Winterliches aus vierter Hand

Was eine Nichte ihrer Tante, diese Tante meiner Frau, und Julie wiederum mir erzählt hat, erzähle ich hier als Sonntags-Schmankerl weiter.

Vorab: Bei allen Beteiligten handelt es sich um Deutsche, die mit Ausnahme der Tante auch in Deutschland leben. Die Tante gehört zu jenen, die sich längst im sonnigeren Süden Europas niedergelassen haben, wo die Klimakrise, die Deutschland fest in ihren Klauen hält, noch nicht angekommen ist.

Diese Tante schreibt nun:

Liebe Julie,

heute haben auch hier die Medien über das „Schneechaos“ in Deutschland berichtet und Fotos vom Münchner Flughafen und der Innenstadt gezeigt.

Ich finde den Schnee einfach schön. Warum muss man gleich wieder eine Katastrophe daraus machen?

Also ich kann mich an schneereiche Winter in meiner Jugend erinnern, da hat niemand geklagt. Die Kinder hat’s gefreut und die Erwachsenen haben in die Hände gespuckt und zur Schneeschaufel gegriffen.

Und jetzt höre ich von einem geschlossenen Flughafen in München und eingestelltem Bahnverkehr.

Eingestellter Bahnverkehr?

Es gab von der Deutschen Bahn mal den Slogan: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“, und die alten Dieselloks fuhren und fuhren.

Wenn nichts mehr ging, wich man auf die Bahn aus.

Und heute? Da lese ich gerade von einem ICE aus Hamburg, der gestern nach München sollte und in Ulm dann wegen des Schnees nicht mehr weiterfuhr. Die Passagiere mussten im Zug nächtigen, und heute Morgen fuhr der ICE dann zurück nach Hamburg.

Geht’s noch? Ist das Fortschritt?

Oder Beispiel Flughafen.

Meine Nichte ist gestern Abend mit ihrem Mann und zwei Kleinstkindern von Lanzarote zurück nach München geflogen.

Sie flogen verspätet von Lanzarote ab und landeten gegen 22.30 Uhr in München. Dann begann das große Warten.

Laut Flugkapitän waren nur 2 Schneeräumtrupps für den ganzen Großflughafen unterwegs. Dementsprechend stauten sich die Flugzeuge nach der Landung und warteten, dass sie zu irgendeiner Parkposition rollen konnten. Das Flugzeug, in welchem meine Nichte saß, musste insgesamt eine halbe Stunde warten. Und dann war die Warterei noch nicht zu Ende. Denn nun gab es keine Treppe zum Aussteigen.

Die Passagiere mußten bis um 1 Uhr (!!)warten, und als dann die Stimmung zu kippen drohte, kam die Feuerwehr (!!) und über eine Rettungsleiter verließen die Passagiere endlich das Flugzeug.

Im Flughafengebäude erfuhren sie dann noch, dass das Gepäck in Lanzarote leider nicht eingeladen worden war, denn es mußte ja schnell gehen, da das Flugzeug schon beim Start Verspätung hatte, und nun dürfen sie warten. Wenn sie Glück haben, kommt das Gepäck am Dienstag oder Mittwoch oder ……

So weit die Geschichte, für Sie aus vierter Hand.

Vielleicht noch aus meinem  eigenen Erleben die Bestätigung, dass Bahnfahren früher immer funktionierte, Fliegen aber auch schon problematisch sein konnte.

Ich war in den Jahren 1965 bis 1970 sehr viel mit der Bahn unterwegs. Da sind – ich habe das einmal ausgerechnet – in diesen sechs Jahren gut 100.000 Kilometer zusammengekommen. Und in den sechs Wintern, die keineswegs schneefrei blieben, war es eher das Problem, zum Bahnhof zu kommen, aber Verspätungen von mehr als einer oder zwei Minuten gab es nicht, und Zugausfälle schon gar nicht.

Später, ab 1976 bis 1980, habe ich beruflich viel Zeit in Fliegern verbracht. Es muss Anfang 1978 gewesen sein, als ich abends in der letzten PanAm-Maschine von Berlin nach München saß. Mit der maximal erlaubten Flughöhe von 3.000 m über der DDR war die 727 erst einmal kaum aus den Schneewolken herausgekommen. Entschädigt wurden wir dafür mit einem Rundflug über Oberbayern, der nicht enden wollte, weil der Münchner Flughafen (noch der alte in Riem) nämlich dicht war, aber wohl signalisierte, dass eine Landung noch möglich werden könnte. Gegen Mitternacht landete die Boeing dann schließlich in Nürnberg. Es standen tatsächlich Busse bereit, um die Passagiere aufzunehmen. Endstation war München Riem. Es dauerte, bis die  Taxizentrale die ersten Wagen schickte …