Zwischen den USA und China werden hohe Hürden im bilateralen Handel aufgebaut.
Ungeachtet der Ziele, die Donald Trump anstrebt, und ungeachtet der chinesischen Versuche, die eigene Position durch Gegenwehr mit gleicher Münze zu halten, sind die Kommentierungen dieses Handelskrieges, jedenfalls soweit Sie mir vor Augen gekommen sind, ausschließlich einseitige, interessengefärbte Verlautbarungen, die am Kern der Sache vorbeigehen.
Von daher der Versuch, die Situation nüchtern zu betrachten, die Vokabel „Strafzölle“ zu vermeiden und stattdessen die grundsätzlichen Wirkungen von Einfuhrzöllen, losgelöst von jeglicher konkreten Situation zu betrachten.
Die grundsätzliche Zielsetzung von Einfuhrzöllen
Ein Einfuhrzoll ist üblicherweise ein Schutzschirm für die Unternehmen der eigenen Volkswirtschaft, mit dem verhindert werden soll, dass diese im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern Marktanteile verlieren, dass ihre Gewinne bis hin zur Geschäftsaufgabe schmelzen und letztlich Arbeitsplätze verloren gehen, während zugleich in Bezug auf bestimmte Produkte oder Warengruppen eine Abhängigkeit von ausländischen Anbietern entsteht, die von diesen – irgendwann – durch Preiserhöhungen oder sogar einen Lieferstop ausgenutzt werden könnte.
Ob dieser Protektionismus grundsätzlich und immerwährend ausgeübt wird, oder erst dann, wenn die Gefahr, eigene Kapazitäten zu verlieren und in Abhängigkeit zu geraten, erkannt wird, macht zwar durchaus einen Unterschied. Eine permanent durch Zölle vor dem internationalen Wettbewerb geschützte Wirtschaft schwebt zumindest in der Gefahr, „träge“ zu werden, während eine bereits geschädigte, vergeblich um Kapazitätsauslastung kämpfende Wirtschaft keinen Ansporn mehr braucht, wettbewerbsfähiger zu werden, sondern unter dem Schutzschirm lediglich Gelegenheit bekommen soll, unbehelligt von Anbietern mit für diese günstigeren Rahmenbedingungen (niedrige Löhne, Steuern, kaum reguliertes Wirtschaften) wieder einmal Atem holen zu können.
Dieser Unterschied ist in der Auswirkung auf die beiden hauptbetroffenen Parteien, nämlich auf den Einzelhandel und die Konsumenten im Binnenmarkt auf der einen Seite und die ausländischen Produzenten auf der anderen Seite, nicht von Belang.
Einfuhrzölle verteuern den Konsum. Das ist unabänderlich.
Der Einzelhandel mit seinen schmalen Margen kann Einfuhrzölle nicht auffangen, und er braucht sie auch nicht aufzufangen, weil die Konkurrenz aus dem Binnenmarkt entweder immer noch teurer anbietet als das Ausland inklusive Zoll, oder weil die inländischen Anbieter sich knapp unterhalb des Preises importierter Waren, inklusive Zoll, positionieren. Selbst wenn Inländer deutlich billiger anbieten, aber die Nachfrage mangels Kapazität nicht befriedigen können, wird der Konsument die Zölle in seinem Haushaltsbudget bemerken.
Für den betroffenen Exporteur, der im Zielland eine marktbeherrschende Stellung erobert hatte und Produkte anbietet, die von den Konsumenten für „unverzichtbar“ gehalten werden, wird der Einfuhrzoll nur marginale Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn haben, so lange die Konkurrenz im Zielland nicht in der Lage ist, das ausländische Angebot in Bezug auf Menge, Qualität und Einzelhandelspreis auszustechen.
Das heißt im Umkehrschluss: Einfuhrzölle treffen den Exporteur umso mehr, je geringfügiger sein Einfluss im Importland ist. Um mächtige Exporteure zurückzudrängen, müssen extrem hohe Zölle erhoben werden, was die Konsumenten solange extrem belastet, bis die einheimische Wirtschaft im Schutz der Zölle aufgeholt hat.
Fakt ist: Zölle belasten die Konsumenten sofort – Arbeitsplätze und Arbeitseinkommen, die das kompensieren könnten, entstehen erst mit erheblichem zeitlichen Nachlauf. Das heißt, das Aufspannen des protektionistischen Schutzschirmes über der einheimischen Wirtschaft kostet für geraume Zeit Kaufkraft, die wiederum an anderer Stelle fehlt. Das heißt: Einfuhrzölle sind geeignet, die volkswirtschaftliche Gesamtleistung dadurch zu reduzieren, also ein negatives Wachstum auszulösen, weil der Nachfrage keine ausreichende Kaufkraft zur Verfügung steht.
Die Patentlösung, von der hin und wieder die Rede, ist nämlich die Nachfrage dadurch zu stärken, dass den Konsumenten die erhobenen Zölle durch Steuernachlässe oder auf andere Weise direkt wieder zufließen sollen, ist nicht gangbar, weil dadurch die eigentliche Absicht sofort wieder zunichte gemacht würde.
Es heißt also tatsächlich für eine Weile, solange die eigene Wirtschaft braucht, um wieder auf die Beine zu kommen, den Gürtel enger zu schnallen, und das führt wiederum, wie bereits angeführt, dazu, dass es dem Binnenmarkt an Liquidität mangelt.
Die einzig denkbare Lösung ist ein Konjunkturprogramm mit massiven staatlichen Investitionen, mit den zu erwartenden negativen Folgen auf den Geldwert, sowohl im Binnenmarkt als auch an den Devisenbörsen.
Wie man es auch dreht und wendet. Mit Einfuhrzöllen werden die in den Jahren ausufernder Importe aus Billiglohnländern genossenen Preisvorteile nachträglich fällig gestellt. Das ist ausgesprochen unangenehm, und umso unangenehmer, je stärker das Importland bereits von ausländischen Produkten aller möglichen Branchen abhängig geworden war.
Einfuhrzölle schmälern Umsatz und Gewinn der Exporteure.
Das lässt sich jedoch zumindest teilweise kompensieren.
Dem muss vorangestellt werden, dass eben nicht ein LCD-Bildschirm für den Produzenten einen Gewinn von 20 Euro abwirft, so dass eine Million LCD-Bildschirme 20 Millionen Euro Gewinn abwerfen, sondern dass erst einmal 800.000 dieser Bildschirme verkauft sein müssen, um die Investitionen in Entwicklung und in die Fabriken zu decken, sowie Löhne und Material für 800.000 Stück bezahlen zu können, bis ab dann jeder einzelne Bildschirm nur noch die Lohn- und Materialkosten einspielen muss, was pro Stück einen Gewinn von 100 Euro – und damit bezogen auf die volle Million wieder jene 20 Millionen bedeutet, die das Geschäft erst rentabel machen.
Ein Umsatzrückgang um 10 Prozent bedeutet in diesem Beispiel einen Gewinnrückgang um 50 Prozent. Ein Umsatzrückgang um 20 Prozent lässt den Gewinn auf null schrumpfen. Mehr als 20 Prozent Umsatzrückgang zwingen entweder zu Preiserhöhungen oder Kostensenkungen oder dazu, neue Märkte zu erschließen. Gelingt nichts davon, ist die Pleite vorprogrammiert.
Sind die Einfuhrzölle so bemessen, dass der Absatzrückgang der importierten Produkte eine Größenordnung erreicht, die solche Effekte auf die Gewinnsituation auslöst, sind die Chancen der exportierenden Volkswirtschaft, die negativen Folgen abzumildern, allerdings durchaus besser als die jener Volkswirtschaft, die Einfuhrzölle erhebt.
Erstens kann der Exporteur versuchen, sich neue Märkte zu erschließen, bzw. auf bestehenden anderen Exportmärkten eine stärkere Position zu erringen. Hierbei können sich Preisnachlässe durchaus als so etwas, wie ein „kleineres Übel“ erweisen und helfen, die Kapazitäten auszulasten. Es gilt, je mehr Importmärkte beliefert werden, und je gleichmäßiger die Verkaufsmengen auf diese Staaten verteilt sind, desto geringer die Schadwirkung von Einfuhrzöllen eines Staates auf die Volkswirtschaft des Exportlandes.
Zweitens ist die Möglichkeit gegeben, die Kaufkraft der eignen Bevölkerung alleine durch Lohnerhöhungen soweit zu steigern, dass die ursprünglich für den Export produzierten Waren im Binnenmarkt zu niedrigeren Preisen abgesetzt werden können, als sie der Endkunde im Ausland zu zahlen hatte.
Dies geht zwar (weil die Löhne steigen) ebenfalls mit rückläufigen Gewinnen einher, führt aber eben nicht zu einer Depression, sondern mit etwas Glück sogar zu einem selbsttragenden Aufschwung, weil steigende Löhne in der Regel zusätzliches Wachstum durch vorgezogenen, kreditfinanzierten Konsum ermöglichen, was vom Staat noch durch langfristig wirkende Programme, z.B. Prämien für den Bau von Wohnungen und Eigenheimen, etc., unterstützt werden kann. Dies wiederum führt zu Zufriedenheit mit der Regierung, was ebenfalls als ein sehr wichtiges und wertvolles Gut angesehen werden muss.
So, wie der importierende Staat durch Einfuhrzölle nachträglich die Rechnung für den bislang genossenen Preisvorteil zu zahlen hat, können diese Zölle für die Beschäftigten des exportierenden Staates einen nachträglich gewährten Bonus für die – im Interesse des Exports – niedrig gehaltenen Löhne ermöglichen.
Einfuhrzölle als Waffen im Handelskrieg
Die bisherigen Ausführungen legen den Gedanken nahe, dass Einfuhrzölle eine Maßnahme darstellen, die für die durch diese Zölle geschützte Volkswirtschaft die größere Herausforderung darstellen und mit nicht unerheblichen Risiken behaftet sind, während die damit bekämpfte Volkswirtschaft bessere Möglichkeiten hat, sich darauf einzustellen und den Schaden zu minimieren.
Die noch nicht erwähnte Komponente, die alles noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lässt, ist der Devisenbedarf des Exporteurs.
Sinkende Außenhandelsumsätze können zwar ggfs. durch Handel mit Drittstaaten oder durch Stärkung des Binnenmarktes aufgefangen werden, doch wenn der Exporteur zur Deckung seines eigenen Bedarfs an Rohstoffen und Produkten auf Devisen in der Währung des Gegners im Handelskrieg angewiesen ist, kann ihn dies in Schwierigkeiten bringen.
Damit sind wir wieder bei der Auseinandersetzung zwischen China und den USA.
Nach meiner Einschätzung ist China heute weniger denn je darauf angewiesen, durch seine Exporte soviel an US-Dollar einzunehmen, dass es seine Ölrechnung und einige ganz spezielle, im Inland nicht herstellbare, nur in Dollar zu bezahlende Produkte einkaufen kann. Im Gegenteil, die Chinesen sitzen auf einem Berg von Währungsreserven (rund 3 Billionen Dollar), der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat, und der für die Stabilität der US-Währung eine Bedrohung darstellt.
Die Forderung Trumps, die Chinesen sollten mehr in den USA einkaufen, zielt darauf ab, diesen Berg nicht weiter wachsen zu lassen, und die Strafzölle, die helfen sollen, diese Forderung durchzusetzen, stellen die für China zwar beherrschbare, aber etwas schmerzhaftere Lösung dar.
Würde China jedoch mehr in den USA einkaufen, geriete das Wirtschaftsgeflecht, das sich China vor allem, aber nicht nur, mit Russland aufgebaut hat und das es mit der neuen Seidenstraße weiter ausbaut, aus der Balance, Chinas Außenhandelsungleichgewichte würden nun gegenüber anderen, „freundlicheren“ Staaten wachsen, während die „unfreundlichen“ USA den Vorteil daraus ziehen könnten.
Von daher ist das eher unwillige Verhalten Chinas absolut verständlich.
Trump hat die Karte der Einfuhrzölle jetzt voll ausgereizt.
Die nächste Eskalationsstufe bestünde darin, China mit Sanktionen zu belegen, so wie die USA den Iran mit Sanktionen belegen, also allen Unternehmen auf dieser Welt Strafen anzudrohen, so sie denn weiterhin mit China Handel treiben.
Dies wäre jedoch, angesichts der vielfältigen Handelsbeziehungen Chinas mit aller Welt, ein absolut größenwahnsinniges und ohne den Einsatz militärischer Gewalt niemals durchsetzbares Unterfangen. Dies kann und will ich mir nicht vorstellen.
Von daher gehe ich davon aus, dass sich der jetzt angeheizte Handelskrieg im Laufe der nächsten 12 bis 18 Monate klammheimlich, und so, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren können, in Wohlgefallen auflösen wird.
Trump hat den Versuch unternommen, stellt gerade fest, dass er dabei in eine Sackgasse geraten ist, und wird – nach einigem Fluchen – einfach den Rückwärtsgang einlegen und etwas Neues probieren.
Einfuhrzölle als Adrenalinstoß für Spekulanten
Leider muss auch diesr Betrachtungsweise große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die durch massive Veränderungen von Handelsschranken möglichen Folgen für ganze Wirtschaftsräume sind Hafer für die Gäule der Spekulationseliten. Aktienkurse ganzer Branchen werden ins Feuer gestellt – und wenn die Panik am größten ist, umsichtig wieder zusammengekauft. Am Warenterminmarkt werden gigantische Wetten abgeschlossen und an den Devisenbörsen ebenso. Wer nur ein bisschen Insiderwissen aufschnappen konnte, wer eine kleine Ahnung davon hat, wie weit ein Handelskrieg getrieben werden soll, wie lange es dauern wird, bis welche Seite einlenkt, kann dabei ein Vermögen verdienen. Wer als Berater Einfluss hat, über die laufende Entwicklung und die Reaktionen der Gegenseite informiert ist, und die Entscheidungen lenken kann, steht bei den Profiteuren in der ersten Reihe.
Warum bricht der DAX ein, wenn sich China und die USA beharken? Warum reicht eine in die Welt gesetzte Drohung, Zölle auf Automobile aus der EU zu erheben, um Milliarden Börsenwerte zu vernichten? Und wer greift mit welchen Hintergedanken zu, wo eine alte Börsianerweisheit doch davor warnt, in ein fallendes Messer zu greifen?
China ist reich. China hat eine starke Führung. China kann – wie vorstehend erläutert – auf die US-Zölle relativ gut reagieren. Nur etwa ein Fünftel der chinesischen Exporte gehen in die USA. Die US-Wirtschaft ist noch lange nicht in der Lage, die chinesischen Lieferungen mit eigenen Produkten auszugleichen, so dass die Exporte nur langsam und mäßig zurückgehen, während die US-Konsumenten die Einfuhrzölle als „Inflation“ zu tragen haben.
Dieser ganze Handelskrieg ergibt erst dann einen Sinn, wenn die damit hergestellten Spekulations-Szenarien in die Betrachtung einbezogen werden.
Die angestrebten Ziele könnten durchaus auch auf anderem, nicht konfrontativem Wege erzielt werden. Die einfachste und zugleich die Realität akzeptierende Lösung wäre eine Abwertung des US-Dollars um jene 25 Prozent, die jetzt stattdessen auf Einfuhren erhoben werden. Das würde nicht nur Importe verteuern, es würde auch die Chancen der US-Exporteure auf dem Weltmarkt drastisch verbessern – und es wäre angesichts der Fundamentaldaten der US-Wirtschaft und der US-Verschuldung durchaus die richtige Entscheidung.
Allerdings zeigt die Veweigerung, diesen Weg zu gehen, dass die Macht der Gläubiger die Macht des US-Präsidenten doch deutlich übersteigt.