Über die Verblödung (2)

PaD 15 /2022 – Teile 1 und 2 hier als PDF verfügbar: Pad 14 15 2022 Über die Verblödung (1_2)

Über die Verblödung – Teil 2

Ein ehemaliger Lehrer schrieb mir zum ersten Teil dieses Aufsatzes:

34 Jahre war ich Lehrer, von 1974 bis 2008.

Und das an einer Hauptschule. Was Sie da geschrieben haben, ist sehr genau beobachtet und dürfte den Nagel auf den Kopf treffen. Ich konnte – und damit waren damals alle meine Kollegen(innen) einer Meinung – den Leistungsverfall der Schüler schon in der zweiten Hälfte der 70er Jahre deutlich beobachten. Und in den 80ern waren sich im Kollegium alle einig: Die Gesellschaft zerfällt, langsam aber stetig.

Die Schülergeneration, die in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre schon einen deutlichen Leistungsabfall aufwies, feiert inzwischen den 50. Geburtstag. Mit  den nachfolgenden Jahrgängen ist es nicht besser geworden, so dass wir heute etwa 30 Jahrgänge von Erwachsenen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik antreffen, von denen angenommen werden kann, dass die Mehrzahl davon mit weniger guten mentalen Voraussetzungen in das selbstverantwortete Leben gestartet ist, als der Durchschnitt jener, die schon älter, aber noch nicht im Ruhestand angekommen sind.

Dieser ehemalige Lehrer hat mir auch geschrieben, dass der negative Einfluss des Fernsehens auf die geistige Gesundheit der Bevölkerung in einer solchen Betrachtung nicht unerwähnt bleiben dürfe und mir dazu die Lektüre eines Berichts empfohlen, der diese Problematik schon 1985 deutlich angesprochen und vor den Folgen gewarnt hat. Der Titel dieses Berichts, der unter anderem auch von der ZEIT vollständig veröffentlicht wurde, lautet

„Das Fernsehen ersetzt die Zensur.“

Gerne will ich zu Beginn dieses zweiten Teils auf das eingehen, was vor inzwischen 37 Jahren schon erkannt und beschrieben war. Hier einige Zitate daraus:

  • Wenn ein Volk sich von Trivialitäten ablenken läßt, wenn das kulturelle Leben neu bestimmt wird als eine endlose Reihe von Untersuchungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsierbetrieb, wenn der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplapper wird, kurz, wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffentlichen Angelegenheiten zur Varieté-Nummer herunterkommen, dann ist die Nation in Gefahr – das Absterben der Kultur wird zur realen Bedrohung.
  • Das Kernproblem besteht dabei nicht in den Unterhaltungssendungen des Fernsehens, sondern darin, daß das Fernsehen alle Themen als Unterhaltung präsentiert und damit auch andere Lebensbereiche prägt.
  • Die Bilder wechseln, ohne daß eines von ihnen zu starken Realitäts- oder Sinngehalt gewinnt. Der „moderne“, angepaßte Mensch wechselt Auto, Haus, Wohnort, Beruf, Ehepartner ohne besonderes Aufheben. Dem entspricht genau die ideale Fernsehsendung. Sie ist weder kulturell, ethnisch, historisch oder sonst besonders profiliert, so daß sie mit geringem Adaptionsaufwand weltweit vermarktet werden kann.
  • Das Fernsehen … bewirkt Desorientierung und Verwirrung. Es macht die Zuschauer immer unfähiger, das Wirkliche vom Nichtwirklichen, das Innen vom Außen, Selbsterfahrenes von Eingetrichtertem zu unterscheiden. Es bringt den Zeit-, Orts- und Geschichtssinn durcheinander – und das Gefühl für natürliche Zusammenhänge.
  • Die Zerstörung der Wahrnehmungsfähigkeit äußert sich in Intelligenzregression, die Verdrängung personaler durch mediale Kommunikation führt aber auch zum Abbau sozialer Kontrollen, …
  • Der funktionale Analphabet kann Gebrauchsanweisungen entziffern und sich mit Hilfe hübscher Piktogramme auf der Straße zurechtfinden und vor allem wird er immer den Knopf finden, um das Fernsehgerät anzuschalten.
  • Die Lesefähigkeit der Jugendlichen ist „scharf rückläufig“, „besonders kraß“ ist der Rückgang der Zeitungslektüre, die ja alle Vorteile des Fernsehens – leichte und voraussetzungslose Konsumierbarkeit, hoher Unterhaltungswert – vermissen läßt. Der Medienkonsum entspricht der reduzierten kommunikativen Kompetenz. Insofern wird ein vermehrtes Angebot von Fernsehprogrammen, das eine lückenlose Berieselung mit Unterhaltung sicherstellt, auch – mindestens in der nächsten Generation – zu vermehrtem Fernsehkonsum führen.
  • Das Privatfernsehen der Medienkonzerne wird nicht nur keine Vielfalt schaffen, es wirkt durch den Nivellierungsdruck auf die öffentlich-rechtlichen Programme sogar kontraproduktiv. Sehr deutlich kann diese kontraproduktive Wirkung in Belgien beobachtet werden, wo über achtzig Prozent der Haushalte über Kabelanschlüsse verfügen. Die Konkurrenz der herangeführten Unterhaltungsprogramme, z. B. aus Luxemburg, und der damit verbundene Kampf um die Einschaltquoten hat zu einer Massierung von Spielfilmen und zum fast völligen Verschwinden von informativen Sendungen geführt.
  • Die Nachrichtensendungen des in Luxemburg produzierten Programms RTL-Plus entsprechen bereits der „Schönen neuen Welt“. Nachrichten im eigentlichen Sinne des Wortes kommen nur noch am Rande vor.
  • Das Medium Buch, das in den letzten Jahrhunderten den sozialen Diskurs geprägt hat, ist nur für denjenigen reizvoll und von Interesse, der längere Texte mühelos lesen kann, über Konzentrationsfähigkeit verfügt, die Sprache gut beherrscht, in der das Buch geschrieben ist, über die Fähigkeit des abstrakten Denkens verfügt, der Phantasie und den Willen zur Auseinandersetzung hat und eine gewisse Allgemeinbildung mitbringt. All dies ist in der linken Gehirnhälfte beheimatet, die durch Fernsehen verkümmern kann, jedenfalls nicht aktiviert wird.

Ich bin mir nicht sicher, ob es mir gelungen ist, aus dem vielen Beachtenswerten dieses Berichts wirklich das Wichtigste herauszuziehen. Er ist in der oben verlinkten Online-Ausgabe der ZEIT vollständig zu finden. Allerdings muss man sich registrieren.

Ich möchte noch einmal auf den Titel des Berichts eingehen. Dort wird das Fernsehen als die neue Zensur dargestellt. Es handelt sich dabei um eine Zensur, die nicht primär auf die Unterdrückung von Meinungen ausgerichtet ist, sondern um eine Zensur, in der Fakten schlicht und einfach so weit aus der Berichterstattung herausfallen, dass entweder ein blankes „Nichts“ und  eventuell ein gerade noch erkanntes „Nichtwissen“ entstehen, oder dass die wenigen Informationen, die das Fernsehen zu jenen Themen liefert, die von großem allgemeinen Interesse sind und eigentlich den Wählerwillen massiv beeinflussen sollten, alle in die eine, gleiche Richtung weisen und durch ein intelligentes Framing und emotionalisierende Bilder jenen Mobilisierungseffekt in die jeweils gewünschte Richtung hervorbringen, der von den „Medienschaffenden“ angestrebt wird.

1985, als dieser Bericht geschrieben wurde, waren diese Tendenzen noch lange nicht so weit fortgeschritten wie heute. Wer sich heute um 20.15 Uhr vor den Fernseher setzt und die Tagesschau konsumiert, erfährt im Grunde überhaupt nichts mehr, was ihm helfen könnte, die Ereignisse von denen berichtet wird, zu verstehen und einzuordnen. Gipfel, welcher Art auch immer, schrumpfen auf Gruppenbilder der Teilnehmer zusammen, garniert mit Vermutungen, was wohl besprochen werden könnte. Auslandskorrespondenten stehen irgendwo auf der Straße vor der Kamera oder vor einer per Bluescreen eingeblendeten Kulisse und erzählen mit drei bis vier Sätzen absolut nichts. Passanten auf der Straße werden vor Mikrofon und Kamera geholt, um die Meinung der Bevölkerung einzufangen. Gesendet werden die Stimmen, die das gewünschte Narrativ bedienen, nicht anders als in den Talkshows, wo eine einzelne Gegenstimme von Moderation und zustimmenden Gästen regelmäßig niedergemacht wird.

Das muss nicht weiter ausgeführt werden. Wer diesen Text liest, ist mit der Situation einigermaßen vertraut. Es gilt jedoch, aus dieser Situation heraus eine Frage zu stellen, eine „Henne-Ei-Frage“:

Ist das Fernsehen wie es ist, weil es damit den Wünschen des Publikums nachkommt, oder findet sich das Publikum mit schlechten Sendungen ab, weil es nichts Besseres gibt? Aus dieser Frage gibt es  kein Entkommen. Der Verdacht, beide Aussagen könnten richtig sein, ist kaum zu entkräften.

Die Frage baut jedoch, das Publikum betreffend, auf einer Scheinalternative auf. Es besteht ja keine Fernsehpflicht, bei der nur die Wahl zwischen verschiedenen Sendern und Programmen besteht. Es gibt eine schier unendliche Zahl an Beschäftigungen, denen man in seiner Freizeit nachgehen könnte, anstatt fernzusehen.

 

Der negative Einfluss des Fernsehens ist real. Es gibt Menschen, die auf das Fernsehen verzichten und den Fernseher längst ausgemustert haben, solche sind jedoch immer noch eher selten, obwohl die unterirdische Qualität des Fernsehprogramms in so ziemlich jedem Small-Talk ein Thema ist, das gleich  nach dem Wetter kommt.

Mit der allgemeinen Verfügbarkeit des Internets und einer nicht mehr zählbaren Masse unterschiedlichster Angebote, übrigens auch von Zeitungsverlagen und Sendeanstalten, hat sich der Medienkonsum verändert. Soziale Netzwerke simulieren Kommunikation, ja sogar Freundschaften unter Menschen ähnlicher Interessen, sind also zum Ersatz für Stammtisch und Kaffeekränzchen geworden.

Alternative Medien der so genannten Blogosphäre vermitteln Informationen, und vor allem Meinungen, die in den „seriösen Medien“ nicht auftauchen. Aber auch Obskures über die Geheimnisse der Pyramiden, die Flugscheiben der Nazis und reptiloide Außerirdische, die seit langer Zeit die Herrschaft über die Erde angetreten haben, fesselt die Aufmerksamkeit. Der schnell gewachsene, Internet-basierte Versandhandel hat das Einkaufen erleichtert, wozu auch Ratgeber-Seiten, Vergleichsportale und Bezahldienste erheblich beigetragen haben. Last, but not least: Das Internet hat den jederzeitigen Konsum von Pornografie aller Härtegrade an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr und an jedem Ort der Welt so einfach gemacht, wie nie zuvor.

Insofern ist das Internet für viele Nutzer im Grunde nur eine nützliche Erweiterung des Fernsehens, mit zusätzlichen Funktionen und der Illusion eines Freiheitsgewinns, der darin besteht, in einem – gegenüber dem Fernsehen – scheinbar unendlich großem  Angebot bei freier Wahl der Nutzungszeit nach Belieben auf Entdeckungsreise gehen zu können. Hinzu kommen Millionen von Apps, mit deren Hilfe jede noch so triviale Tätigkeit, wie z. B. das Öffnen der Jalousien, vom Handy aus in Gang gesetzt werden kann, oder mit deren Hilfe das körperliche Wohlbefinden wirklich erst dann für wahr gehalten und genossen werden kann, wenn die Sensoren der Smart-Watch eine ausreichend befriedigende Ergebnisanzeige auf Smartphone, Laptop oder PC hervorbringen.

Der Mensch interagiert nicht mehr mit der realen Welt. Er interagiert nur noch mit Simulationen der Welt, ja, in bestimmten Bereichen, wie z.B. bei der Fitness-Watch, interagiert er nicht einmal mehr mit sich selbst, reagiert nicht auf die Signale des eigenen Körpers, sondern nutzt eine auf wenige Kriterien beschränkte Simulation seines Körpers, um festzustellen, wie es ihm gerade geht.

Ausgefeilte Technik, fotorealistische, in Echtzeit generierte Szenen auf dem Bildschirm lassen die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, wenn der Mensch den Flugsimulator anwirft, sich per Mausklick ein Flugzeugmodell und den Startflughafen aussucht, zur Startbahn rollt und dann abhebt. Je nach der Fehlertoleranz der Simulation wird er es ihm auch früher oder später gelingen, den Flieger am Zielflughafen sicher auf der Landebahn aufzusetzen. Ein spannendes Spiel. Da stellt sich doch die Frage, warum Verkehrspiloten eine jahrelange Ausbildung benötigen, bevor sie erstmals als Kapitän die Verantwortung für einen dieser Riesenvögel übernehmen dürfen.

Da ist sie wieder. In voller Schönheit.

Die Verblödung.

Der spielende Mensch verwandelt sich selbst in die Simulation eines Piloten und gewinnt dabei die Überzeugung, Pilot zu sein. Käme es nicht zu dieser Überzeugung, niemand würde immer wieder den Flugsimulator starten.

Über die vielen Ballerspiele, die am PC oder per Game-Controller am Fernseher gespielt werden können, will ich gar nicht schreiben. Sie sind vom Ansatz her noch viel primitiver und bringen doch mit jedem liquidierten Angreifer immer wieder neue „simulierte“ Erfolgserlebnisse mit sich. Reaktionsschnelle Fingerspitzen simulieren Kraft und Kampftechniken. Mehrmaliges Durchlaufen eines Levels mindert die Zahl der überraschend auftretenden Probleme, so dass irgendwann ein simuliertes Szenario so gut eingeübt ist, dass sich das Tor zum nächsthöheren Level öffnet, innerhalb dessen wiederum Fähigkeiten eingeübt und erworben werden, die für nichts anderes taugen, als in genau diesem Spiel über die Runden zu kommen.

Der Erwachsene unserer Zeit ist anfällig dafür, in kindliche Verhaltensmuster zurückzufallen. Wir wissen, dass Kinder sich die Welt im Spiel erschließen, wobei das Spiel oft darin besteht, die Welt der Erwachsenen, oder zumindest bestimmte Aspekte daraus, im Spiel zu simulieren. Das Hantieren mit Bausteinen vermittelt spielerisch, und ohne so wahrgenommen zu werden, sehr viel grundsätzliches Wissen über die Konstruktionsprinzipien unterschiedlichster Bauwerke – vom steil aufragenden Turm bis zur langgestreckten Brücke – es lässt Erfahrungen mit Optimierungsprozessen entstehen, die vom zweckmäßigen Einsatz beschränkter Ressourcen bis hin in die Anfangsgründe der Statik reichen. Diese nützlichen, im Spiel erworbenen Erkenntnisse, werden lebenslänglich genutzt. Aber nicht nur, wenn der kleine Baumeister eines Tages tatsächlich als Architekt arbeiten sollte, sondern auch bei vielen anderen, im ganz normalen Leben immer wieder auftauchenden Situationen und Aufgaben wird daraus unbewusst Wissen abgerufen und für Entscheidungen verwendet. Triviales Beispiel: Intuitiv optimales Verstauen des Urlaubsgepäcks im Kofferraum.

Der Erwachsene, der sich stundenlang am Ego-Shooter vergnügt, erwirbt dabei weder Wissen noch Erfahrungen, die außerhalb dieses Spiels nützlich wären. Er vertreibt sich nur die Zeit.

Damit taucht wieder die schon im ersten Teil besprochene Ursache der Verblödung auf: Jene Langeweile, die entsteht, wenn der Mensch durch nichts zu nichts zu motivieren ist, außer eben sich diese Langeweile irgendwie zu vertreiben, den Tag irgendwie herum zu bekommen, ohne eine eigene Initiative in der realen Welt zu entwickeln.

Diese Langeweile, so wurde es im ersten Teil dargelegt, ist die Folge einer Erwartungshaltung, die darauf abzielt, durchgehend versorgt und bespaßt zu werden.

Spätestens mit dem Eintritt ins Berufslebens ist ein großer Teil der Wachzeit jedoch damit angefüllt, einer relativ monotonen Beschäftigung nachzugehen und dabei den Anweisungen von „Vorgesetzten“ zu folgen, die zugleich das Arbeitsergebnis kontrollieren und bewerten. Damit wird der Wunsch nach Versorgung und Bespaßung in die Freizeit gedrängt und wirkt dort nun umso intensiver.

Die allermeisten Jobs sind für diejenigen, die sie ausüben, vollkommen sinnleer, sieht man davon ab, dass sie sich damit das Geld für den Lebensunterhalt verdienen.

In der Regel werden einmal eingeübte Handlungsmuster einfach nur immer wieder wiederholt. Das trifft die Kassiererin an der Supermarktkasse ebenso, wie den Arbeiter am Fließband, es trifft für den Post- und Paketzusteller zu und für den Bäckergesellen, der die Frühstücksbrötchen in den Ofen schiebt.

Für einige Gruppen von Beschäftigten gibt es Handlungsalternativen, so dass, je nach Lage des Falles, andere Routinen abgespult werden. Der Kfz-Mechatroniker, der am Morgen einen Auspuff erneuert, danach eine Achsmanschette ersetzt und am Nachmittag eine neue Zylinderkopfdichtung einsetzt, macht zwar, übers Jahr gesehen, doch immer wieder das Gleiche, aber jeder Tag ist etwas anders. Das gilt auch für den Sachbearbeiter in der Baubehörde, der höchst unterschiedliche Bauanträge daraufhin überprüft, ob sie dem geltenden Baurecht entsprechen. Er wird immer wieder eine andere Bestimmung finden, gegen die der Antrag verstößt, und von der Garage bis zur Lagerhalle wird alles Mögliche über seinen Schreibtisch laufen. Auch der Sachbearbeiter in der Leistungsabteilung einer Versicherung wird mit unterschiedlichsten Schadensfällen konfrontiert, kann darauf aber eben nur nach dem Regelwerk seines Arbeitgebers reagieren.

Ob man diese Beschäftigten nun Fachkräfte nennt, oder Spezialisten, spielt keine Rolle. Ihr Arbeitsalltag ist eintönig, ihr Handlungsspielraum ist eng begrenzt, der eigene Beitrag zum Produkt oder zur Dienstleistung ist immer nur ein Bruchteil des Ganzen und oft nach der Erledigung schon gar nicht mehr zu erkennen.

Bei allen Berufen mit solchen Handlungsmustern stellt sich spätestens nach drei Jahren, wenn man alles, was vorkommen kann, schon mehrmals gesehen hat, ein Gefühl der Unzufriedenheit ein. Der Job „erfüllt“ den Menschen nicht, er lässt ihn jeden Abend leer zurück, und dafür will der Mensch irgendwie entschädigt werden. Dafür hat er jetzt Freizeit, Feierabend. Jetzt will er versorgt und bespaßt werden.

Das ist nicht einfach, denn die frei verfügbaren Euros, die übrig bleiben, wenn die Miete, die Raten und die Versicherungen bezahlt und der Kühlschrank und der Tank gefüllt sind, reicht nicht weit, in Bezug auf Bespaßung. Außerdem muss man am nächsten Tag früh wieder raus. Das Ergebnis ist mit einem Drink und salzigen oder süßen Snacks auf der Couch vor dem Fernseher zu bestaunen.

Es kulminieren hier mehrere ungünstige Entwicklungen zu einem einzigen Desaster.

  • Der Berufsalltag ist öde, die Entfaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sind beschränkt, der eigene Beitrag zum Arbeitsergebnis ist nicht wirklich sichtbar und verschafft kein Erfolgserlebnis. Hier entstehen weder Inspiration, noch Motivation.
  • Die Situation im Job verlangt nach einer „Entschädigung“, bzw. „Belohnung“. Dafür steht nur die Freizeit abends und an den Wochenenden zur Verfügung.
  • Die typischen Wohnungsgrößen und -zuschnitte lassen es in der Regel nicht zu, zu Hause einem gestaltenden Hobby nachzugehen. Freizeit findet also entweder auf der Couch, oder außerhalb der Wohnung statt. Außer Haus kommen witterungsabhängig unterschiedliche Möglichkeiten in Frage, die vom kostenlosen Spaziergang oder der Jogging-Runde über die Mitgliedschaft im Sportverein oder Fitness-Studio bis zum Hinzuverdienst per Schwarzarbeit oder eben zum Absacker in der Kneipe reichen.

Über diesen „Horizont“ hinaus werden praktisch keine Informationen aus der übrigen Welt aufgenommen. Es sei denn, die Propaganda-Maschine arbeitet so intensiv, dass ihr kein Mensch mehr entkommen kann.

Was ankommt, wird in der Regel unreflektiert – nicht selten mit Stolz über den Wissenszuwachs – in das eigene Welt- und Meinungsbild eingebaut. Um darüber nachzudenken und zu eigenen Erkenntnissen zu kommen, fehlt es praktisch an allem. An einem hinreichenden Allgemeinwissen, an der Kenntnis der politischen Entwicklungen der letzten Jahre, am Zugang zu kritischen Stimmen, und an der Motivation, sich näher damit zu beschäftigen. Schließlich gibt es dafür Experten – und denen zu misstrauen, das würde einen Rattenschwanz an Aufwand nach sich ziehen, da müsste man recherchieren, ohne zu wissen wo …

Nein. Einfacher ist es, sich so zu verhalten wie alle, nämlich zu glauben und diesem Glauben folgend zu handeln.

 

Es gibt aber noch einen Einflussfaktor, der den Trend zu Verblödung verstärkt.

Das ist die Orientierungslosigkeit des Normalbürgers in der komplexen Welt der Spezialisten. Natürlich konnte nie ein einzelner Mensch alles Wissen seiner Zeit im Kopf haben. Auch Leibniz nicht.

Allerdings war die Welt und ihre Funktionsweise bis vor wenigen Jahrzehnten noch leichter zu erkennen und zu verstehen.

Ein mechanisches Türschloss konnte – und kann auch heute noch – jeder ausbauen, öffnen, hineinschauen und praktisch auf einen Blick erfassen, wie es funktioniert. Mit den Zylinderschlössern ist es etwas schwieriger, sie zu öffnen, dafür gibt es Zeichnungen, die verstehen lassen, wie diese Art von Schluss funktioniert. Ein Nachbau ist mit entsprechendem Werkzeug kein Problem.

Eine Kanone, ein Gewehr, eine Pistole sind in ihrer Gestalt und Funktionsweise nach wie vor leicht zu erfassen, auch wenn die Lanze und Pfeil und Bogen noch offenkundiger verrieten, wozu sie gebraucht wurden und wie sie funktionierten.

Eine Video-Gegensprechanlage mit Türöffner-Funktion kann vom Laien nur noch grob in Kamera, Bildschirm, Mikrofon, Lautsprecher, Klingelkontakt und Türöffner aufgelöst werden, doch ist das Prinzip der Digitalkamera so weit vom Wissen des Normalbürgers entfernt, dass er nie in der Lage wäre, diese nachzubauen. Auch die Elektronik, die Bild und Ton und Klingelsignal und Türöffner zu einer funktionsfähigen Einheit zusammenbringt, ist für den Laien ein Buch mit sieben Siegeln, das er auch, wenn er die Gehäusedeckel öffnet und alles ganz genau inspiziert, niemals lesen können wird.

Dabei handelt es sich bei diesen Systemen noch um ziemlich einfache, überschaubare Technik, schon im Vergleich zu einem handelsüblichen Smartphone und dessen Verbindung ins Internet. Oder ein SSD-Speicher? Wie funktioniert der?

Moderne Waffentechnik? Vernetzte Systeme auf dem Battlefield? Alles Dinge, die nur noch wenige Spezialisten wirklich verstehen, während der Laie ihre Geheimnisse auch mit größter Neugier und Ausdauer nicht mehr zu entschlüsseln in der Lage ist.

Wir fallen also zurück in die Rolle unmündiger Beobachter einer Welt, die, bis tief in die Biologie hinein (Gentechnik), von der Technik geschaffen und gestaltet ist. Unsere Kenntnisse über diese Technik und Techniken sind allenfalls rudimentär, meist überhaupt nicht mehr vorhanden. Wir kennen von vielen Dingen, die wir täglich nutzen, nur noch die „Benutzeroberfläche“, wissen aber nicht was sich hinter dem Touchscreen verbirgt, ja nicht einmal, wie diese Oberfläche dazu kommt, die Berührung mit unserer Fingerspitze in eine gewünschte Aktion umzusetzen.

Wir sind sozusagen auf Anfang.

Weil uns die Welt, die uns umgibt, immer unerklärlicher wird, haben es die Propheten, die vorgeben mit den Göttern, die das alles geschaffen haben, in Kontakt zu stehen, so leicht, unser Verhalten zu manipulieren.

Der moderne Ablasshandel, der die Kassen der neuen Priesterkaste füllt, ist allgegenwärtig.

Wir glauben heute nicht mehr, dass die Seele in den Himmel springt, sobald das Geld im Kasten klingt, aber wir glauben, dass uns ein kleiner Pieks von der Erbsünde Corona reinwaschen kann. Wir glauben, in Deutschland zu frieren, brächte den Frieden für die Ukraine. Wir glauben an das offenkundig Unmögliche, nämlich unsere moderne Gesellschaft mit Strom aus Windkraftanlagen und Solarpanelen nicht nur sicher, sondern sogar preiswert betreiben zu können, weil wir glauben, wir hätten die Erde durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe an einen Kipppunkt gebracht. Früher wurde gepredigt, der Weltuntergang oder das Jüngste Gericht stünden bevor – heute haben die schlimmen Prophezeiungen die gleiche Wirkung.

Kants Aufruf: „Sapere Aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, ist weitgehend wirkungslos verhallt, während die Neigung den „Anführern und Vorbetern“ blind zu folgen, das Kennzeichen der Mehrheiten im Lande ist, die sich auch noch stolz und einzig darauf berufen, „mehr“ zu sein.

Wenn man das Ausmaß der Verblödung ermessen will, muss man sich nur jene Figuren ansehen, die ihre apokalyptischen Wahnideen in die Welt plärren und Opfergaben und Buße einfordern.

Warum neigen wir dazu, ihnen zu glauben? Was haben Sie vorzuweisen, was sie dafür qualifizieren würde?

 

Teil 3 folgt nächste Woche.