Will Biden den Krieg um die Ukraine?

Falsche Frage!

Biden will die Ukraine.

PaD 47 /2021 – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 47 2021 Will Biden den Krieg um die Ukraine

 

Zbigniew Brzezinski hat vor fast 25 Jahren die strategische Zielsetzung vorgegeben:

„Allein schon die Existenz einer unabhängigen Ukraine hilft, Russland zu verändern. Ohne die Ukraine hört Russland auf, ein eurasisches Imperium zu sein. Es kann zwar immer noch imperialen Status beanspruchen, würde dann aber in Konflikte mit den zentralasiatischen Staaten verwickelt. Auch China würde sich erneuter russischer Dominanz in Zentralasien entgegenstellen. Wenn Russland aber die Kontrolle über die Ukraine zurückgewinnt, wäre es wieder eine Imperialmacht.“

Zbigniew Brzezinski „The Grand Chessboard“

Die Reaktivierung eines warmgehaltenen Krisenherdes

Vor acht Jahren schien es so, als sei die Herauslösung der Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands gelungen. Ein Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der Europäischen Union, dem politischen Arm der NATO in Europa, lag unterschriftsreif auf dem Tisch.

In letzter Minute zog Wiktor Janukowytsch, damals Präsident der Ukraine, seine Zustimmung zu diesem Assoziierungsabkommen jedoch zurück.

Hier hatte offenbar die russische Diplomatie die stärkeren Argumente vorgetragen, denen sich Janukowytsch nicht verschließen konnte.

Doch die USA, die inzwischen vier Milliarden US-Dollar in die Destabilisierung der Ukraine und den Aufbau einer breiten Oppositionsbewegung investiert hatten, zögerten nicht, unmittelbar nach dem Scheitern des Assoziationsabkommens mit der EU ihren „Plan B“ zu starten. 

Massendemonstrationen forderten bis in den Februar 2014 hinein die Amtsenthebung des Präsidenten, der am 21. Februar nach Russland flüchtete.

In den Wirren danach sicherte Russland seinen Marine-Stützpunkt im Schwarzen Meer durch die de facto Übernahme der Staatsgewalt auf der Krim mit einer anschließenden Volksabstimmung über den Anschluss der Krim an Russland.

Im Osten der Ukraine, im so genannten Donbass, versuchte die überwiegend russische Bevölkerung sich von Kiew loszulösen und ebenfalls den Anschluss an Russland zu erreichen. Es kam zu lang anhaltenden, verlustreichen Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den ostukrainischen Sezessionskräften.

Dem folgte schließlich das Minsker Abkommen, das unter Vermittlung von Francoise Hollande und Angela Merkel zwischen Petro Poroschenko, dem neuen Präsidenten der Ukraine, und Wladimir Putin  zustande kam und von den Milizenführern der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk mit unterzeichnet wurde.

Neben den Vereinbarungen über einen Waffenstillstand mit dem Rückzug schwerer Waffen und einer Pufferzone zwischen den Kontrahenten sah das Minsker Abkommen insbesondere eine Verfassungsreform vor, in welcher die lokale Selbstverwaltung in den Gebieten Lugansk und Donezk gestärkt werden sollte.

Letztlich war das Minsker Abkommen aber ein Schuss in den Ofen. Die Verfassungsreform ist bis heute nicht in Angriff genommen – stattdessen besteht man in Kiew darauf, die vollständige Kontrolle über die Ukraine zurückzugewinnen. Von Waffenstillstand und vom tatsächlichen Rückzug schwerer Waffen von der Frontlinie kann keine Rede sein.

Unter Präsident Donald Trump schien das Interesse der USA an der Einbindung der Ukraine in das westliche Bündnis nachgelassen zu haben. Sein Interesse galt, vor allem im Wahlkampf, den Verstrickungen Joe Bidens und dessen Sohn Hunter Biden in die problematischen inneren und wirtschaftlichen Angelegenheiten der Ukraine. In diesen vier Jahren war die Ukraine nur noch selten in den Nachrichten zu finden. Auch die Waffenlieferungen der USA an die Ukraine wurden unter Trump – entgegen seiner volltönenden Ankündigungen – gegenüber der Amtszeit Obamas zurückgefahren, zeitweise sogar vollständig eingestellt.

Seit nicht ganz einem Jahr ist Joe Biden, einst der Ukraine-Spezialist unter Obama, selbst Präsident der USA und die Ukraine wird als der heißeste Spannungsherd der Welt gehandelt.

Dass hier ein einzelner Mann dabei ist, seinen persönlichen Feldzug gegen Russland am Konflikt um die Ukraine zu entfesseln, ist kaum zu verkennen. Dass er dazu nicht in der Lage wäre, stünde nicht der „Deep State“ hinter seinen Absichten, bedarf auch keiner weiteren Erläuterungen.

120.000 von den USA bewaffnete und ausgebildete ukrainische Soldaten stehen an der „Grenzlinie“ zur Ostukraine und provozieren die prorussischen Ukrainer auf der anderen Seite permanent mit militärischen Nadelstichen.

Die westliche Propaganda erzählt derweil, Putin habe kriegsbereite Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen und werde spätestens im Januar einmarschieren um die Ukraine zu erobern. Ein Witz, in Anbetracht der Gegenreaktion, die er damit auslösen würde. Doch leider wird diese Erzählung für Ernst genommen.

Für diesen – von der westlichen Propaganda ersponnenen Fall – droht Biden mit den schlimmsten Vergeltungsmaßnahmen, die es jemals gegeben habe. Ein US-Senator (Roger Wicker, Republikaner) hat Biden gar geraten, den Einsatz von Atomwaffen gegen Russland nicht auszuschließen, sollte es in der Ukraine zu einer Eskalation der Lage kommen.

Das Drohpotential steht. Der Schuldige ist ausgemacht. Was noch fehlt, ist der zündende Funke.

Der strategische Plan – so wie ich ihn mir vorstellen kann – ist von bestechender Einfachheit:

Wenn ukrainische Truppen die rote Linie, also die Grenze in die Regionen Luhansk und Donezk überschreiten,  und unter starker Selbstsicherung langsam, Kilometer für Kilometer vorrücken, um die „territoriale Integrität“ der Ukraine wieder herzustellen, kann Putin die Herausforderung entweder annehmen und in die Kampfhandlungen eingreifen, was ihm als völkerrechtswidriger Krieg ausgelegt würde, oder zähneknirschend zusehen, wie seine Pufferzone vor der Krim um einen Quadratkilometer nach dem anderen schrumpft.

Sollte Putin nicht (erkennbar) eingreifen, ist die zweite Stufe des Plans die Eroberung der Krim. Hier könnten die ukrainischen Landstreitkräfte, unterstützt von Kriegsschiffen der NATO, die Versorgungswege zu Land und zur See mit geringem Aufwand unterbrechen. Die Krim, eingekesselt und belagert, würde – ohne erbitterte Gegenwehr – binnen weniger Wochen fallen.

Das jedoch kann Putin nicht zulassen. Spätestens wenn Biden tatsächlich nach  der Krim greifen sollte, kommt es zum großen Showdown.

Damit ist der Bündnisfall geschaffen.

Das schafft die Gelegenheit für einen lokal begrenzten Abnutzungskrieg rund ums Schwarze Meer, der jedoch nicht nur das russische Militär entscheidend schwächen soll, sondern zugleich auch die beteiligten NATO-Partner.

Eine besondere Last hätte die Türkei zu tragen, die sich endgültig zwischen den Lagern zu entscheiden hätte. Aber auch Frankreich, Italien, Griechenland und Deutschland wären sehr bald in die militärische Auseinandersetzung einbezogen.

Am Ende soll die Landkarte so aussehen, dass nicht nur die Krim wieder zur Ukraine gehört, sondern auch die Ostküste des Schwarzen Meeres, von Georgien bis  Rostow am Don dauerhaft von NATO-Truppen besetzt bleibt.

Ein Festgelage für die US-Waffenindustrie!

Wenn es auf diese Weise gelingt, das russische Militär an der Südwestflanke Russlands zu binden, wäre eine parallele militärische Auseinandersetzung um die Herrschaft über das Südchinesische Meer und letztlich die Sicherung Taiwans vor den Annektionsbestrebungen der KPC sehr viel aussichtsreicher.

Dass der Konflikt gerade jetzt so hochkocht, hat natürlich auch mit der für das Frühjahr 2022 angekündigten Indienststellung der russischen Hyperschall-Langstrecken-Raketen zu tun. Das Bemühen, eine Entscheidung herbeizuführen, bevor Russland über ein Waffensystem verfügt, das jeden Ort der USA mit einer Flugzeit von nur fünf Minuten erreichen und zerstören kann, ist deutlich zu erkennen.

Wir haben nicht erfahren, was Biden und Putin im Verlauf ihrer zweistündigen Video-Konferenz tatsächlich besprochen haben. Es sieht allerdings so aus, dass keine Seite freiwillig nachgeben wird.

Es kommt daher nur noch auf die endgültige Lagebeurteilung des Pentagons an, ob das Pulverfass Ukraine in die Luft fliegt und damit den Startschuss für einen langen Krieg ums Schwarze Meer abgibt, oder ob die Welt in dieser Region doch noch einmal für eine Weile friedlich bleiben wird.