快乐带来力量 – Der elektrisch-chinesische KdF-Wagen

PaD 47 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 47 2023 Der elektrisch-chinesische KdF-Wagen

German Foreign Policy berichtet ausführlich über die Pläne von Volkswagen, mit der (kompletten?) Elektromobilität der Marke, einschließlich der Entwicklungsabteilungen, die Flucht aus Deutschland, im Grunde sogar aus der EU und dem ganzen Wertewesten anzutreten, um sich im chinesischen Hefei eine neue Heimat zu suchen.

Keine andere Marke steht so klar für das deutsche Wirtschaftwunder nach dem Zweiten Weltkrieg, wie Volkswagen. Während Borgward, NSU und Glas, Grundig und Loewe, Quelle und Neckermann, auch Nixdorf, längst wieder untergegangen sind, hat sich Volkswagen bis zuletzt gehalten, bis zur Schnapsidee, die beste Antriebstechnologie der Welt in die grüne Tonne zu treten und im Autoland Deutschland, bei gleichzeitiger Abschaltung der Kernkraftwerke und dem Ausstieg aus der Kohle, in den hierzulande nicht zu gewinnenden Wettkampf um die Elektromobilität einzusteigen.

Im Sommer dieses Jahres sorgte VW-Markenchef Thomas Schäfer bei den rund 2000 Führungskräfen des Konzerns mit seiner Aussage: „Der Dachstuhl brennt licherloh“, für nicht geringe Aufregung.

In meinem Tageskommentar, „Volkswagen: Alarmstufe rot“, habe ich am 17. Juli versucht, die Geschichte des Niedergangs der Weltmarke nachzuzeichnen. Hier ein Auszug:

… der Konzern, der mit dem Golf ein nicht minder erfolgreiches Nachfolgemodell hervorgebracht hat, bekennt nun öffentlich, am Rand des Abgrunds zu stehen.

Die Berichterstattung bezieht sich dieser Tage fast ausschließlich auf das Debakel mit den elektrischen Modellen. Nach 75.000 Bestellungen für den ID.4 seien im laufenden Jahr bisher nur 20.000 eingegangen. Die auf Halde produzierten E-Mobile stapeln sich inzwischen bei den Händlern, die nicht mehr wissen, wohin damit.

Unter dem Strich sieht es so aus, dass die Fahrzeugproduktion keine Gewinne mehr abwirft. Was VW gerade noch über Wasser hält, sind die Lizenzeinnahmen aus China und die Gewinne aus dem Teilegeschäft.

Wenn der Markenchef Thomas Schäfer nun den Führungskräften den Ernst der Lage mit der dramatischen Formulierung: „Der Dachstuhl brennt!“, nahezubringen versucht und einen sofortigen Ausgabenstopp verhängt, dann ist dies ein Zeichen für eine äußerste Notlage – und ein Menetekel an der Wand für die deutsche Wirtschaft insgesamt.

Bedenkt man, dass die Probleme bei VW nicht erst am 1. Januar 2023 begonnen haben, sondern dass der Stab über VW bereits im deutschen Schicksalsjahr 2015 gebrochen wurde, so muss man konstatieren, dass sich der Konzern doch noch volle sieben Jahre über Wasser halten konnte, nachdem die US-Umweltschutzbehörde EPA – dreizehn Tage nach Merkels Grenzöffnung – am 18. September 2015 VW den Krieg erklärte und Geldstrafen in der Größenordnung von 18 Milliarden Dollar in den Raum stellte.

Als erste Reaktion stürzte der Kurs der VW Aktie um fast 35 Prozent in den Keller, womit rund 27 Milliarden Euro Börsenkapitalisierung vernichtet wurden. Interessant dabei, dass schon voher innerhalb kurzer Zeit (10. Oktober 2014: 150,95 – 2. April 2015: 243,80 –  21. August 2015: 166,95 €) der VW-Kurs erst in die Höhe getrieben wurde, um ihn dann wieder auf das Ausgangsniveau zurückzuführen, bevor die Bombe auch für das Börsenpublikum hörbar platzte.

Eine vollständige Aufzählung sämtlicher Belastungen durch den so genannten „Abgasskandal“ mit einer Lawine von Straf- und Entschädigungszahlungen, sowie Gerichts- und Anwaltskosten, ohne jedoch die Mehrkosten für die Entwicklung von Nachbesserungsmaßnahmen, Software-Updates, usw., liegt wohl nur in den Büchern von VW vor. Die mir zugänglichen Informationen lassen mich schätzen, dass der Aderlass für VW die Größenordnung von 40 Milliarden Euro überschritten haben dürfte, wovon mehr als die Hälfte an die VW-Kunden in den USA und in die Staatskasse der USA geflossen sein dürften.

Weder die Bundesregierung noch die EU stellten sich schützend vor VW, im Gegenteil, man beeilte sich, den Konzern mit eigenen Klagen zu überziehen.

Schließlich hatte man die Falle mit der Festlegung von NOx-Grenzwerten, die weit oberhalb der gleichzeitig gültigen maximalen Arbeitsplatz-Konzentration lagen, selbst aufgestellt.

Von da an vollzog sich ein schleichender Wechsel der Argumentation. Wohl auch im Vertrauen darauf, dass Otto Normalverbraucher nicht zwischen so genannten Schadstoffen unterscheidet, verschwanden die Stickoxide aus der Diskussion und wurden durch das noch viel schädlichere CO2 ersetzt, wobei der Diesel, obwohl beim CO2-Ausstoß weit besser abschneidend als der Benziner, als maßgeblicher Sündenbock erhalten blieb, bis schließlich der Zustand erreicht war, in dem der Verbrenner überhaupt zum übelsten aller Übel gekürt worden war und die Rufe nach schnellstmöglicher Einführung der Elektromobilität immer lauter wurden.

Volkswagen sparte derweil jeden Groschen, um die Verluste aus dem Abgasskandal zu kompensieren.

Aus meiner Statistik des Arbeitsplatz-Abbaus in Deutschland geht hervor, dass VW 2017 den Abbau von 23.000 Stellen beschlossen hat und alleine im Zeitraum  von Oktober 2019 bis Oktober 2021 weitere 12.600 Jobs bei VW (samt Töchtern) zur Disposition gestellt wurden.

Der im vorstehenden Text fett und rot markierte Satz zur Mitschuld von EU und Bundesregierung taucht nun mit leicht abgewandeltem Tenor bei German Foreign Policy wieder auf. Da heißt es:

Die Umstrukturierung der Produktion hat neben den ökonomischen auch politische Gründe. Mit der Verlagerung der Entwicklung nach China und der weitestgehenden Beschränkung auf chinesische Zulieferer werden die chinesischen Fabriken von Volkswagen unabhängig von Deutschland bzw. Europa. VW-Chinachef Ralf Brandstätter bestätigt: „Wir streben nach einer autonomen, kontrollierbaren Wertschöpfungskette“.[3] Damit werden die chinesischen Werke des Konzerns in die Lage versetzt, im Fall einer Eskalation des westlichen Wirtschaftskriegs gegen die Volksrepublik – also bei verschärften Sanktionen oder gar einem Decoupling –eigenständig weiterzuarbeiten: „in China für China“, wie es bei Volkswagen heißt.[4] Der Konzern wird also unter sämtlichen Umständen auf dem größten Automarkt der Welt präsent bleiben können. Womöglich wird er allerdings seine chinesischen Unternehmenseinheiten abspalten und unabhängig organisieren müssen. In Deutschland bliebe dann der Sitz eines erheblich verkleinerten Konzerns zurück: Volkswagen hat zuletzt 40 Prozent seiner Fahrzeuge in der Volksrepublik abgesetzt. Bereits jetzt gehen für Deutschland umfangreiche Entwicklungstätigkeiten verloren, die in Zukunft bei VCTC in Hefei getätigt werden. Damit schädigt der westliche Wirtschaftskrieg gegen China, der Volkswagen zur Formung einer autonomen Produktion in der Volksrepublik drängt, die deutsche Industrie.

… schädigt die deutsche Industrie …

Wer sich diese vier Wörter langsam auf der Zunge zergehen lässt und versucht, ihren Inhalt quantitativ und qualitativ zu erfassen, dem droht die Gefahr, selbst mit Herzinfarkt oder Hirnschlag im Intensivbett eines der letzten noch funktionierenden Krankenhäuser wieder aufzuwachen. Wobei nicht sicher ist, ob sich diese Lebensrettung als Glück oder Unglück herausstellen wird.

Der  60-Millilarden-Coup des Bundesverfassungsgerichts, an dem die Ampel nun seit zwei Wochen knabbert und knabbert, ohne sich auf den Nachtragshaushalt für 2023 und den Haushalt für 2024 einigen zu können, ist im Vergleich zur Flucht von VW aus Europa nur wie ein kleines Hüsteln gegenüber der lebensbedrohlichen Atemnot bei einem ausgewachsenen Pseudo-Krupp-Anfall.

Es ist doch nicht nur die so genannte Elektro-„Mobilität“ von Volkswagen, die hier verloren geht. Daneben steht eisern das Verbot, ab 2035 innerhalb der EU noch Automobile mit Verbrennermotor verkaufen und zulassen zu dürfen. Bis dahin wird zwar noch gut ein Jahrzehnt vergehen, aber schon hat Stockholm beschlossen, schon 2025 Teile der Innenstadt für Verbrenner zu sperren, Amsterdam will sich damit noch bis 2030 Zeit lassen, und Barcelona, Birmingham, Den Haag, Kopenhagen, London, Mailand, Oslo, Paris, Rom, Rotterdam und Straßburg entwickeln ähnliche Pläne.

Unabhängig von Sinn oder Unsinn solcher Pläne in Bezug auf die Entwicklung des Weltklimas, sind die Folgen für die europäische Industrie deutlich absehbar. Alleine aus der Sicht des VW-Konzerns heißt das, dass der Rückzug aus dem Verbrenner nicht nur alle deutschen VW-Werke treffen wird, das Gleiche gilt für die Töchter SEAT in Spanien, Skoda in Tschechien, nicht zuletzt auch für Audi in Ingolstadt.

Selbst wenn Mercedes und BMW versuchen sollten, ihre Produktion in Deutschland aufrecht zu erhalten, werden sie sich mit zwei Tatsachen konfrontiert sehen, von denen jede alleine schon tödlich sein kann.

  1. Die deutsche und europäische Zuliefer-Industrie ist abhängig von einer Mindestauslastung ihrer Kapazitäten, um wirtschaftlich überleben zu können. Die Abschreibungen auf die Investitionen fallen schließlich unabhängig davon an, wie viele Teile damit produziert werden, also auch dann, wenn die Anlagen stillstehen. Bei vielen  Herstellern werden diese Abschreibungen zugleich in Form von Zins- und Tilgungszahlungen für die Investitionskredite auch ausgabenwirksam, so dass das Gespenst der Zahlungsunfähigkeit einen starken Einfluss auf die Realität gewinnt.
    Die Rettung der Zulieferer wäre nur möglich, wenn die verbleibenden Abnehmer deutlich höhere Preise akzeptieren. Das ist allerdings unmöglich, denn
  2. Der Kostenunterschied zwischen der Fertigung in der EU und der Fertigung in Fernost ist immer noch eklatant. Wenn Volkswagen damit rechnet, in China etwa um ein Drittel billiger produzieren zu können, und es Volkswagen gelingen sollte – was noch lange nicht sicher ist – auf dem europäischen Markt gegenüber Produkten aus Asien noch ausreichend viele E-Automobile absetzen zu können, werden auch Mercedes und BMW in Deutschland nicht mehr produzieren.

Damit ist automatisch das Ende des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland endgültig eingeläutet. Denn der Rückzug der Automobilproduktion folgt ja nur dem Rückzug der Chemieindustrie, die im Prinzip nur aus Knowhow und Anlagenbau besteht, und  der sonstigen energieintensiven Industrie. Wer wird sich in Deutschland noch eine gigantische Papiermaschine hinstellen lassen, wenn Papier in Deutschland nicht mehr kostendeckend hergestellt werden kann, wer wird sich noch einen Zementofen bauen lassen, wenn Zement aus Deutschland unbezahlbar geworden ist?

Dieser Verlust an Wirtschaftskraft ist durch grünen Strom, grünen Wassertoff, grünen Stahl und sonstiges Grünzeug nicht aufzufangen, denn auch das gesamte Grünzeug muss verdorren, wenn die Subventionsgießkanne leer bleibt, weil diejenigen, die sie einst gefüllt haben, nicht einmal mehr auf der Roten Liste der bedrohten Branchen auftauchen, weil sie in ihrem einstigen Biotop schlicht ausgestorben sind.

Zwar ist es deutschen Politikern schon aufgefallen, dass es nicht immer die beste Lösung ist, wenn sich chinesische Unternehmen in die deutsche Wirtschaft einkaufen, so dass – wie am Beispiel Hamburger Hafen zu sehen – auch schon einmal behutsam die Bremsen eingelegt werden.

Aber was will die Bundesregierung tun, wenn in Deutschland ansässige Unternehmen beschließen, ihre Zelte abzubrechen gut 8.000 Kilometer (Luftlinie) entfernt, neu aufzuschlagen, und dies mit der Option, dort – völlig losgelöst vom Mutterkonzern – ein neues Leben zu beginnen?

Globales Kapital kennt keine Grenzen.

Natürlich könnte eine deutsche Regierung dafür sorgen, dass Industrie und Kapital keine Notwendigkeit sehen, sich vom Standort Deutschland abzuwenden.

Eine Regierung, die das auch nur in Erwägung ziehen wollte, haben wir allerdings nicht.

Wir haben das Gegenteil.