Korinthenkackers Triumphgeheul

Was ist eine Alternative?

Es ist gut vierzig Jahre her, dass ich das lernen musste.

Unser Team hatte ein Konzept für die Umgestaltung eines größeren Organisationsbereiches erarbeitet. Ich präsentierte die von uns präferierte Lösung, wohl wissend, damit auf den Widerstand der verantwortlichen Platzhirsche zu stoßen, und war entsprechend vorbereitet. Als dann dieses: „Das ist ja vollkommen unrealistisch!“, im Raum stand, meinte ich, vermeintlich clever reagierend: „Nun, wir wissen, dass Sie gegen diesen radikalen Umbau Einspruch erheben würden und haben daher auch Alternativen vorbereitet, die schon heute gangbar sind, ohne damit den Weg der Weiterentwicklung zu verbauen.“

Da war er dann, der Korinthenkacker.

„Bevor Sie uns belehren wollen, Herr … äh … Kreutzer, sollten Sie vielleicht erst einmal lernen, sich klar auszudrücken. Alternativen, also den Plural von Alternative, gibt es nicht …“

Gelächter.

Schlagfertig und frech, wie ich damals war, führte ich aufs Thema zurück, indem ich sagte: „Gut. Sprechen wir also nicht von Alternativen, sondern von Varianten, und am besten gleich von Variante 1. Hier haben wir …“

Die Präsentation ging weiter und mit dem Ergebnis waren wir am Ende sehr zufrieden. Nur ich war wütend. Was war das, mit den Alternativen? Erst der Duden, Band 5, „Das Fremdwörterbuch“, belehrte mich, dass der Korinthenkacker formal vollkommen im Recht war. Dort wird ausgeführt:

 

Die Alternative ist also entweder die Bezeichnung für die Entscheidungssituation, im engeren Sinne zwischen zwei (!) Möglichkeiten, im weiteren Sinne zwischen mehreren Möglichkeiten, oder die Bezeichnung für die im engeren Sinne verfügbare, zweite Möglichkeit.

Innerhalb einer Entscheidungssituation kann es nicht mehrere Alternativen geben, weil die Entscheidungssituation entweder selbst die Alternative ist, oder eben nur eine, die zweite Möglichkeit, als Alternative bezeichnet werden kann.

Überträgt man dieses, vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Korinthenkackerwissen auf die „Alternative für Deutschland“, dann wird deutlich, dass hier nur jene Interpretation möglich ist, die der ersten, der im Duden unter b) angeführten Erklärungen entspricht.

Die AfD sieht sich folglich als
„die zweite, andere Möglichkeit“.

Die sofort aufkommende Frage, ob sich die AfD damit richtig sieht, oder ob es sich lediglich um eine aus einer Vielzahl von Varianten handelt, soll hier, um der Wahrheitsfindung willen, erst einmal zurückgestellt werden.

Stattdessen regt die Korinthenkackerei dazu an, die „erste, andere Möglichkeit“ näher zubetrachten und dabei zumindest so zu tun, als stünden wir vor der unabdingbaren Notwendigkeit (Alternative), uns für eine von beiden zu entscheiden.

Diese erste andere Möglichkeit ist uns vertraut wie unser Wohnzimmer. Wir bewegen uns darin wie die Fische im Wasser. Kennen den Wohlfühlbereich auf der Couch und weichen den harten Kanten, von denen es natürlich auch genug gibt, gewohnheitsmäßig aus. Und sollten wir uns doch einmal versehentlich an einer offenen Schranktür den Kopf anstoßen, dann rechnen wir das nicht der Schranktür zu, sondern unserer eigenen Ungeschicklichkeit. Dass es gar nicht mehr unser Wohnzimmer ist, sondern unser Platz im Senioren- und Pflegeheim, in dem Ursula von der Leyen als Heimleiterin die Hausordnung bestimmt, während Christine Lagarde unser Geld verwaltet, haben wir hingenommen, als wir dort eingezogen sind. Wer die Gesellschafter unserer „Seniorenglück-Residenz GmbH“ sind, die kräftig darin investiert haben und nun natürlich eine Rendite erwarten, haben wir nie hinterfragt. Warum auch? Das ist schließlich überall so. Wir haben eingesehen, dass es besser ist, wenn jemand für uns da ist und uns alle lästigen Aufgaben abnimmt, für die unsere physischen und geistigen Kräfte nicht mehr ausreichen. Außerdem dürfen wir uns hier geschützt und sicher fühlen. Von allen Übeln der Außenwelt werden wir, so gut es geht, abgeschirmt. Da müssen wir uns keine eigenen Gedanken mehr machen. Natürlich kommt es vor, dass sich, gerade unter den Neuzugängen, immer wieder jemand befindet, der meint, an allem herumnörgeln zu müssen. Schrecklich, diese Leute! Aber dafür haben wir wirklich aufmerksame Pfleger. Querulanten werden zur Eingewöhnung in den neuangebauten Flügel verlegt, der von unserem Wohnbereich durch eine dicke Brandmauer abgetrennt ist. Da hört und sieht man dann nichts mehr von ihnen. Ein bisschen ungemütlich ist es in letzter Zeit schon geworden. Es wird nicht mehr richtig geheizt, aber man hat uns großzügig weiche Decken aus hundert Prozent Polyester angeboten. Das war nicht billig, ist aber besser als nichts. Mit dem Essen ist es auch so eine Sache. Wir alten Leute brauchen ja nicht mehr so viel, um satt zu werden. Nun sind die Portionen halbiert und die Preise verdoppelt worden. Natürlich muss  keiner verhungern. Jeder kann sich von seinem Taschengeld einen Beilagen-Nachschlag kaufen. Nachts wird das Licht jetzt schon um acht Uhr ausgeschaltet. Manche unter uns munkeln, das habe nichts damit zu tun, dass man  unseren Heil- und Gesundheitsschlaf nicht durch helle Beleuchtung stören will, sondern damit, dass Energie gespart werden müsse, nicht nur weil sie knapp, sondern vor allem auch, weil sie zu teuer geworden sei. Die sollen sich mal nicht von Pfleger Haldenwang erwischen lassen. Der hört das gar nicht gerne, wenn solche Gerüchte gegen die Heimleitung in Umlauf gesetzt werden. Aber glücklicherweise haben wir ja unsere Selbstreinigungstruppe. Da heißt es dann schon einmal „Code Red“, und dann wird den Schwurblern das Hass- und Hetzegerede schon ausgetrieben. Die haben da so ihre Methoden.

Ja. Diese Methoden.

Boris Reitschuster will auf Indymedia die Privatadressen aller Abgeordneten der AfD gesehen haben. Inzwischen sei die Liste aber nicht mehr online. Außerdem will er neben dieser Liste kaum verschlüsselte Aufrufe wahrgenommen haben, den Abgeordneten an ihren Privatadressen aufzuwarten. Im Pflegeheim, wo nur „richtige“ Medien empfangen werden können, habe man davon nichts mitbekommen, schreibt Boris Reitschuster. Jedenfalls will er uns mitteilen, dass eben auch die Antifa und ihre robusten Methoden in der vor uns stehenden Alternative zur Möglichkeit 1 gehören.

Damit ist es höchste Zeit, die Alternative in das aufzulösen, was bekömmlicher ist, nämlich in Varianten.

Ein Blick in den Deutschen Bundestag, also quasi auf die höchste Ebene der Unterscheidbarkeit, zeigt die möglichen Varianten auf.

SPD, Grüne, FDP – die aktuelle Variante – 49 Sitze über 368
Union, SPD – die lange bewährte und wieder mögliche Variante – 36 Sitze über 368
Union, Grüne und FDP – die ebenfalls mögliche Variante – 39 Sitze über 368

Damit kommt der Duden Band 5 wieder ins Spiel. Alternative = (…); b) (…); Möglichkeit des Wählens zwischen zwei oder mehreren Dingen.

Sie sehen, Varianten gibt es nur in Bezug auf die Möglichkeit 1.

Die Möglichkeit 2 ist rein fiktiv.

Die Idee, es gäbe eine Alternative zu Möglichkeit 1, fußt auf einem Irrtum. Es handelt sich folglich um „fake news“. Wer solche verbreitet, kann nicht  auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Ein Verbot der AfD dient also nicht nur der Demokratiehygiene, es muss genauso auch als Schutz der AfD-Abgeordneten verstanden werden, die damit – bei anschließendem Wohlverhalten – nicht länger von besorgten Mitgliedern der Antifa betreut werden müssen. Es gibt in diesem Lande schließlich noch viel mehr zu tun.