Kleingeistige Arroganz im Hochgefühl der Macht

Diese Woche war wieder einmal voll von Beispielen des Auslebens jenes tyrannischen Wesenszuges, der sein Selbstwertgefühl aus nichts anderem bezieht als aus jener nackten, durch nichts gerechtfertigten Macht, die jemandem durch glücklichen Zufall oder erfolgreich-bösartiges Agieren in die Hände gefallen ist.

Selten wurde so unverblümt und offener Bühne demonstriert, dass es auf dieser Welt nur eine einzige Regel gibt, nämlich die, dass alleine der Stärkere die Regeln bestimmt und dass der Krug dabei so lange zum Brunnen geht, bis er zerbricht, wobei die Krüge unserer Tage längst nicht mehr aus Ton gebrannt, sondern aus Titanstahl geschmiedet und mit Reaktivpanzerungen versehen sind.

Vier Beispiele, die dem Geist der innerstaatlichen Demokratie , bzw.jener oft beschworenen, zwischenstaatlichen, „regelbasierten Ordnung“ Hohn sprechen.

 

In Frankreich

hat der Präsident die Notwendigkeit erkannt, das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben zu müssen. Dass das Renteneintrittsalter in Deutschland schon lange von 65 auf 67 Jahre angehoben wurde, mag ein Indiz dafür sein, dass Macron mit der Vorstellung, das Renteneintrittsalter anzuheben, sei die einzige Möglichkeit, den Zusammenbruch des Rentensystems zu verhindern, nicht alleine ist. Um einen Beweis für die Richtigkeit dieser Maßnahme handelt es sich dabei allerdings nicht. Es lässt sich ein solcher Beweis auch  nicht dadurch erbringen, dass Mathematiker mit durchaus richtigen Annahmen zur Lebenserwartung der Bevölkerung die künftigen Rentenleistungen und Beitragseinnahmen vorausberechnen und zu dem Schluss kommen, die Renten seien schon in wenigen Jahren nicht mehr finanzierbar. Dies ist lediglich ein Beweis dafür, dass  die gesetzliche Altersvorsorge im volkswirtschaftlichen Gesamtbudget nicht den Platz einnimmt, der erforderlich wäre, um den Franzosen einen unbeschwerten Lebensabend zu ermöglichen. Hier liegt die eigentlich entscheidende Frage, nämlich die Frage nach der Priorität der „Ansprüche“ die von unterschiedlichen Interessengruppen an den Ertrag der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung gestellt werden. Diese Frage kann innerhalb des Rentensystems nicht beantwortet, das Problem kann innerhalb des Rentensystems nicht gelöst werden. Es müssen alle Ansprüche und Besitzstände auf den Tisch. Die Ansprüche des Kapitals und der Wirtschaft, die Ansprüche der aktiv im Berufsleben stehenden, sowie die Ansprüche des Staates der ja wiederum nur der Adressat unterschiedlichster Ansprüche ist, die vom Militär bis zum Bildungswesen, von der Landwirtschaft bis zur Energieversorgung reichen. Von daher ist es nicht verwunderlich, ja sogar legitim, dass die Franzosen – als potentielle Rentner späterer Jahre – auf die Straße gehen und sich ohne eine wirklich stichhaltige Begründung ihren Besitzstand nicht rauben lassen wollen.

In dieser durchaus bereits aufgeheizten Stimmung verweigerte Präsident Macron dem Parlament das Recht zur Abstimmung, von der er annahm, sie zu verlieren, und setzte die Rentenreform per Präsidial-Dekret durch. Nun drohen das Misstrauensvotum gegen die Regierung und möglicherweise Neuwahlen, während die Streiks nicht enden werden, bis sich eine große Mehrheit der Franzosen auf eine neue Basis der Verteilungsgerechtigkeit geeinigt haben wird.

 

In Deutschland

haben drei Parteien das Wahlrecht zu ihren Gunsten verändert und die Voraussetzung dafür geschaffen, sich lästige Konkurrenz von ganz links und von halbrechts vom Halse zu schaffen. Dass das Bundesverfassungsgericht schon im Juli 2012 die von der schwarz-gelben Koalition beschlossenen Änderungen für verfassungswidrig erklärte, nachdem SPD und Grüne dagegen geklagt hatten, mag für den neuerlichen Alleingang einer regierenden Koalition als Präzedenzfall herangezogen werden können – eine Rechtfertigung für die nun beschlossene Änderung, die auch diesmal wieder andere Parteien klar benachteiligt, kann das nicht sein. Sicherlich ist der deutsche Wahlrechtskompromiss aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht eine komplizierte Konstruktion, die bei Veränderungen zu chaotischen Reaktionen neigt, doch gerade deshalb sollte eine Änderung des Wahlrechts nur im großen Einvernehmen mit allen im Bundestag vertretenen Parteien ausgearbeitet und dann per Volksentscheid verabschiedet werden. Dass auch der Wille fehlt, bundesweite Volksabstimmungen durchzuführen, ist dabei erst recht keine Entschuldigung.

Dem deutschen Volk ist das Berliner Gezerre um Wahlgerechtigkeit nicht wichtig genug, um deshalb – wie die Franzosen – auf die Straße zu gehen und dort zu bleiben, bis ein für alle tragbarer Kompromiss gefunden ist. Daher fehlt den absehbaren Klagen von LINKEn und CSU jenes Gewicht, das ausschlaggebend sein könnte, um das Verfassungsgericht zu bewegen, dieses neue Wahlrecht für verfassungswidrig zu erachten. Erreicht ist nur eines: Die Fronten im Deutschen Bundestag, in dem Parlamentarier eigentlich ergebnisoffen über optimale Lösungen diskutieren und zum Wohle des Volkes Gesetze verabschieden sollten, haben sich neuerlich verhärtet, so dass es noch schwerer wird, zwischen Vernunft und Ideologie zu vermitteln.


In Den Haag

hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof Karim Asad Ahmad Khan, ein Brite, übrigens, einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin erlassen. Vorgehalten wird Präsident Putin, für das Kriegsverbrechen des rechtswidrigen Transfers der Bevölkerung aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich zu sein.

Russland bestreitet gar nicht, dass beim Rückzug der russischen Truppen aus Cherson allen dortigen Einwohnern angeboten wurde, sich nach Russland evakuieren zu lassen. Es handelte sich dabei ganz überwiegend um ethnische Russen, die von diesem Angebot Gebrauch machten, weil die Angst vor den ukrainischen Soldaten und Behörden, die nach Kollaborateuren suchten, groß war. In diese Evakuierung waren auch Kinder aus Kinderheimen eingeschlossen, die nicht selbst für sich entscheiden konnten. Russland sieht das als humanitären Akt an, auch, weil es sich aus russischer Sicht nach dem Referendum um russische Staatsbürger handelte.

Mehr als diese Evakuierung, die von der Anklage als „Transfer“ bezeichnet wird, wird Putin nicht vorgeworfen. Doch es reicht, um mit dem Haftbefehl eine Provokation in die Welt zu setzen, die jeden Gedanken an Friedensverhandlungen in weite Ferne rücken lässt. Damit folgt der Internationale Strafgerichtshof jener Gesinnung, die schon Annalena Baerbock gezeigt hat, als sie für Putin ein (zweifellos feministisches) Internationales Tribunal gefordert hat und blendet ebenfalls alle zur Beurteilung des Sachverhalts notwendigen Informationen und Tatsachen aus.

 

In Brüssel

hat das Parlament der Europäischen Union seine Abgehobenheit und Arroganz erneut unter Beweis gestellt, indem es Millionen von Hausbesitzern Zwangssanierungen verordnete, die für viele Enteignung und Ruin bedeuten.

Dies alles für einen von vorneherein aussichtslosen Kampf gegen das Klima und seine seit ewigen Zeiten stattfindenden, natürlichen Veränderungen.

Die Auswirkungen werden Erinnerungen an die in Österreich von Kaiser Joseph II. eingeführte „Dachsteuer“ wecken, aber weit, weit verheerender ausfallen.  Die Dachsteuer war eine an der Dachfläche von Gebäuden bemessene Vermögenssteuer, die dazu führte, dass viele Häuser abgedeckt und aufgegeben wurden, weil die geforderte Steuer nicht aufzubringen war, oder der Verlust weniger genutzter Gebäude erträglicher erschien als die Steuer zu bezahlen.

 

Dies alles

darf doch nicht noch so lange weiterbetrieben werden, bis die von dieser Seuche, der jegliche Weisheit verhöhnenden Tyrannei, befallenen menschlichen Gesellschaften in Mord und Totschlag versinken und das Faustrecht, das gerade noch von hauchdünnen Farbschichten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie übermalt ist, unverkennbar als alleiniges Recht in Erscheinung tritt.

Wo bleibt die Revolution?
Wo bleibt der Aufstand der Anständigen?

2014 habe ich die Frage nach der >Sollbruchstelle der Macht< in meinem Buch „Wo bleibt die Revolution“ umfangreich beleuchtet. Eine überarbeitete Neuausgabe ist 2020 erschienen. Darin schildere ich zunächst die Notwendigkeit staatlicher Ordnung und der damit dem Staat notwendigerweise zuwachsenden Macht. Wobei Ordnung und Macht in ganz unterschiedlichen Ausprägungen denkbar sind und auch real vorkommen.

Die Mindest-Ordnung, einhergehend mit maximaler Macht der Staatsführung und maximaler Ausbeutung der Bevölkerung, ein in entwickelten, hochspezialisierten arbeitsteiligen Gesellschaften nicht mehr für möglich gehaltener Zustand, ist jedoch genau das, worauf wir allem Anschein nach mit steigendem Tempo zusteuern. Dazu ein kurzer Auszug aus diesem Buch:

Das Überleben des politischen Systems

Grundsätzlich ist Volkswirtschaft also das Handlungsfeld der Politik und muss daher, immer im Sinne der Maslow‘schen Bedürfnispyramide, zunächst einmal so eingestellt werden, dass das politische System eines Staates überleben kann.

Die viel gehörte Klage: „Die Politiker betrachten den Staat als einen Selbstbedienungsladen“, verliert damit nicht an Gewicht und Bedeutung. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden,  dass nur durch die Sicherstellung der Versorgung des politischen Systems, mit allem was es zu seinem Überleben und Funktionieren benötigt, der Erhalt des Staates und damit des einheitlichen Wirtschaftsraumes überhaupt gewährleistet wird. Entzieht man dem politischen System die materielle Grundlage, fällt der Staat zwangsläufig in die Anarchie oder wird zur Beute anderer Staaten und ihrer politischen Systeme.

Größe und Umfang des politischen Systems müssen in einer gesunden Relation zur Größe des Staatsgebietes und zur Zahl der Einwohner, zur Komplexität der Gesellschaft und ihrer arbeitsteiligen Wirtschaft, sowie zu den von innen und außen drohenden, bzw. auch nur befürchteten  Gefahren stehen.

Nur um das zu verdeutlichen: 500.000 Quadratkilometer unbewohnter Wüste können mit einem weitaus geringeren Aufwand administriert werden als 100 Quadratkilometer eines dichtbesiedelten mitteleuropäischen Ballungsraumes.

Für die Gestaltung des Spielfeldes ergibt sich daraus eine erste Regel, welche die Mindestproduktivität für einen funktionierenden Wirtschaftraum beschreibt.

 

Mindestproduktivitäts-Regel

Die Summe der Ergebnisse des wirtschaftlichen Handelns einer Volkswirtschaft muss mindestens ausreichen,  

  • um die materielle Basis des nicht produktiven politischen Systems (Legislative, Exekutive und Judikative) sicherzustellen und
  • den minimalen Selbsterhalt sowie die notwendige Reproduktionsrate der produktiven Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Einhaltung dieser einfachen Regel genügt, um feudalistische oder diktatorische Regime mit starken, vorwiegend nach innen gerichteten, militärischen oder paramilitärischen Repressionskräften über lange Zeiträume stabil zu halten.

Typische Ausprägungen von Volkswirtschaften, die lediglich nach der Regel der Mindestproduktivität arbeiten, fanden sich, historisch betrachtet, in Gesellschaften, in denen weltliche und kirchliche Fürsten, abgestützt auf die durch Repression ausgebeutete Arbeitskraft ihrer Leibeigenen, ein Zwei-Klassen-System installieren und aufrecht halten konnten. Es sind zugleich die Erscheinungsformen einer Reihe von – trotz scheinbar demokratischer Wahlen – immer noch bestehenden Diktaturen auf dem afrikanischen Kontinent.

Aus dieser Mindestproduktivitäts-Regel ergeben sich jedoch Ableitungen, die höchst interessant sind:

  1. Der Aufwand für die Repression steigt mit dem Maß der Ausbeutung der produktiven Bevölkerung und mindert damit den erhofften Mehrnutzen für die Teilhaber des politischen Systems bis an den Punkt, an dem die absolute Leistungsobergrenze einer Volkswirtschaft erreicht ist.
  2. Wird dieser Punkt überschritten, kommt es zum Zusammenbruch der Ordnung. Sei es, dass Aufstände aufflackern, sei es, dass Polizei und Militär die Gefolgschaft aufkündigen, sei es, dass innerhalb der Machtelite Verteilungskämpfe um die Anteile an der Beute ausbrechen – immer ist mit einer chaotischen Phase zumindest partieller Unregierbarkeit zu rechnen.
  3. Chaotische Phasen stellen jedoch eine Einladung an die Kräfte außerhalb dar, sich das (vorübergehend) paralysierte Staatswesen ganz oder in Teilen anzueignen. Oft unter dem Vorwand, wieder Friede und Ordnung ins Land bringen zu wollen, ziehen fremde Mächte ein und übernehmen das politische System und die damit verbundenen Pfründen.

Derartige kriegerische Überfälle auf Staaten mit geschwächter Führung ziehen sich wie ein blutroter Faden durch die Geschichte aller Nationen und haben auch in der Gegenwart immer noch Konjunktur. Chaotische Phasen in „Staatsgeschichten“ können jedoch auch andere Ursachen haben. Vor allem Einflüsse der Natur, wie Dürreperioden, Überschwemmungen, Epidemien, Vulkanausbrüche oder Erdbeben, führen dazu, dass der Eigenbedarf der produktiven Bevölkerung steigt, während die Zahl der verfügbaren produktiven Kräfte durch solche Ereignisse nicht selten reduziert wird. Dies führt – sozusagen auf natürlichem Wege – an den vorbeschriebenen Punkt, an dem die Leistungsobergrenze erreicht ist – und damit der materielle Erhalt des politischen Systems nicht mehr sichergestellt werden kann.

Andere Einflüsse, die allerdings schwerer nachvollziehbar sind, kommen aus einem wachsenden, manchmal sogar übersteigerten Selbstbewusstsein der Bürger. Erinnert sei an die Zeiten, als sich über dem einfachen Bauernstand die Zünfte der Handwerker organisierten – und im Wissen um ihre „Unersetzlichkeit“ für die Bedürfnisse der Herrschenden, in langwierigem und zähem Ringen das Recht erstritten, als freie Bürger in freien Städten leben und arbeiten zu dürfen.

Auch solche Einflüsse sind in der Gegenwart nicht selten. Immer aufgeklärtere Bürger in vielen Staaten dieser Welt fordern immer mehr Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinwesens und ihres eigenen Lebens. Es kam so zu politischen Konkurrenzen,  deren Wurzeln außerhalb des dicht geschlossenen Zirkels alter Machteliten lagen. Sozialisten, Linke, Gewerkschaftler, Kommunisten und wohlmeinende Altruisten führten und führen Aufstände und Revolutionen an, die nicht aus der Qual der maximalen Ausbeutung geboren sind, sondern aus dem originären Wunsch nach wahrer Freiheit und angemessener, bzw. gerechter Teilhabe am Bruttosozialprodukt.

Wo solche Revolutionen in der Lage waren, bzw. sind, dem politischen System die Handlungsfähigkeit zu nehmen, standen und stehen auch heute die „sich freuenden Dritten“ an den Grenzen und verschaffen sich Einlass. Venezuelas Maduro hält sich zwar noch und konnte im Frühjahr 2020 einen (unprofessionellen) Söldner-Angriff abwehren, doch stellt sich nicht die Frage, ob er sich halten können wird, sondern eigentlich nur die Frage: Wie lange noch. Es müssen übrigens nicht Soldaten sein, die eine Revolution revidieren – eine gefälschte Wahl, die eine globalisierungsfreundliche Regierung an die Macht bringt, reicht völlig, um die Interessen der „Eliten“ wieder zu befriedigen.