist jetzt unwiderruflich in die Koalition der Willigen eingebunden. Die Stimme des letzten Mahners ist verstummt. Dem dritten Weltkrieg steht nichts mehr im Wege, außer Putin gibt angesichts der gegen ihn versammelten Übermacht klein bei und zieht seine Truppen unter fortgesetzten Verlusten wieder ab.

Ist Ihnen aufgefallen, wie ein  uraltes Verb wieder auferstanden ist? Eines, das ich lange nicht mehr gehört und gelesen habe? Das Wörtchen „faseln“. Das haben sie ausgegraben und in die Nachrichten gehoben:

„Lawrow faselt“. 

Mal faselt er vom Atomwaffeneinsatz, mal  vom dritten Weltkrieg. Aber er faselt ja bloß.  Nein, nein. Lawrow  hat nicht gedroht. Das kann er doch gar nicht. Lawrow hat auch nicht gewarnt. Lawrow hat keine unausweichlichen Konsequenzen oder rote Linien aufgezeigt. Lawrow hat gefaselt. Nicht ernst nehmen, deutsche Michel*innen. Gebt nichts auf das Gefasel. Es droht keine Gefahr. Ihr genießt doch sowieso die Narrenfreiheit einer Nation, die sich wegen der Feindstaatenklausel der Vereinten Nationen nie sicher fühlen kann. Euch kann gar nichts zusätzlich Schlimmes passieren, was euch nicht sowieso passieren könnte.

Die 50 Gepard-Wägelchen mit ihren beiden 35 Millimeter Kanonen mit einer Kadenz von 1100 Schuss pro Minute sind zwar schwere, aber keine kriegsentscheidenden Waffen. Sie stehen symbolisch für das Mitmachen, so wie ein Ehering symbolisch für ein Vertragsverhältnis zwischen Mann und Frau steht. (Ich weiß, auch Mann/Mann und Frau/Frau Verbindungen tragen symbolische Ringe, doch würde eine differenzierte Betrachtung in diesem Zusammenhang zu weit  führen.)

Warum die Geparden nichts zum Ausgang des Krieges beitragen können, muss kurz erläutert werden.

  1. Die Flakpanzer stehen bei den Waffenschmieden mehr oder minder verrottet auf dem Hof und müssen erst mühsam wieder in einen betriebsbereiten Zustand versetzt werden. Das soll für die ersten 20 Stück ungefähr 6 bis 8 Wochen lang dauern. Bis dahin schreiben wir Ende Mai / Anfang Juni 2022. Die letzten sollen erst Ende 2022 ausgeliefert werden können. Wie sich der Krieg bis dahin entwickelt haben wird, steht in den Sternen.
  2. Wenn die Flakpanzer zur Einsatzfähigkeit gebracht wurden, steht der Transport in die Ukraine an. Bis zur polnischen Grenze dürfte das relativ problemlos auf dem Schienenweg erledigt werden können. Die russischen Truppen beschäftigen sich derweil mit Eifer und Hingabe damit, die ukrainischen Bahnanlagen so zu beschädigen, dass Transporte schwerer Waffen an den zerstörten Eisenbahnknotenpunkten zum Stehen kommen. Ein stehender Zug mit Panzern ist ebenso leicht zu erkennen, wie zu zerstören. Die Panzer irgendwo im Wald vom Waggon auf den Tieflader zu bugsieren, stellt zwar durchaus auch eine Möglichkeit dar, erfordert allerdings umfangreiche Vorbereitungen, die ebenfalls kaum unentdeckt bleiben dürften.
  3. Sollten die Geparden also vor Ende der Kampfhandlungen einsatzbereit und auch verlustfrei in die Ukraine und dort in die vorgesehenen Einsatzbereiche gelangt sein, bleibt die Frage offen, welche Munition verschossen werden soll. Die Restbestände der Bundeswehr dürfen nämlich nicht  verwendet werden, weil die Schweiz, als Hersteller der Munition, die Exportgenehmigung in die Ukraine verweigert, weil sie dadurch ihren Neutralitätsstatus verletzt sähe.
    (Ist interessant, wie die Schweiz darauf bedacht ist, nicht schon durch die Erlaubnis, Munition aus deutschen Beständen an die Ukraine zu liefern, zum Kombattanten zu werden …)

Im Übrigen sollte die Frage aufgeworfen werden, mit welchen militärischen Begründungen der Gepard bei der Bundeswehr ausgemustert wurde. Wie wir alle wissen, war die Luftverteidigung der Bundeswehr immer nur gegen einen einzigen, potentiellen Feind gerichtet, nämlich ursprünglich die Sowjet Union, danach dann die Russische Föderation. Hat man die Geparden aufgegeben, weil man davon ausgegangen ist, dass mit einem russischen Angriff auf Deutschland nie und nimmer zu rechnen sei, oder hat man sie aufgegeben, weil ihre Ausrüstung, von der Panzerung über das Radar, den Feuerleitrechner und die Kampfkraft der Kanonen im Kampf gegen moderne russische Waffensysteme als unzulänglich angesehen wurde?

Damit kommen wir zurück zum Kriegsgott.

Es  gab eine Zeit, da hat es Mars gefallen, die besten Kämpfer in schwere eiserne Rüstungen zu stecken, und, weil sie darin zu unbeweglich waren, auf schwere Pferde zu setzen. An diese Ritter war schwer heranzukommen, sie waren beinahe unkaputtbar und konnten zugleich eine ganz erhebliche Schadwirkung auf die Fußsoldaten des Gegners entfalten. Selbstverständlich wäre der Krieg zu Ende gegangen, hätten die Gegner der Ritterheere nicht ebenfalls Ritterheere entstehen lassen, so dass man sich für eine Weile, ausrüstungstechnisch gesehen, wieder halbwegs ebenbürtig gegenüberstand. Was allerdings unbefriedigend war, weil keiner einen Vorteil hatte und man sich mehr oder weniger mechanisch gegenseitig vom Pferd zu holen versuchte, bis nur noch ein kläglicher Rest der Ritterheere übrig geblieben war. 

Die Wende kam am 26. August des Jahres 1278 als Rudolf I. von Habsburg sein Heer gegen Ottokar II. von Böhmen in Stellung brachte und dabei zwei Neuerungen der Kriegskunst nutzte. Das war einmal der „Hinterhalt“, seinerzeit unter Rittern eine unehrenhafte List, und zum anderen der Einsatz einer neuen Waffengattung, nämlich leichter Kavallerie in Gestalt berittener Bogenschützen. Diese „Kumanen“ kamen aus Ungarn, waren den schweren Rittern Ottokars an Geschwindigkeit und Wendigkeit weit überlegen und verfügten mit dem Bogen über eine Fernwaffe, die sie mit nur geringer Gefahr für das eigene Überleben einsetzen konnten. Die Erzählungen  gehen quantitativ ein bisschen auseinander, jedoch soll ein Großteil der Ritter Ottokars, ohne überhaupt selbst dazu zu kommen, in die Schlacht einzugreifen, eliminiert worden sein.

Das Ansehen der „Schweren Waffen“, welche die Ritter seinerzeit darstellten, sank hinfort dramatisch und wurde  durch das spätere Aufkommen der „Feuerwaffen“, was auch die Schutzwirkung der Burgen und Festungen dahinschwinden ließ, vollständig beschädigt.

Erst im Ersten Weltkrieg tauchten sie in Form der „Tanks“ wieder auf und wurden seitdem immer weiter verbessert, sowohl in Bezug auf die Panzerung als auch in Bezug auf die Feuerkraft.

Inzwischen haben aber auch die „Bogenschützen“ aufgerüstet. Ein Mann genügt heute, um eine Waffe, die weniger wiegt als eine volle Bierkiste, auf den Panzer zu richten, um das tonnenschwere Gefährt (der Gepard wiegt  fast 50 Tonnen) samt der drei- bis fünfköpfigen Besatzung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu vernichten.

Natürlich muss man den einen Mann in eine geeignete Schussposition bringen, was aber bei Kämpfen im urbanen Gelände, wo jede Menge  Deckung zu finden ist, nicht allzu schwer ist.

Es handelt sich um das gleiche Problem, von dem auch große Kriegsschiffe betroffen sind. Beides sind große, leicht zu erkennende und verhältnismäßig träge Ziele, die von verhältnismäßig leichten (und billigen) Angriffswaffen vernichtet werden können.

Panzer und Kriegsschiffe sind nur noch da sinnvoll, wo eine hinreichende technische (und zahlenmäßige) Überlegenheit gegenüber den Verteidigungswaffen besteht.

Die zugesagte Lieferung von 50 Flakpanzern Leopard hat keine nennenswerte militärische Wirkung. Die Entscheidung hat jedoch hohe Symbolkraft für das Verhältnis Deutschlands zu Russland und wird es Putin leichter machen, sein strategisches Handeln von bisherigen Rücksichtnahmen zu entrümpeln.

Polen und Bulgarien wurde der Gashahn zugedreht, weil sie sich weigern, die Lieferungen in Rubel zu bezahlen. Deutschland könnte er zugedreht werden, wenn es sich noch weiter in den Krieg hineinziehen lässt und sich in der Vorbereitung eines NATO-Krieges gegen Russland als Aufmarschgebiet zur Verfügung stellt.

Der Damm ist mit der Gepard-Zusage  gebrochen. Wer hat noch den Mut, die Flut mit Sandsäcken einzudämmen?