Nutzen für Macron? Eher nicht.

Einige Kommentatoren gehen davon aus, dass der Anschlag von Straßburg „wie gerufen“ gekommen sei, um die Gelbwesten einzuhegen. Teils, weil sich die Menschen immer um ihre Führer scharen, wenn ein äußerer Feind auftritt, teils weil das erweiterte Ausnahmerecht ein gutes Werkzeug sei, Demonstrationen zu verhindern.

Ich teile diese Einschätzung nicht.

Die Situation in Frankreich ist zwischen dem Lager der Gelbwesten und dem Einzelgänger Macron so zugespitzt, dass sich niemand um diesen scharen wird, weil er von rund 80 Prozent der Bevölkerung nicht mehr als ihr „Führer“ angesehen wird, sondern als einer, der nach gewonnener Wahl eiskalt seine Agenda gegen das Volk durchzieht. Hinter den schart man sich nicht. Die Gelbwesten gehören überhaupt nicht  zum Typus jener Menschen, die sich hinter jemanden scharen. Dieser Protest ist ein „Gemeinschaftsgefühl“, das sich im gemeinsamen, einverständlichen Agieren ausdrückt, ohne dass  es dazu eines Anführers bedurft hätte. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, diesen Protest anzuführen, und von daher wird der Protest jetzt auch nicht zusammenbrechen.

Im Gegenteil!

Der Eindruck, dass Macron nicht in der Lage war, dieses Attentat zu verhindern (was man ihm zwar nicht persönlich anlasten kann, es aber dennoch tun wird) erhöht die Wut des Protestes eher noch. Hier die wenigen Reichen, die sich in ihren Villen und Palästen sicher fühlen können, da das Volk, dass nicht einmal mehr auf einem Weihnachtsmarkt vor Mord und Totschlag sicher ist. Diese Interpretation wird sich eher durchsetzen und dafür sorgen, dass die Proteste neue Nahrung finden.

Und wer will Demonstrationen mit einem Ausnahmezustand wirksam unterbinden, wenn die Staatsgewalt dazu schon bisher nicht in der Lage war? Soll Macron das Militär einsetzen und auf die eigenen Staatsbürger schießen lassen? So etwas wirft man Assad in Syrien vor! So etwas warf man Gaddafi in Libyen vor. So etwas würde die sowieso schon fragile Wand zwischen Demonstration und Bürgerkrieg zum Einsturz bringen.

Wenn es um die gelben Westen in den nächsten Wochen ruhiger wird, dann hat das viel mit der Witterung zu tun, ein bisschen mit den bereits erreichten Zugeständnissen und einiges damit, dass eben doch Weihnachten eher zum besinnlichen Beisammensein in den eigenen vier Wänden einlädt als zum  Straßenprotest.

Nach Weihnachten werden wir dann einen neue Schlachtordnung erleben, denn bis dahin ist die Kraft der Gelbwesten entweder von den Gewerkschaften oder von Le Pen vereinnahmt. Beides ist ebenfalls für Macron nicht von Nutzen.

Sogar für die französischen „Eliten“ ist der Sturz Macrons zum eigenen Machterhalt inzwischen zur Notwendigkeit geworden. Das Feinbild des aufgeregten Volkes muss so schnell von der Bühne, wie es hinaufgehievt wurde. Nur ein anderes Gesicht erhält noch einmal einen Vertrauensvorschuss – wenn überhaupt.