Energie-Hunger-Katastrophe 2022/23

PaD 24 /2022 – Hier auch als PDf verfügbar: Pad 24 2022 Energie-Hungerkatastrophe 2022 23

Angst war gestern. Heute herrscht Gewissheit.

Die Situation Deutschlands am heutigen 16. Juni 2022 könnte am Anfang des Drehbuchs eines Katastrophenfilms von Stephen Spielberg stehen. Erste Signale des drohenden Fiaskos zeigen sich, warnende Stimmen verlangen sofortige  Maßnahmen, doch Regierung und Medien beschwichtigen, wichtige Wissenschaftler geben Entwarnung. Alles Hirngespinste, Verschwörungserzählungen.

„Da ist nichts dran. Kein Grund zur Panik. Sie wissen doch: Wenn da auch nur der geringste Anlass zur Sorge bestünde, dann würden wir doch handeln. Ein bisschen Sparsamkeit kann allerdings nicht schaden. Das schadet Putin und hilft dem Klima.“

Wir können wirklich beruhigt sein, was den kommenden Winter betrifft. Schließlich hat die Regierung schon Ende März ein Gesetz beschlossen, verabschieden und in Kraft setzten lassen, das festlegt, dass die deutschen Gasspeicher am 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Warum die Ampel nicht gesetzlich festgelegt hat, dass die Tiefsttemperaturen in Deutschland zwischen Oktober 2022 und Mai 2023 an keinem einzigen Tag unter 11 Grad Celsius sinken dürfen, womit ja nicht das Sekundärziel der sicheren Gasversorgung, sondern, ohne jeden intellektuellen Mehraufwand, direkt das primäre Ziel der Reduzierung des Energiebedarfes hätte erreicht werden können, erschließt sich dem einfachen Gemüte nicht.

Ebenso unerklärlich erscheint mir die Aussage des Herrn Michael Keller, grüner Energieexperte und Adlatus des Ministers für Klimaschutzwirtschaft, der – wie die WELT berichtet – nach der Mitteilung von Gazprom, dass wegen der von Kanada verhängten Sanktionen täglich nur noch 100 statt 167 Millionen Kubikmeter Erdgas über North Stream 1 nach Deutschland geleitet werden können, vollmundig erklärte, die Einspeicherung von Gas müsse deshalb vorangetrieben werden.

Da übe ich mich jetzt in der korrekten Anwendung des Genitivs und frage: „Die Einspeicherung welchen Gases, Herr Keller?“

Das Gas, das gebraucht würde, um die Speicher aufzufüllen, ist schlicht nicht verfügbar.

Für alle, die es genau wissen wollen, die Berechnung zu dieser Aussage:

Mit Stand 14. Juni 2022 waren die deutschen Gasspeicher zu 55,95 gefüllt und enthielten damit eine Energiemenge von 134,261 Terrawattstunden, was einem Volumen von rund 13,3 Milliarden Kubikmetern entspricht.

Vom 14. Juni bis zum 1. November gibt es noch 139 Tage lang Gelegenheit, die Gasspeicher aufzufüllen. Zwischen 55,95 Prozent Füllstand und 90 Prozent Füllstand besteht eine Differenz von 8,1 Milliarden Kubikmetern. Es müssten also täglich 58 Millionen Kubikmeter eingespeist werden.

Das sah bis zum 14. Juni auch noch gut aus. Fast 89 Millionen Kubikmeter konnten an diesem Tag noch in die Speicher gepresst werden. Mit der Reduktion der Gaslieferungen über North Stream 1 auf 100 Millionen Kubikmeter pro Tag, waren dafür (Verbrauchsschwankungen unberücksichtigt) nur noch 27 Millionen Kubikmeter verfügbar. Damit wäre noch ein Füllstand von knapp 75 Prozent erreichbar gewesen. Im Vertrauen auf einen weiteren, klimawendebedingten milden Winter, war das die letzte Chance mit einem blauen Auge davonzukommen.

Der Hammer kam allerdings einen Tag später, als Gazprom ankündigte die Kapazität von North Stream 1 auf 67 Millionen Kubikmeter pro Tag zurückfahren zu müssen, weil eine zweite Turbine zur Gasverdichtung entsprechend der Wartungsvorschriften außer Betrieb genommen werden muss.

Das heißt im Klartext, dass zur Aufrechterhaltung der Gasversorgung die Speicher nicht mehr gefüllt werden können, sondern dass stattdessen täglich 10 bis 11 Millionen Kubikmeter entnommen werden müssen, und dies – spätestens ab September wegen der dann wieder arbeitenden Gasheizungen – mit steigender Tendenz. Weshalb zum 1. November ein Füllstand zwischen 40 und 45 Prozent als realistisch angenommen werden muss.

Natürlich wird der Bundesminister für Klimaschutzwirtschaft alles in seinen Kräften stehende tun, um diese Versorgungslücke mit Flüssiggas (LNG) auszugleichen. Schließlich stehen die 90 Prozent Füllstand im Gesetz. Das wäre doch gelacht.

Abgesehen davon, dass die LNG-Tanker, die für die zusätzlichen Transporte erforderlich wären, noch nicht vom Stapel gelaufen sind, und abgesehen davon, dass alle LNG-Produzenten ihre Kapazitäten fast vollständig in sehr langfristigen Verträgen ihren nichtdeutschen Abnehmern zugesichert haben, ist in diesen Tagen ein weiteres Ereignis eingetreten, über das sich die Erdgasverbraucher in den USA freuen.

Dort ist der Preis für Erdgas nämlich auf einen Schlag (und das darf wörtlich genommen werden) um 16 Prozent gesunken. Klingt gut. Aber nicht für die Europäer.

Die Anlage zur Verflüssigung von Erdgas des US Unternehmens „Freeport LNG“, die ungefähr ein Sechstel des gesamten in den USA produzierten LNG-Volumens herstellte, ist nach einer Explosion in der Anlage für voraussichtlich drei Monate vollständig ausgefallen und wird frühestens Ende des Jahres wieder die volle Kapazität nutzen können.

Freeport LNG hat täglich 2 Milliarden Kubikmeter Natural Gas in LNG verwandelt.

Korrektur:

Freeport LNG hat täglich 2,2 Milliarden Kubikfuß – enstpricht etwa 62 Millionen Kubikmeter – Natural Gas in LNG verwandelt.

Diese Menge steht nun auf dem US-Erdgasmarkt zusätzlich zur Verfügung und drückt dort die Preise. Das nun fehlende, von Freeport LNG überwiegend für den europäischen Markt produzierte Flüssiggas, reißt eine zusätzliche Lücke in die Energieversorgung Europas, was die Entleerung auch der deutschen Gasspeicher bis zum Ende des Jahres noch beschleunigen wird.

 

Die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten.

Diese Katastrophe hat zwei unzertrennbar mit einander verbundene Komponenten. Einmal den echten, nicht behebbaren Energiemangel, zum anderen die Preisexplosion, die sich vom Energiesektor aus in Windeseile auf die gesamte Wirtschaft ausbreiten wird.

Natürlich könnte die betriebsbereite und seit Monaten mit Gas gefüllte Ostseepipeline North Stream 2 in Betrieb genommen werden und dem Gasmangel ein Ende bereiten. Natürlich könnten die drei Ende 2021 abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke wieder angefahren werden, natürlich könnte die geplante Abschaltung der letzten drei in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke noch verhindert werden. Natürlich könnte die Versorgung ganz Ostdeutschlands mit Benzin, Diesel und Heizöl gesichert bleiben, wenn die Raffinerie in Schwedt weiterhin russisches Rohöl verarbeiten dürfte.

Doch noch ist der politische Wille dazu nicht erkennbar.

Wussten Sie – das nur am Rande – dass die vorstehend genannten sechs deutschen Kernkraftwerke ausreichen würden, um den Bau von 25.000 Windkraftanlagen überflüssig zu machen? Diese Frage stellte Hans Ambos, ein Mann, der wirklich weiß, wovon er spricht, in einem offenen Brief an Robert Habeck, den ich hier bei Klaus Peter Krause gefunden habe.

Die Kernkraftwerke sollen abgeschaltet werden, bzw. abgeschaltet bleiben, russisches Öl soll schnellstmöglich aus dem deutschen Primärenergiemix verschwinden und North Stream 2 darf unter keinen Umständen in Betrieb genommen werden.

Wenn es dabei bleibt, und darauf sollten wir uns vorbereiten,

  • wird die Prämisse: Die Haushalte haben Priorität bei der Gasversorgung nicht zu halten sein. Am Gas hängt die Chemieindustrie, am Gas hängt die Düngemittelindustrie, am Gas hängen viele andere Industriebetriebe, in denen Gas zur Erzeugung von Prozesswärme genutzt wird, am Gas hängt nicht zuletzt auch die Stabilität des Stromnetzes, das darauf angewiesen ist, dass bei geringer Leistung von Wind und Sonne unmittelbar Gaskraftwerke anspringen.
  • Es wird zwangsläufig dazu kommen, dass die Gasversorgung der Haushalte stark eingeschränkt wird. Wohnungstemperaturen von 15 Grad Celsius in Wohnräumen, 7 Grad Celsius in Schlafräumen, Bäder und Küchen, werden das Maximum sein, was mit den zur Verfügung gestellten Gasrationen an Heizleistung genutzt werden kann. Die Information der Bevölkerung über die  Zeitfenster in denen in welchen Regionen Gas fließt, wird über den Rundfunk und das Internet erfolgen. (Wecker stellen, damit um 03.30 Uhr die Gasheizung für eine Stunde angeworfen werden kann! Nächster Termin: 15.30 Uhr.)
  • Es wird zwangsläufig ebenso dazu kommen, dass der Strom rationiert werden muss, dass  also geplante Abschaltungen stattfinden werden, wenn der Blackout vermieden werden soll.
  • Es wird trotz all dieser Maßnahmen dazu kommen, dass viele energieintensive Unternehmen den Betrieb einstellen, unter Umständen auch Insolvenz anmelden müssen, weil die gestiegenen Kosten nicht mehr an die Konsumenten weitergegeben werden können, weil deren Budget durch die Energiekosten schon so weit belastet ist, dass jeder irgendwie vermeidbare Einkauf auch vermieden wird.
  • Es wird trotz aller dieser Maßnahmen zu einem  gigantischen Einbruch im Export kommen, weil Erzeugnisse aus deutscher Produktion auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig angeboten  werden können.
  • Es wird vermutlich dazu kommen, dass der Staat vermehrt den untauglichen Versuch unternehmen wird, den realen Mangel durch schuldenfinanzierte Hilfen für die Bevölkerung und die Wirtschaft zu kompensieren. Dies kann jedoch nur scheitern, weil es primär (!) nicht am Geld, sondern an Gas, Öl und Strom mangelt, und das sind nun einmal Güter, die sich nicht, wie Kredite, durch einfache Buchungsvorgänge der Banken herstellen lassen.

Für alle, die es immer noch nicht begreifen wollen:

Das ist der totale Zusammenbruch der deutschen Volkswirtschaft.

… und was tut die Regierung?

Olaf Scholz hat sich in die Riege der Ukraine-Touristen eingereiht, um sich, Auge in Auge mit Selenski, zum wiederholten Male sagen zu lassen, dass er die Schuld am Tod von Tausenden Ukrainern trägt und noch mehr Schuld auf sich laden wird, wenn er nicht endlich sämtliche Güterzüge der DB mit schweren Waffen und Munition beladen in Richtung Ukraine in Marsch setzen wird.

Karl Lauterbach mahnt die vierte Impfung an und warnt immer lauter werdend vor der Affenpockenpandemie.

Annalena Baerbock ist seit ihrem positiven Test abgetaucht und ist offenbar nicht in der Lage, wie z.B. seinerzeit Boris Johnson, die Amtsgeschäfte von zu Hause aus zu führen.

Herr Lindner ist immer noch froh, die Schuldenbremse ausgehebelt zu haben und eine Sonderschuld von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung auf den Weg gebracht zu haben.

Frau Lambrecht hat schon begonnen, das Sondervermögen in Anspruch zu nehmen und (dem Vernehmen nach ohne Ausschreibung) 35 F35 Kampfjets in den USA zu kaufen.

Frau Faeser kämpft gegen rechts, und rechts und rechts, und lässt an den Liegenschaften des Bundes die Regenbogenflaggen hissen, wenn LGBTQXYZ-Feiertage im Kalender stehen.

Ja, und Robert Habeck beschleunigt den Ausbau der Windkraft, verkürzt die Abstände, zwingt den Bundesländern ein Windkraft-Soll auf, als seien die deutschen Vorräte an Zement (energieintensiv), Sand, Stahl (energieintensiv), Kupfer (energieintensiv), Aluminium (energieintensiv) und seltenen Erden (kinderarbeitsintensiv) unerschöpflich.

Der Ersatz der 6 Kernkraftwerke durch Windkraftanlagen erfordert:

  • 30 Millionen Tonnen Beton
  • 6,5 Millionen Tonnen Stahl
  • 117.500 Tonnen Kupfer
  • 75.000 Tonnen Aluminium
  • 50.000 Tonnen Seltene Erden
  • 55 Quadratkilometer Fläche (ohne Abstandsflächen)

Weiterhin wird die E-Mobilität mit Kaufprämien von bis zu 9.000 Euro pro Vehicel gefördert, obwohl weder die Ladeinfrastruktur, noch die benötigten Strommengen zur Verfügung gestellt werden können.

Außerdem ist es dem Minister für Klimaschutzwirtschaft gelungen, sich auszudenken, was wäre, wenn es gelänge, israelisches Erdgas über eine Pipeline nach Ägypten und von dort, umgewandelt in LNG, per Schiff nach Deutschland zu liefern.

Die Tagesschau zitiert ihn mit diesen bemerkenswerten Sätzen:

  • „Ich habe deutlich gemacht, dass Deutschland jetzt Erdgas braucht, um sich von den russischen Lieferungen zu diversifizieren, aber in der mittelfristigen Perspektive schon weniger.“
  • „Eine Infrastruktur, die in sieben oder in neun Jahren fertig ist, die ist eigentlich dann schon überflüssig, weil Deutschland sich sehr schnell von den fossilen Energien wieder loslöst.“

Für die Übergangszeit könnte aber eine Pipeline helfen, mit der Israel schon jetzt Gas nach Ägypten pumpt:

  • „Dort gibt es ein LNG-Terminal. Wenn man das israelische Gas über Ägypten ausschiffen kann, wenn die Kapazitäten ausreichen, dann wäre das sicher kurzfristig eine Hilfe.“
  • „Langfristig wird die Kooperation mit der MENA-Region, also mit Nordafrika, mit dem arabischen Raum, vor allem auf erneuerbare Energien ausgerichtet sein.“

So viel unerschütterliche Zuversicht findet man sonst nur bei Angehörigen fundamentalistischer Religionsgemeinschaften. Auch die warten schon länger und immer noch länger auf den Jüngsten Tag, auf Armaggedon, den Weltuntergang, ohne dass die ersehnten Ereignisse eintreten wollen.

Salvadore Dali hat ein Bild geschaffen, das mir zur Zeit oft einfällt, wenn ich an Deutschland denke. Es heißt „Brennende Giraffe“. Auch wenn die brennende Giraffe ziemlich abseits steht und von den dominierenden Figuren gar nicht mehr beachtet wird –  ich sehe sie brennen, wie ich Deutschland brennen sehe. Hier der Link zum Bild.