Einer der gefährlichsten Irrtümer der Menschheit, der jedoch mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auftaucht, wenn einer vorzeitig glaubt, am Ende seines Nachdenkens angekommen zu sein, lautet:
Alle Kriege sind sinnlos.
Kriege mögen alles Mögliche sein, von furchtbar bis unmenschlich, von grauenhaft bis verlustreich, aber sinnlos war wohl noch kein Krieg. Es ist vermutlich noch nicht einmal ein Soldat sinnlos in einem Krieg gefallen.
Der Irrtum beginnt da, wo angenommen wird, etwas „Sinnvolles“ müsse zugleich etwas sein, was für die Menscheit insgesamt – oder zumindest für die irgendwie Betroffenen – auch etwas „Gutes“ ist. In den Geisteswissenschaften wird der „Sinn“ einer Handlung jedoch unabhängig von einer ethisch-moralischen Wertung als der Zweck, das Ziel einer Handlung verstanden.
Wie bei allem menschlichen Handeln ist die Suche nach Sinn und Zweck auch im Falle des Krieges sehr häufig nicht im scheinbar Offenkundigen zu finden, ja oft genug sind es nicht einmal die auf der offenen Weltbühne agierenden Figuren, die darüber entscheiden, ob ein Krieg nun zweckdienlich sei, oder nicht, sondern sehr viel tiefer liegende und sorgfältig verborgene Interessen, die in der Lage sind, Kriege auch gegen den Willen von Präsidenten, Kanzlern, Kaisern, Königen und Generälen auszulösen.
Es ist ja noch nie ein Krieg ausgebrochen.
Oder wissen Sie von einem Krieg, der in einem Gefängnis eingesperrt war, aus dem er hätte ausbrechen können.
Kriege werden geplant und zum geeigneten Zeitpunkt begonnen.
Wenn es irgendwann einmal gelingen sollte, die Kriegsgefahr auf unserem Planeten vollständig zu bannen, dann nicht, weil Dummschwätzer herumlaufen und predigen, Kriege seien sinnlos, sondern weil die Menschen begriffen haben, wer den Kriegen ihren Sinn gibt, und welche Rolle sie dabei, sei es als Soldaten, sei es als Zivilisten, in den Plänen der Nutznießer und Kriegsgewinnler spielen.
Krieg ist, neben – und oft vor allen anderen – Kriegszielen, im Interesse der Rüstungsindustrie, die weltweit jährlich schon fast 2 Billionen Dollar umsetzt (2.000.000.000.000$). Jährlich!
Unter Waffen stehen weltweit ungefähr 19 Millionen reguläre Soldaten. Reservisten, Söldnerheere und Terroristenverbände noch gar nicht mitgezählt. Die größten Verbände stellen dabei China: 2,3 Millionen, USA: 1,3 Millionen, Indien: 1,2 Millionen, Nordkorea: 1,2 Millionen, Russland: 1,2 Millionen.
Dass das Geschäft mit der Rüstung zusammenbräche, würde man sich in der UN verbindlich auf allgemeine Abrüstung bis zur Unfähigkeit der Kriegsführung einigen, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen. 18 bis 20 Millionen arbeitslos werdende Soldaten wären dafür kein Hindernis, aber Gewinne der Rüstungsindustrie, die Jahr für Jahr hohe dreistellige Milliardenbeträge erreichen dürften, sehr wohl.
Aufrüstung, Nachrüstung und vor allem Modernisierung bestehender und die Entwicklung gänzlich neue Waffensysteme sind daher primär Hervorbringungen der Rüstungsindustrie, die auf diese Weise suggeriert, mit ihren Produkten seien nun endlich und tatsächlich auch andere Kriegsziele erreichbar.
Dabei ist schon wieder das Gewinnziel der Rüstungsindustrie zu beachten, die ja in einem tatsächlich geführten Krieg den Nachschub an Munition und Waffen zu liefern hat, was mit jedem Kriegstag zu einem ordentlichen Umsatz- und Gewinnanstieg führt. Was hat die US-Rüstungsindustrie nicht alles nach Afghanistan liefern können, seit die USA dort im Herbst 2001 einmarschiert sind? Wo stünden die Aktien der US-Rüstungsunternehmen ohne diesen Krieg, in dem einfach 18 Jahre lang mehr oder minder blind herumgeschossen und bombardiert wurde, ohne dass ein militärischer Sieg ernsthaft angestrebt wurde?
In den Kriegen um den Irak und um Libyen waren die Interessen durchaus weiter gesteckt, stand deutlich mehr Interesse Gewehr bei Fuß um den militärischen Truppen nachzurücken. Schon alleine die immer wieder so bewegende Frage, wer denn nun den Wiederaufbau eines kriegszerstörten Landes übernehmen dürfe, wer dafür die Kredite zur Verfügung stellen darf, wer durch frei vereinbarte Freihandelsverträge mit den Kriegsverlierern den Zugriff auf welche Bodenschätze erhält, wer für seine Produkte neue, lukrative Absatzmärkte erobern darf, waren dabei doch mindestens ebenso wichtig wie die neu gewonnene, geostrategische Position.
Im Jemen sind Sunnitische Saudis und schiitische Iraner dabei, auf „neutralem Boden“, also ohne das eigene Land vom Krieg verwüsten zu lassen, ihre Kräfte zu messen und ggfs. die vollständige Kontrolle über den Jemen zu erringen. Ein Krieg der mit großer Härte ohne Rücksicht auf die Bevölkerung geführt wird und Unmengen an Rüstungsgütern verschlingt, worüber sich wiederum die Waffenexporteure freuen.
Nun hat in München gerade wieder die Konferenz der Kriegsinteressierten stattgefunden, in der es, wie alle Jahre wieder, hauptsächlich darum ging, die Sicherheit überlegener Sinnstifter auch fürderhin zu gewährleisten. Angela Merkel war es vorbehalten, darauf hinzuweisen, dass in unserer globalisierten Welt allmählich tatsächlich alles irgendwie mit allem zusammenhängt. Ihre Einsicht, dass Kriege um Beute, ebenfalls ein dem Krieg Sinn gebendes Ziel, heute weniger mit Waffen (da geht die Beute ja möglicherweise kaputt) als vielmehr mit wirtschaftlichen und finanziellen Instrumenten geführt werden, war allerdings wieder einmal resignativer Natur. Trumps Androhung, die europäische, also die deutsche Automobilindustrie per Strafzoll mal eben vollends zu vernichten, nachdem sie die von den USA initiierte Diesel-Attacke schon in den Grundfesten erschütterte, konnte Merkel daher nicht wirklich kontern, sondern nur mit der eher peinlichen Bemerkung „das erschreckt uns“ kommentieren.
Verstünde sie etwas von Sicherheitspolitik, wüsste sie, warum deutsche Automobile die nationale Sicherheit der USA bedrohen. Nämlich genau so, wie eine weit, weit entfernt von den USA verlaufende Pipeline die nationale Sicherheit der USA bedroht. Nationale Sicherheit wird heute sehr viel weiter gefasst als einfach nur atomare Abschreckung im Kalten Krieg. Nationale Sicherheit heißt heute: Kein Staat dieser Welt darf in der Lage sein, die USA militärisch oder wirtschaftlich in die Ecke zu drängen. Also bedroht wirtschaftliche Stärke, wo immer sie auf der Welt in Erscheinung tritt, die nationale Sicherheit der USA.
Merkels in München vorgetragener Ansatz: „Wir müssen reden, und zwar über alles …“, gehört nun mal leider nicht auf die politische Bühne, sondern in den Stuhlkreis einer Selbsthilfegruppe, wo man glaubt, mit den eigenen Problemen lockerer umgehen zu können, wenn man feststellt, dass andere die gleichen oder noch größere Probleme haben. Das ist wie mit der Fünf in der Mathe-Arbeit, die schon dann sehr viel weniger schlimm ist, wenn zwei Mitschüler dabei sogar eine Sechs geschafft haben.
Es ist kein Geheimnis, dass die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA bei Angela Merkel kaum weniger Verwirrung ausgelöst hat als bei Frank Walter Steinmeier. Sie hat zwar, im Gegensatz zu ihm, die Contenance halbwegs gewahrt, ist aber im Herzen immer noch den Demokraten und insbesondere den Clintons zugetan. Das heißt, was auch immer sie jetzt tut und sagt, wird primär von dem Wunsch getragen, der Regierung Trump zu schaden. Offenbar ist sie überzeugt, die Verschlechterung der Beziehung Deutschlands zu den USA sei ein Effekt, der Trump in den USA schaden könnte. Dass es Trump mit seinem Versuch, die NATO zu sprengen, tatsächlich ernst meint, konnten ihr offenbar weder Botschafter Grenell, noch Vizepräsident Pence deutlich machen, obwohl die Aussage – frei interpretiert – „Wenn ihr North Stream 2 wollt, werden wir euch von der Beistandsklausel nach Artikel 5 ausschließen“, ziemlich unüberhörbar gefallen ist.
Und nun steuert das deutsche Ohnsorg-Theater zu Berlin mit aller Macht auf jenen Augenblick zu, wo Angela, um ihr Gesicht zu wahren, sagen muss: „Du traust dich nicht!“
Das kann zum Auslöser für den fälligen Zwei-Fronten-Krieg werden, mit dem die USA die EU endgültig vom weltpolitischen Poker-Tisch wegschubsen wollen. Die eine Front, die offizielle Westfront, wird der Handelskrieg gegen die EU sein, von dem der Hauptexporteur Deutschland am härtesten getroffen wird. Die andere Front, die Ostfront, wird mit Sanktionen gegen jeglichen EU-Handel mit Russland und dem Iran gezogen. Trump wird zudem keine Gelegenheit auslassen, bilaterale Vereinbarung mit jedem zugänglichen EU-Mitglied zu treffen, und da könnten durchaus die Franzosen unter Macron sogar noch schneller vom Glauben an die EU abfallen als die russophoben Polen und ihre Nachbarn im Baltikum. Wenn Deutschland von den USA ins Visier genommen und empfindlich getroffen wird, bricht die EU – mangels Finanzierung – nämlich ganz von alleine zusammen wie ein Kartenhaus.
Das hat doch alles keinen Sinn?
Das glauben Sie immer noch?
Das wussten schon die alten Römer, dass das Teilen den Sinn hat, zu herrschen.