Scheindemokratie: 28 % West, 45 % Ost

Allensbach hat gefragt, Befragte haben geantwortet.

Nun könnte man erwarten, dass in einer Demokratie eine Debatte darüber beginnt, wo die Befragten Defizite der Demokratie in diesem, unseren Lande sehen. Man könnte erwarten, dass ernsthaft überlegt wird, wie tatsächliche existierende Demokratiedefizite behoben werden könnten, und, wie man Bürger darüber aufklärt, warum sie an manchen Stellen des demokratischen Prozesses „vermeintliche“ Demokratiedefizite zu erkennen glauben, die aber keine sind, beziehungsweise sich nicht anders lösen lassen.

Die Reaktion in unserer Demokratie ist eine andere. Schon der Anlass für die Umfrage war es nicht, Volkes Meinung und Volkes Willen zu ergründen, sondern herauszufinden, welchen Einfluss die so genannten „Querdenker“ auf die Meinungsbildung haben, wo es doch Aufgabe der Parteien sei, bei der Meinungsbildung des Volkes mitzuwirken.

Da war es unerträglich, dass diese Querdenker, auch nachdem die „Maßnahmen“ weitestgehend aufgehoben wurden, nicht aufhören wollten, zu Zehn- und Hundertausenden  weiter zu protestieren.

Da war es an der Zeit, das „Demokratievertrauen der Deutschen“ erfragen zu lassen. Im Auftrag des SWR, selbstverständlich, weil die Rundfunkgebühren schließlich dazu da sind, das zu erforschen, was die Politiker wegen ihrer ausgesprochenen Volksnähe selbst nicht mehr zu erkennen in der Lage sind.

Spannend, wie dem Ganzen dann auch noch das übliche Framing aufgedrückt wurde.

Die für den SWR von Allensbach erstellte Studie kommt nämlich ziemlich direkt zu der Aussage, unter den Corona-Leugner befänden sich auffällig viele Rechtsradikale, und dass ziemlich deutlich zu erkennen sei, dass Rechtsradikale häufiger Corona-Verschwörungstheorien anhängen, und AfD-Anhänger weitaus häufiger als die Anhänger aller anderen Parteien.

Das sitzt.

Wer Zweifel daran hegt, dass die deutsche Demokratie immer genau das an politischem Handeln hervorbringt, was die Bürger wollen, sondern eher glaubt, die Bürger hätten nicht zu sagen, ist ein Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker und womöglich rechtsradikal und mit hoher Wahrscheinlichkeit AfD-Sympathisant.

Hier der zugehörige SPIEGEL-Artikel.

Die Problematik der hierzulande gepflegten Demokratie habe ich in dem Buch „Demokratie – Fiktion der Volksherrschaft“ in allen ihren Facetten auf dem Weg vom unverfälschten Wählerwillen bis hin zum Fraktionszwang, von den wahren Machtverhältnissen im Staate, der wirtschaftlichen Macht, der Meinungsmacht und der Liquiditäts-Macht, bis hin zur schleichenden Installation einer Plutokratie, beschrieben. 

Der Abschnitt „Deutschland, die heruntergewirtschaftete Republik“ zählt auf 75 Buchseiten von A bis Z die Probleme auf, die diese Demokratie seit 1949 nicht zu lösen vermochte, beziehungsweise – und das ist die Mehrzahl – seither erst selbst geschaffen hat.

Im letzten Abschnitt geht es um die Schlussfolgerungen und die ganz tiefliegenden Ursachen der Verwandlung der Republik – mit ihrem Grundgesetz von 1949 – in jene Scheindemokratie, die heute 31 Prozent der von Allensbach Befragten zu erkennen glauben:

In Deutschland hat das Wirtschaftssystem des „Kapitalismus“, das die „Soziale Marktwirtschaft“ abgelöst hat, das Regierungssystem „Demokratie“ weitgehend ausgehöhlt und unterwandert.

Hier zwei Auszüge:

Demokratie und Kapitalismus sind unvereinbar.

Ungeachtet der Tatsache, dass demokratisch verfasste Staaten mit kapitalistischem Wirtschaftssystem in unserer Zeit faktisch die Regel darstellen, können Demokratie und Kapitalismus niemals eine beiderseits nutzbringende Symbiose eingehen.Demokratie und Kapitalismus sind Gegensätze, die auch unter dem härtesten Zwang einer optimal ausgewogenen Verfassung nicht aufhören werden, um die Vorherrschaft zu kämpfen.Es handelt sich um widerstrebende, unvereinbare Prinzipien. Um das zu erläutern, muss zunächst der weit verbreitete Irrtum ausgeräumt werden, Marktwirtschaft und der damit verbundene Wettstreit der Ideen, sei ein Kennzeichen, ja der innerste und für eine prosperierende Volkswirtschaft unabdingbare Kern des Kapitalismus.

Einer der erfolgreichsten Kapitalisten aller Zeiten, John Davison Rockefeller, brachte das mit einem kurzen Satz auf den Punkt, als er erklärte:

„Wettbewerb ist eine Sünde.“

„Marktwirtschaft“ und speziell die von allen Regularien „freie Marktwirtschaft“ ist nur die Vorbedingung, der Acker, auf dem in unbarmherziger Konkurrenz das Endziel des Kapitalismus errungen werden kann, nämlich das alleinige Monopol – zuerst in einem Marktsegment, am Ende die Herrschaft über den gesamten Markt und damit über alles Leben auf der Erde und über die Erde selbst.

Freie Marktwirtschaft heißt nichts anderes, als stets dem Recht des Stärkeren nachzugeben oder im erbitterten Kampf unterzugehen.

Die Konzentration der Vermögen und damit die Kontrolle über einen Großteil der gesamten Produktion der westlich-kapitalistisch organisierten Staaten ist bereits so weit fortgeschritten, dass nur noch rund 200 Familien genannt werden brauchen, um die eigentlichen Beherrscher dieser Welt zu benennen.

Doch auch zwischen diesen geht der Kampf um die globale Vorherrschaft stetig weiter. Ob es dabei zu einem Patt kommen wird, wobei man sich durch Abschreckung, wie einst zwischen Ost und West im Kalten Krieg, lieber mit dem bereits Erreichten zufrieden geben wird, statt es mit ungewissem Ausgang in einer letzten Entscheidungsschlacht aufs Spiel zu setzen, ist nicht vorherzusehen.

Marktwirtschaft, im positiven Sinne installiert, ist die zwangsläufige Folge arbeitsteiligen Wirtschaftens, bei dem jeder „sein Auskommen“ findet, weil er mit seinen optimierten Fähigkeiten spezielle Leistungen für die Gemeinschaft zur Verfügung stellt und sich seinerseits aus dem Leistungsangebot der anderen bedient.

Der Markt dient hier nicht der Konkurrenz der Anbieter, mit dem Ziel Monopole zu errichten und den Markt zu beherrschen, sondern der Feststellung von Preisen, und damit der Bewertung der Leistung aller Marktteilnehmer.

Daraus folgen automatisch die notwendigen Anpassungen an den technischen Fortschritt und die Anpassung von Angebotsmengen an den Bedarf. Es erfolgt ebenso automatisch die Anpassung der Arbeitszeit an den Fortschritt der Produktivität.

Das geht so lange gut, bis der erste Marktteilnehmer zum Kapitalisten mutiert, und – zum Beispiel durch Konsumverweigerung – die Balance des Marktes stört, also dafür sorgt, dass das Angebot anderer Marktteilnehmer nicht abgenommen wird, deren Kaufkraft damit geschwächt wird, was letztlich eine Kettenreaktion auslöst, die sich einerseits in Preisverfall, andererseits in Produktionssteigerungen zur Kompensation des Preisverfalls ausdrückt und den einst ausbalancierten, friedfertigen Markt in eine Kampfzone verwandelt, in der es kapitalismustypisch darum geht, Marktanteile zu gewinnen, und letztlich ein Monopol zu errichten.

Eine funktionierende Demokratie würde jetzt eingreifen, um den außer Rand und Band geratenen Markt wieder zu zähmen. Zum Beispiel mit einem Kartellrecht, das marktbeherrschende Zusammenschlüsse von Unternehmen ebenso verhindert, wie das Heranwachsen eines Konzerns zum marktbeherrschenden Monopolisten.

Eine funktionierende Demokratie würde im allgemeinen Interesse der Bürger ganz grundsätzlich dazu führen müssen, dass sämtliche Einrichtungen der allgemeinen Daseinsvorsorge dem Zugriff des Marktes entzogen werden und entzogen bleiben. Dazu zählen nicht nur die Versorgung mit Trinkwasser und elektrischer Energie, sondern auch das Verkehrswegenetz, ein ausreichendes Angebot an öffentlichem Nah- und Fernverkehr, die Organisation der Kommunikation, vom Brief über das Telefon bis zum Internetanschluss, die Bereitstellungen eines guten schulischen Bildungsangebotes, der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und medizinischen Versorgung, vordringlich auch die Bereitstellung von Wohnraum und Freizeit- und Erholungsgebieten.

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ist zugleich jedoch die Aufzählung aller jener in Deutschland einst staatlich vorgehaltenen Leistungen und Ressourcen, die von der so genannten Demokratie aufgegeben und dem Gewinnstreben des Kapitalismus, zum Nachteil der Bevölkerung, überlassen wurden.

Bleibt festzuhalten, was zu belegen war: Marktwirtschaft und Kapitalismus bedingen sich nicht etwa, im Gegenteil: Der Kapitalismus pervertiert und zerstört die Marktwirtschaft.

Von diesem gezielt verbreiteten Irrtum befreit, lassen sich Demokratie und Kapitalismus relativ einfach beschreiben und gegeneinander abgrenzen, weil klar geworden ist, dass es sich sowohl beim Kapitalismus als auch bei der Demokratie um nichts anderes als grundverschiedene Herrschaftsformen handelt.


Die Macht der Demokratie beruht auf dem Prinzip der konsensualen Willensbildung.

In einer idealen Demokratie, in welcher die gemeinsame Suche nach den optimalen Lösungen für die gesamte Gesellschaft von verständigen Menschen betrieben wird und die gefundene Lösung aus Einsicht dann auch von den Unterlegenen mit getragen wird, wenn für eine Entscheidung (ausnahmsweise) eine Abstimmung erforderlich wurde, entsteht ein starkes Gemeinschaftsgefühl und eine starke Motivation sich für das Gemeinwesen zu engagieren, also eine wie auch immer geartete Leistung einzubringen.

Es sind weder Erpressungspotentiale noch von der Herrschaftsschicht „aus besserem Wissen“ erlassene Gesetze und Regelungen erforderlich. Es gibt in diesem Sinne keine „Herrschaft“, denn das Volk gibt tatsächlich Ziel und Richtung selbst vor.

Die auch in der Demokratie möglicherweise auftretenden Knappheiten werden nicht durch Eigentumsrechte in sprudelnde Gewinnquellen verwandelt. Stattdessen wird der optimale Umgang mit knappen Ressourcen ermittelt und darüber einvernehmlich, zur Not mehrheitlich, entschieden.

Eigentum, das in der Lage ist, direkt und indirekt Knappheiten hervorzurufen, kann in einer idealen Demokratie gar nicht entstehen, weil der Versuch ein gesamtgesellschaftliches Optimum herzustellen, scheitern muss, wenn weite Teile der nutzbaren Ressourcen dabei – aus Gründen des Eigentumsrechts – gar nicht in Betracht gezogen werden dürften. In Artikel 14 unseres Grundgesetzes scheint dieser Gedanke noch auf, wenn es in Satz 2 bestimmt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

In der Realität wird davon jedoch nur in Form der Enteignung Gebrauch gemacht, und auch nur dann, wenn das Siedlungshäuschen, in dem der kleine Mann und die kleine Frau wohnen, oder der fruchtbare Acker des Nebenerwerbslandwirts, einem Bauvorhaben von übergeordnetem Interesse zu weichen hat. (Dass dieses übergeordnete Interesse fast immer auf das egoistische Gewinn-Interesse von Eigentümern zurückführen ist, sei nur am Rande erwähnt.)

In der idealen Demokratie würde so mancher kleine Mann sein Haus behalten, während so mancher Knappheits-Erpresser mit demokratisch festgelegten Beschränkungen seiner aus dem Eigentum bezogenen Macht zu rechnen hätte.

Selbstverständlich muss auch die ideale Demokratie für Notfälle, die schnelle Reaktionen erfordern, also keine Zeit für ausführliche Diskussionen lassen, Vorsorge treffen. Dazu muss die „regierende Administration“ berechtigt werden, ihre für solche Notfälle im Vorhinein demokratisch festgelegten Kompetenzen auszuschöpfen.

Die in Deutschland lange umstrittene Notstandsgesetzgebung, die dem Staat temporär das Recht einräumt, sich über die Rechte der Bürger hinwegzusetzen, ist also im Prinzip gut und richtig. Ob sie im konkreten Fall vernünftig und angemessen gestaltet wurde, soll hier jedoch nicht behandelt werden.

 

Die Unvereinbarkeit ist offenkundig.

Stellt man beide Herrschaftsformen vergleichend nebeneinander, wird es unmöglich, sich eine kapitalistisch organisierte Wirtschaft in einem demokratisch verfassten Staat auch nur vorzustellen.

Diese Kombination muss zur Katastrophe führen, wobei die Art der Katastrophe klar vorgezeichnet ist. Der Kapitalismus wird immer obsiegen und die alleinige Herrschaft im Staat übernehmen.

Alleine wenn die Demokratie einmal anerkannt hat, dass der Kapitalismus Ressourcen unbeschränkt in Eigentum überführen können muss, um die versprochenen Ergebnisse (Wohlstand für alle, Frieden und Sicherheit, etc. pp.) auch hervorbringen zu können, hat die Demokratie verloren. Genau das erkennt die Demokratie jedoch an, wenn sie kapitalistische Verhaltensweisen überhaupt zulässt.

Denn mit jedem Quadratmeter Boden, den der Kapitalismus gewinnt, wird die Macht der Demokratie beschnitten und auf den verbleibenden, noch demokratischen Entscheidungen unterworfenen Rest beschränkt.

Dass andererseits die Demokratie den Kapitalismus besiegen könnte, wenn er in einer Gesellschaft erst einmal Fuß gefasst hat, ist nahezu ausgeschlossen. Auf jeden Versuch, Auswüchse einzudämmen, kann der Kapitalismus den Demokraten mit Vergeltungsmaßnahmen antworten.

Selbst da, wo kapitalistische Diktaturen in blutigen Revolutionen entmachtet und Volksdemokratien errichtet wurden, Südamerika bietet dafür einen ganzen Reigen von Beispielen, hat sich der Kapitalismus sein Eigentum immer wieder schnell zurückgeholt. Nicht selten hat das Kapital dabei seine Macht eingesetzt, um die eigene oder eine ausländische, dem Kapital verbundene (demokratische) Regierung zu militärischer Unterstützung der Rückeroberung bewegen zu können.