Die Straße von Hormus

Als am Donnerstag mein Paukenschlag veröffentlicht war, dauerte es nicht lange, und die Meldung von zwei Schiffen, die in der Straße von Hormus „beschädigt“ worden waren, füllte die Nachrichten.

Nachdem sich die ersten Wogen geglätten haben, darf davon ausgegangen werden, dass das noch nicht der Casus belli war.

Auch wenn aus den USA ein sonderbares Video zur Veröffentlichung freigegeben wurde und aus dem Weißen Haus, wie auch aus London, die Überzeugung in die Welt gesetzt wird: „Die Iraner waren es!“ – der Inszenierung fehlt immer noch der Schwung, die Dramatik. Es fehlt auch weiterhin an ernstzunehmenden Drohungen.

Die Aussage der USA, es gäbe in der Region niemanden, der in der Lage sei, ein solches Projekt durchzuziehen, außer dem Iran, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Aus Israel hören wir – praktisch seit Beginn der Aufzeichnungen – die immer gleiche Botschaft: „Der Iran muss angegriffen werden.“ Und Israel ist in jeder Beziehung fähig, ein langsames, unbewaffnetes und noch dazu „argloses“ ziviles Schiff zu versenken. Kleine Löcher in den Rumpf zu knipsen, oberhalb der Wasserlinie noch dazu, das ist keine Kunst. Das ist eher „Schiffe-Versenken für Anfänger: D7 – Treffer. Das würde eventuell sogar die Bundeswehr noch schaffen. Natürlich verfügen auch die Saudis über jede Art von Kriegsspielzeug, das auf dem Weltmarkt zu kaufen ist  – und Soldaten, die damit umgehen können, wahrscheinlich auch. Und auch den Saudis ist daran gelegen, die Mullahs in Teheran vernichtend zu schlagen. Vordergründig ein Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten, hintergründig ein Krieg um sehr viel Geld und um die Vorherrschaft in der Region.

Sowohl den Israelis, als auch den Saudis, fehlt es jedoch an Ressourcen, um einen konventionellen Waffengang mit dem Iran tatsächlich siegreich ausfechten zu können. Ohne die Hilfe der USA ist das Wagnis nicht nur unkalkulierbar, sondern zum Scheitern verurteilt. Also  wäre jetzt, nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch Trump und der Verhängung verschärfter Sanktionen gegen Iran, die günstige Gelegenheit, dem Iran rachelustige Angriffe auf Schiffe in der Straße von Hormus in die Schuhe zu schieben und die USA damit zum Eingreifen zu animieren.

Dass bei den Attacken nicht viel kaputtgemacht wurde, dass niemand versucht hat, die Haupt-Öl-Versorgungsroute der Welt tatsächlich mit Wracks zu verstopfen, spricht allerdings nicht gerade für den Iran als Übeltäter. Der würde, wenn er es denn erst meinen würde, mit einem einzigen großen Donnerschlag den Engpass versperren, doch auch das kommt eigentlich erst im Zuge bereits ausgebrochener kriegerischer Handlungen infrage, nicht als Auftakt dazu.

Betrachtet man nämlich die Interessenlage des Iran, dann würde die jüngste  Aktion eine Einladung an USA, Israel und Saudi-Arabien darstellen, den Iran anzugreifen. Dies würde nur dann Sinn machen, wenn die Iraner im eigenen Land eine Falle aufgestellt hätten, in welche die Angreifer chancenlos hineintappen würden. Das ist eine Kriegslist aus dem Mittelalter, und wenn die Mullahs auch in mancher Beziehung noch im Mittelalter verharren – bezüglich der Waffensysteme und auch in Bezug auf die Fähigkeit zum strategischen Denken befinden sie sich in der Neuzeit.

Selbst wenn sie in der Lage sein sollten, einen US-Flugzeugträger zu versenken – gegen Massenstarts von Cruise Missiles aus Saudi-Arabien, gegen hochfliegende B52-Tarnkappen-Bomber, sind sie weitgehend machtlos, und können im Gegenschlag immer nur gegnerische Truppen treffen, nicht aber die Zentren der strategischen Kriegsführung der USA, nicht in den USA, und nicht AFRICOM in Stuttgart. Iran kann immer nur versuchen, Angreifern Verluste zuzufügen. Zu besiegen sind die USA vom Iran aus nicht.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Russland und China sich als Schutzmächte, zumindest als dem Iran freundschaftlich verbunden ansehen. Auch wenn sie involviert werden sollten, würden sie nur helfen können, Angriffe abzuwehren, nicht aber den Gegner so vernichtend zu schlagen, dass die Kriegsgelüste erlöschen müssten. Kriegsgebiet wäre grundsätzlich der Iran, und dort müsste trotz aller Abwehr mit massiven Zerstörungen gerechnet werden.

Wie ich es auch drehe und wende: Unmittelbare Kriegsgefahr kann ich nicht erkennen.

Wenn es jedoch knallt, dann ist danach entweder der Iran von der Landkarte verschwunden, oder die ganze Welt versinkt im nuklearen Winter.