Wahlrecht

Was die Ampel heute wohl zum Gesetz machen wird, ist unerfreulich. Bei dieser Einschätzung geht es mir weder um die LINKE, noch um die CSU, die künftig fürchten müssen, im Bundestag – wenn überhaupt – nur noch ein Schattendasein zu fristen,  sondern darum, dass Direktmandate nicht mehr zwingend zum Einzug in den Bundestag berechtigen sollen.

Anders herum würde ein Schuh draus!

Dann wären 50 Prozent der Sitze des Deutschen Bundestages für Direktmandate vorgesehen, die anderen 50 Prozent würden im Verhältnis der Zweitstimmen auf die Parteien aufgeteilt. Eine 5-Prozent-Hürde erübrigt sich. Splitterparteien, die aufgrund ihrer Stimmanteile mit einem bis 14 Abgeordneten ins Parlament einziehen, können (und sollten) Fraktionsgemeinschaften bilden, um ihren Mitgliedern den wichtigen Fraktionsstatus zu sichern.

Auf diese Weise könnte es nie wieder mehr als 598 Bundestagsabgeordnete geben und das vordringliche Problem wäre gelöst.

Dieses Problem scheint jedoch nicht das vordringliche Problem der Parteien zu sein, die im Bundestag vertreten sind. Deren Problem stellt sich eher so dar, dass sie fürchten, es könnten sich bei voller Gleichsetzung von Listenplätzen und Direktmandaten, wenn also der Vorrang der Parteilisten verloren geht, Verschiebungen der Mehrverhältnisse ergeben.

Natürlich wird es diese Verschiebungen geben. 

Dramatisch sind vor allem diese beiden Extremfälle:

  1. Eine Partei, auf die kein Direktmandat entfällt, wird mit beispielsweise 18 Prozent der Zweitstimmen insgesamt nur 9 Prozent der Sitze erringen.
  2. Erringt eine Partei mehr Direktmandate als ihr bisher nach den Zweitstimmen zustehen, wird sie auch weiterhin alle Direktmandate beanspruchen, die Sitze aus dem Zweitstimmenpool jedoch noch dazu gewinnen, so dass sie insgesamt deutlich mehr Sitze erhält.
    Beispiel: 100 Direktmandate, 15 Prozent der Zweitstimmen, ergab bisher 16,7 Prozent der Sitze. Folge: Überhangmandate, die durch Ausgleichsmandate korrigiert wurden.
    Künftig: 100 Direktmandate + 45 Zweitstimmensitze ergäbe 24,2 Prozent der Sitze

Es wäre nun allerdings naiv, zu glauben, dass eine derart einschneidende Änderung des Wahlrechts ohne Auswirkungen auf das Wählerverhalten bliebe, schon alleine, weil sich das Verhalten der Kandidaten radikal verändern würde. Der Wahlkampf vor Ort zwischen den Kandidaten für das jeweilige Direktmandat würde sehr viel intensiver geführt, selbst wenn der eine oder andere Direktkandidat noch über einen vorderen Listenplatz abgesichert werden sollte – denn das Mandat, der Sitz im Bundestag, ist für die Partei verloren, wenn ihr Direktkandidat nicht durchkommt. Auf diese Belebung des Wahlkampfs würde ich mich freuen, vor allem weil es dann tatsächlich darum gehen muss, die Wähler als Betroffene der politischen Entscheidungen mit persönlichem Einsatz und Bürgernähe für sich zu gewinnen.

Aber, was schreibe ich mir die Finger wund?

Die Wahlrechtsreform geht erst einmal durch, dann gibt es die Verfassungsklage und bis die entschieden ist, können dann wieder viele, viele Wahlen veranstaltet werden …