Schwere Politik-Kollision in der Ukraine

Es fällt schwer, ernst und ruhig zu bleiben, wenn die Transatlantiker nun – fernab des Geschehens – triumphierend auf ihren Barrikaden stehen und erklären, sie hätten es ja schon immer vorhergesagt.

Wenn „wohlmeinende“ Auguren erklären, Russland sei nun in die lange vorbereitete Falle getappt und werde einen hohen Preis zu zahlen haben, klingt das zwar besser, aber nicht weniger hohl.

Seit Brzezinski die weltpolitische Strategie der USA mit seinem Buch „The grand chessboard“ öffentlich gemacht hat, kann jeder wissen, dass es seit vielen Jahren erklärtes Ziel der US-Politik ist, die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauszubrechen. Ebenso, wie es erklärtes Ziel ist, jedes nähere Zusammenrücken zwischen Russland und Deutschland zu verhindern.

Wer das in der aktuellen Debatte um den Krieg in der Ukraine unterschlägt und eben nicht, wie der Verkehrsrichter bei einer Kollision zweier Fahrzeuge, zu der Erkenntnis gelangt, dass es nicht nur einen Schuldigen gibt, sondern dass den Unfallgegner zumindest eine Mitschuld von X-Prozent trifft, ist in meinen Augen ein Lump.

Wer in der aktuellen Debatte um den Krieg in der Ukraine unterschlägt, dass es die Ukraine war, die nicht die geringsten Anstalten gemacht hat, die Verpflichtungen, die sie mit dem Vertrag von Minsk eingegangen ist, zu erfüllen, und gleichzeitig zu jenen gehört, die Putin die Schuld für die Scharmützel an der Demarkationslinie alleine in die Schuhe geschoben haben, weil er seinen Einfluss auf die Separatisten im Donbass nicht geltend gemacht habe, während kein Steinmeier und kein Macron sich der Mühe unterzogen haben, ihrerseits Selenki zu ermahnen, gehört in die gleiche Schublade.

Nicht Russland ist in eine Falle getappt, sondern die Ukraine. Die EU-Mitgliedschaft hat man ihr – wie dem Esel die Karotte – vor die Nase gehalten, die NATO-Mitgliedschaft hat man den Ukrainern möglich erscheinen lassen, Waffen und Ausrüstung hat man der Ukraine geliefert und dazu große Worte der Freundschaft und des Beistands vom Stapel gelassen und Selenski und seine Hintermänner damit ermutigt, mindestens die Separistengebiete, möglichst sogar die Krim zurück zu erobern, wo bei für jeden, der seine fünf Sinne beisammen hat, also auch für Herrn Selenski, klar sein musste, dass die Ukraine in einem Waffengang gegen Russland alleine nie und nimmer bestehen könne. Was also muss Herr Selenski aus allen westlichen Äußerungen geschlossen haben? Richtig. Selenski muss überzeugt gewesen sein, sobald er den russischen Bären so weit gereizt hätte, dass dieser sich aufrichtet und die Krallen ausfährt, kämen die befreundeten Jäger mit ihren großkalibrigen Flinten aus dem Gebüsch und würden den „Problembären“ erlegen, wobei die Ukraine, beim Verteilen des Bärenfelles nicht zu kurz kommen sollte.

Es sitzt aber nicht nur die Ukraine in der Falle. Gleich nebenan ist nämlich die EU ins Fangeisen getrieben worden, das seit Jahren offen und kein bisschen getarnt aufgestellt worden war. Jeder Schwur der Bündnistreue, jeder Pinselstrich, den die EU am Feindbild Russland mitgemalt hat, hat sich schlagartig in einen jener scharfen Zähne am Fangeisen verwandelt, in die sie nun – in unverbrüchlicher Treue aneinander geklammert – festsitzen. Jeder einzelne könnte sich lösen und seine eigene, den eigenen Interessen folgende Politik gegenüber Moskau vertreten, wäre da nicht der große Bruder in Washington, der für diesen Fall damit droht, seinen Schutzschirm zurückzuziehen.

An alle Kriegsbegeisterten im Lande: Es gibt keinen Schutzschirm der USA für die EU.

Wenn es zum Showdown kommen sollte, dann sind die Länder der EU Aufmarschraum und Kampfzone. Aufmarschraum sind sie ja schon jetzt. Glaubt jemand, Russland würde die in Deutschland, Italien, Polen, Rumänien, Litauen und Estland stehenden US- und NATO-Verbände auf dem Gebiet der USA bekämpfen? Das ist Idiotie. Wenn gekämpft wird, dann da, wo die Armeen stehen.

Sollten die USA Russland angreifen, was wäre wohl das erste Ziel eines russischen Gegenschlags?

Die Antwort ist Ramstein.

Größte US-Luftwaffenbasis in Europa. Mit Ramstein würde höchstwahrscheinlich auch Kaiserslautern von den Landkarten verschwinden. Denn ein Angriff der USA auf Russland wäre der Auslöser eines Atomkriegs.

Gut, dass die EU Angst vor diesem Krieg hat. Besser wäre es, wenn sie sich aufraffen könnte, ihre Interessen eigenständig zu vertreten, statt sich von den Falken in den USA in ihren Handlungs- und Handelsmöglichkeiten einschränken zu lassen.

Die Annahme, die Weigerung der Bundesrepublik, Waffen an die Ukraine zu liefern, sei so ein Akt eigenständigen Handelns, ist falsch.

Die Bundesrepublik könnte, selbst wenn sie wollte, weder Waffen noch Munition an die Ukraine liefern, weil sie keine hat.  Deutschland ist ja nicht einmal in der Lage, die eigenen Streitkräfte einsatzfähig auszurüsten. Sicherlich, man könnte Rheinmetall und Kraus-Maffey-Wegmann Aufträge für Kanonen und Panzer erteilen, man könnte die MBDA in Schrobenhausen bitten, Raketen und Lenkflugkörper für die Ukraine zu produzieren und bei Heckler & Koch Gewehre ordern. Zur Not könnte man der Ukraine auch ein U-Boot bauen. Doch bis diese Waffen produziert sind, ist der Krieg zu Ende.

Was in den nächsten Tagen noch geschehen wird, ist nicht wirklich abzusehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die NATO in der Ukraine nicht eingreifen. Dies vorausgesetzt, ist die Ukraine in längstens 14 Tagen fest in russischer Hand. Es wird Verhaftungen geben, die sich gegen die politische und militärische Führung richten – und danach? Einen Friedensvertrag mit Gebietsabtretungen an Russland, und den Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft der Rest-Ukraine, verbunden mit der Zusage von Wiederaufbauhilfen durch Russland, unterzeichnet auf ukrainischer Seite von Selenski. Russische Besatzung der Westukraine bis zu Neuwahlen und der Bildung einer neuen Regierung …

Die EU bleibt auf ihren Sanktionen gegen Russland sitzen, befindet sich in extremer Energienot und ist abhängiger von den USA denn je.

Der Treppenwitz der Weltgeschichte:

Vermutlich werden uns die USA nur mit teurem Fracking Gas beliefern können, weil Russland die USA weiterhin im großen Stil mit Öl beliefern wird.