In dubio pro Dubai

Bist Du bei Dubai dabei?

Siebzigtausend, manche Blätter vermelden auch achtzigtausend, das Vollklimatisierte Bevorzugende, haben sich aufgemacht in die blühende Stadt am Rande der Wüste, um ein Ziel zu beschwören, dem sich die deutsche Politik seit Beginn der Aufzeichnungen zur feministischen Außenpolitik noch nie so nahe wähnte, wie bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Tag der Anreise Vergangenheit geworden war.

Zwei wirkmächtige Botschaften aus Dubai wanderten wie seismische Wellen um die Welt und übertrafen damit alles, was je auf Klimakonferenzen gesagt und verkündet worden war.

Doch hörte man nichts davon, dass die 250 Mitglieder der deutschen Delegation sich wie ein Mann*_Frau/d erhoben und den Saal, stumm protestierend verlassen hätten. Nur Robert Habecks Verhalten hätte eine Vorahnung aufkommen lassen können, hätte man es denn erahnen wollen, dass das Ding diesmal nicht nach den Spielregeln des gründeutschen CO2-Monopoly laufen sollte, denn Robert Habeck ist vorsichtshalber gleich und ganz zu Hause geblieben, und das nicht nur, weil er sonst die letzte Gelegenheit verpasst hätte, der Welt im Talk mit Anne Will reinen, beziehungsweise allerreinsten Wein einzuschenken.

Anders, und offenbar unvorbereitet, traf es den in Dubai stippvisitierend auftretenden, immer noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz. Sollte er in sich die Hoffnung nach Dubai getragen haben, sein Wümmsleinchen in der Größenordnung von 100 Millionen Dollar zu Absenkung der Folgen des Anstiegs der Klimakatastrophen  und der vielen Meeresspiegel in den Gestaden um die sich ebenfalls immer noch stolz aus den Wogen der Ozeane erhebenden Armuts-Atolle könne der Kracher sein, der für alle Zeiten mit der COP28 verbunden bleiben werde, so sah er sich enttäuscht, denn die Kataris reinigten, dem Olaf Scholz gleich, in der Katharsis ihre Seelen und legten noch einmal 100 Millionen Dollar in den gleichen Topf. Scholz aber hatte nicht mehr dabei, konnte folglich auch nicht mehr auf den Tisch legen und musste seine übliche Miene zum bösen Spiel beim Weltgutheitspoker aufsetzen. Dass er danach noch erklärte, er werde auch weiterhin am anderen Ende, also da, wo das Klima durch Technologie verhindert werden soll, jährlich sechs Milliarden einspeisen, konnte den Auftritt auch nicht mehr retten. Ja, wenn er gesagt hätte: „Ich verdreifache auf jährlich 18 Milliarden und runde auch noch großzügig auf, auf 20 oder gleich 25 Milliarden, das hätte einen Ruck durch Dubai gehen lassen können, doch dafür fehlte ihm das untrügliche Gespür des Spielsüchtigen für den unausweichlich nahenden Gewinn.

Man kann es nicht beschönigen. Die Ärmsten mit 100 Millionen vor Schaden bewahren zu wollen, und die Schädiger mit 6 Milliarden vom schädlichen Tun abbringen zu wollen, das wirkt neben dem 100 Milliarden Aufrüstungs-Wumms, der ja, wenn man es recht betrachtet, ein Welt-Schädigungs-Potential-Wumms ist, doch sehr mickrig und  zeugt von geringer tiefer Überzeugung, tatsächlich Gutes tun zu wollen. Es ist – mancher erinnert sich noch daran – wie in den christlichen Kirchen, wenn der Klingelbeutel durch die Reihen geht. Man wirft halt was hinein, um nicht gleich als Unchrist dazustehen,  aber keinesfalls mehr als das, was die neugierigen Augen der Banknachbarn zumindest erwarten, bzw. mit ihren Gaben vorgegeben haben.

Wie bereits angedeutet, war Scholzens vermeintlicher Coup überhaupt nicht das, was diese Klimakonferenz überstrahlen sollte.

Es kam, Sie haben es bereits den Medien entnommen, ganz anders.

Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Kanada, Frankreich, Großbritannien, Japan, Finnland, die Niederlande, Polen, Schweden und dreizehn weitere Staaten haben feierlich eine Erklärung unterzeichnet, des Inhalts, die Nutzung der Kernkraft künftig verdreifachen zu wollen.

Natürlich mit der Begründung – jede andere hätte die 80.000 Delegierten verunsichern können – dies sei der Königsweg zum oben bereits erwähnten Ziel, und sichere nicht nur die ominösen einskommafünf Grad, sondern auch die zuverlässige und preiswerte Versorgung mit elektrischer Energie für praktisch alle Zeit. Der kleine Seitenhieb auf jeden, der sich angesprochen gefühlt haben mag, dies sei, aus Klimawandelverhinderungssicht, doch besser als Öl und Gas einzusetzen, bis die Solaranlagen und Windmühlen – vom Eise befreit und in ausreichender Zahl – als Energiequelle zur Verfügung stünden, ist nicht bei allen gut angekommen.

Stattdessen hub sogleich ein Tosen an, das nicht mehr verharmlosend einfach nur als „Shitstorm“ bezeichnet werden kann.

Der „Global Energy Monitor“ ließ Joe Bernardi verkünden, er halte die Hoffnung auf Atomkraft für unrealistisch, weil die USA den Großteil ihrer geplanten Kernkraftwerke nie realisiert hätten. 

„Oil Change International“ schickt David Tong an die Front, wo er zu verkünden hatte, Atomkraft sei viel zu teuer und der Ausbau würde viel zu lange dauern, um dem Klima damit überhaupt noch Einhalt gebieten zu können.

Zudem vereinten sich – Nachzählung vorbehalten – 120 Staaten im Burj-Khalifa-Schwur: „Wir wollen sein ein einig Volk von Barem!“ Gemeint ist wohl: „Erneuerbarem“, denn nur Bares ist Wahres und wenn es auch nur Erneuerbares ist. Ob 120 „Sonstige“ gegenüber den 22 „Industrienationen“ auch ein Gewicht in die Waagschale bringen, darf bezweifelt werden, obwohl sich Deutschland deren Ziel, die Energieerzeugung aus Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen, angeschlossen hat.  (Zwischenfrage: Muss jetzt eigentlich schon vom Gipfel der verfeindeten Verdreifacher gesprochen werden?)

So weit, so gut. Als nicht ganz neutraler Beobachter sage ich: Beim Heimspiel der Klimaklempner steht es 0 : 1 für die angereisten Atomkraftlobbyisten.

 

Doch das war ja nur die erste der beiden wirkmächtigen Botschaften.

Die zweite Botschaft übermittelte der Schirmherr der Veranstaltung selbst.

Sultan Ahmed al-Dschaber hält den Ausstieg aus Öl und Gas für überflüssig.

Auch wenn die Klimakirche gewissermaßen nur ihre Zelte in Dubai aufgeschlagen hat, ist die COP, egal mit welcher fortlaufenden Nummer und wo sie gerade zelebriert wird, doch so etwas wie der Petersdom der Gläubigen, und die Worte des Sultans müssen dabei als übelste Ketzerei und Blasphemie empfunden worden sein.

Andererseits, und das war vielleicht der größte Fehler der Planer des Events, kann man den Hausherren nicht einfach vor die Tür setzen.

Al-Dschaber selbst, der noch im November gegenüber UN-Vertretern gesagt hat, es gebe „keine Wissenschaft“, mit der sich der Ausstieg aus fossilen Energieträgern begründen ließe, und dass „Entwicklung“ ohne die Nutzung fossiler Energien nicht möglich sei, ruderte dann – wohl um des lieben Friedens und der unter Arabern sehr hoch gehandelten Gastfreundschaft willen – doch um ein paar Zentimeter zurück. Das 1,5 Grad Ziel müsse in Reichweite gehalten werden, meinte er letztlich.

Aber, Al-Dschaber und Katar stehen halt auch nicht alleine da, auf der Welt, wenn es gegen Erneuerbare und Kernkraftler geht. Russland, der Irak, die Vereinigeten Arabischen Emirate und die Saudis sowieso, stemmen sich ebenfalls gegen einen Beschluss zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energiequellen.

Ja – und dann gibt es da noch den einzigen, wirklich großen Elefanten in Dubai, so groß, dass nur der Vize-Chef der Einladung gefolgt ist, nämlich China.
Wenn wir bisher nur drei Parteien betrachtet haben, die an ihren Pfründen festhalten und damit weiter gutes Geld verdienen wollen, nämlich 
  • die erzkonservativen Profiteure fossiler Bodenschätze,
  • die Profiteure des technisch Machbaren, mit ihren Atomreaktoren, und
  • die Energieromantiker mit ihren Windmühlen und Lichtfängern,

so hat sich die vierte Fraktion, nämlich die Chinesen, ganz anders positioniert. Sie verdienen sich dumm und dämlich mit dem Export von Solarzellen (80% Weltbedarf), von Windmühlen (50% Weltbedarf), von E-Mobilen und Wärmepumpen und was der Zutaten für die Energiewende mehr sind, weil sie dies alles mit billigem Strom aus billiger Kohle herstellen und dafür die Hälfte aller weltweit installierten Kohlekraftwerke betreiben und die CO2-Emissions-Weltmeisterschaft innehaben.

Weil sie den ganzen Kladderadatsch so billig produzieren können, stellen sie natürlich auch China damit voll, aber nur da, wo es Sinn macht. Solarzellen da, wo die Sonne scheint, und Windmühlen da, wo der Wind weht. Dennoch erklären sie gänzlich unaufgeregt, vor 2030 würden sie nicht daran denken, ihre CO2-Emissionen zu senken, aber 2060, zehn Jahre nach allen anderen, wollten sie dann auch klimaneutral sein. Ganz bestimmt.

Wenn es nun darum ginge, einen Preis für die klügste Politik weltweit zu verleihen, wer käme da wohl in Frage?

  • Die USA, Frankreich oder ein anderes Land derjenigen, die sich dafür entschieden haben, das 1,5 Grad Ziel zu nutzen, um bei ihrer Energieversorgung mehr denn je auf günstige Kernkraft zu setzen, damit ihre eigene Industrie im Wettbewerb zu stärken und sich zugleich vom Vorwurf, zu viel CO2 zu emittieren rein zu waschen?
  • Die Russen, die Saudis, der Iran oder ein anderes Land derjenigen, die sich schlicht dafür entschieden haben, das was sie – ererbt von ihren Vätern – nun einmal besitzen, einfach weiter zu nutzen und sich auch nicht zu scheuen, Öl und Gas an jeden zu verkaufen, der danach lechzt, und den schwarzen Peter der Klimaschädlichkeit einfach ihren Kunden zuzuschieben, die schließlich den Löwenanteil davon thermisch verwerten und dabei CO2-Emissionen in Kauf nehmen?
  • Die Chinesen, die sich nicht (so schnell) von der Kohle abbringen lassen, aber die ganze Welt mit jenen Gadgets beliefern, die man zu brauchen glaubt, um vor den gestrengen Blicken der UN und des IPCC bestehen zu können, die sich dabei dumm und dämlich verdienen, zugleich ihre Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt ausbauen und mit dem vagen Versprechen, bis 2060 auch klimaneutral zu wirtschaften, locker durchkommen, weil sie einfach schon viel zu stark geworden sind, um sich noch von anderen beeindrucken zu lassen?
  • Die Deutschen, die sich bereits von der Kernkraft getrennt haben, sich baldmöglichst von Kohle, Öl und Gas gänzlich lossagen wollen, damit höchste Energiepreise in Kauf nehmen, in der Hoffnung, das alles wieder aufholen zu können, wenn die Wasserstofftechnologie erst einmal so weit gediehen sein wird, dass die benötigten Komponenten preiswert aus China und der Wasserstoff selbst überwiegend aus Afrika und von sonst woher bezogen werden kann, während sich die eigene Industrie bereits auf den Weg gemacht hat, um in weniger  staatsregulierten Wirtschaftsräumen mit viel preiswerterer Energie das zu produzieren, was auch Deutschland künftig importieren müssen wird?

Gut, die Frage nach der klügsten Politik ist nicht ganz einfach zu beantworten. Wer kein Öl hat, wie Frankreich, kann mit Katar schlecht verglichen werden. Wer seine industrielle Basis auf ganz wenige Sektoren verengt hat, wie die USA, kann schlecht mit China verglichen werden.

Viel leichter fällt es – zumindest mir – mich zu entscheiden, wem die silberne Pflaume für die dümmste Politik verliehen werden sollte,  und ich gehe davon aus, dass sich eine detaillierte Begründung dafür an dieser Stelle erübrigt.