Digitales Bargeld – klingt hübsch, ist Quatsch.

Beginnen wir damit, dass unser Geld sowieso von seiner Abstammung her längst digital ist.

Geld kommt aus den Computern der Banken. Dort wird es geschaffen und dem Girokonto des Kunden gutgeschrieben, wenn diesem ein Kredit gewährt wird. Es existiert lediglich in digitaler Codierung, also in Bits und Bytes, in den Speichermedien der Bankcomputer. Wird eine Überweisung ausgeführt, wird das digitale Konto des Absenders belastet, das des Empfängers erhält eine Gutschrift. Alle Vorgänge, die ein Konto betreffen, werden archiviert, so dass zum jeweiligen Kontostand die gesamte Historie im Zeitraum der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nachvollzogen werden kann. Es kann jeder Absender und jeder Empfänger von Überweisungen auch noch nach 10 Jahren identifiziert werden.

Das vielgerühmte „Bargeld“, genauer gesagt, die Münzen und Geldscheine, sind nicht die Henne, von der die Eier des Giralgeldes abstammen. Es ist umgekehrt. Bargeld ist nur eine besondere Erscheinungform des Giralgeldes. Die Banken „kaufen“ Bargeld ihrem Bedarf entsprechend bei der Zentralbank, wo es als vollkommen wertloses Papier im Lager liegt. Seinen Wert erhält es erst, wenn es die Zentralbank verlässt, weil die Geschäftsbank die Zentralbank vorher mit Giralgeld dafür bezahlt hat. Wenn dann die Supermärkte ihre Geldbomben in den Nachttresor geworfen haben und die Bank einen Bargeldüberschuss verzeichnet, geht es mit dem Geldtransporter zurück in die Zentralbank und verliert dabei seinen Wert, denn der wandert als Giralgeldgutschrift wieder auf das Zentralbankkonto der Geschäftsbank.

Der Weg des Bargelds ist nicht nachvollziehbar. Daraus leiten die staatlichen Überwachungsorgane das Argument ab, ohne Bargeld könnten Transaktionen, die der Steuerhinterziehung dienen ebenso wenig vollzogen werden, wie solche, die im Zusammenhang mit kriminellen oder terroristischen Aktivitäten stehen, folglich müsse das Bargeld abgeschafft werden, um Steuerhinterziehern, Schwarzarbeitern, Bankräubern, Kinderpornoringen und Terrororganisationen die Geschäftsgrundlage zu entziehen.

Das ist natürlich ein naiver Traum. Oder hat jemand Kenntnis davon, dass die Betrügereien im Cum-Ex-Skandal nur mit Hilfe von Bargeldzahlungen durchgezogen werden konnten? Ebenso ist nichts davon bekannt, dass der Zahlungsdienstleister Wirecard, jene ominösen 1,9 Milliarden Euro, die irgendwie in Asien „verlorengegangen“ sind, vorher in Form von 3,8 Millionen 500-Euro-Scheinen (Gewicht: 4,256 Tonnen) per Luftfracht nach Singapur verschickt  hat. Natürlich wird sich auch die Mafia ohne Bargeld zu helfen wissen. Da gründet man halt ein kleines Dienstleistungsunternehmen für „Zeitgemäße Unternehmensführung in der Gastronomie“, lässt den Kneipenwirt und den Restaurantbesitzer einen Franchisevertrag unterschreiben und zieht das Schutzgeld per Lastschrift ein. Möglichkeiten gibt es wie Sand am Meer, die reichen von Barter-Geschäften bis hin zu Parallelwährungen. Eine Möglichkeit, den kriminellen Sumpf auszutrocknen, bietet die Bargeldabschaffung nicht.

Sicher, für den Mitarbeiter des Malerbetriebs, der am Wochenende auf eigene Rechnung die Wohnungen von Freunden und Bekannten renoviert, wird es schwieriger, damit ein Einkommen in Form eines universell einsetzbaren Zahlungsmittels zu generieren, aber auch das lässt sich relativ leicht umgehen. Statt der 500 Euro in bar kauft der „Kunde“ halt den Kaffeevollautomaten, den sich der Malergeselle gewünscht hat. Man muss ja nur miteinander reden.

Wenn das Bargeld dennoch mit aller Macht abgeschafft werden soll, dann gibt es da zwei mächtige Interessen, die in die gleiche Richtung ziehen.

  • Den Banken ist der Umgang mit dem Bargeld ausgesprochen lästig.  Es sind ja nicht nur die Werttransporte, die zu hunderten durchs Land fahren, um Bargeld immer wieder hin und her zu schaufeln, es sind die Menschen, welche die Geldautomaten befüllen und in manchen Filialen immer noch Bargeld zur Gutschrift annehmen oder auszahlen, es sind die verdammten Automaten selbst, die nicht nur teuer sind, sondern auch selbst in den SB-Filialen immer noch „Raum“ beanspruchen, der wiederum entweder teuer angemietet werden muss, oder – nach Abschaffung des Bargeldes – teuer vermietet werden könnte.
  • Der Staat, der immer übergriffiger wird, will ja nicht nur in allen Neuwagen tolle Assistenzsysteme haben, mit deren Hilfe – so zumindest die Gerüchte – nicht nur der alkoholisierte Fahrer den Wagen nicht in Gang bringen können soll, sondern eben auch über eine Internetschnittstelle der Motor während der Fahrt von der Polizei abgeschaltet werden können soll. Der Staat will nicht nur die physische Mobilität seiner Bürger einschränken, er will auch den Zugriff auf ihre Konten, diese vorübergehend oder dauerhaft sperren und vorhandene Guthaben ggfs. einziehen können und damit die Bewegungsfreiheit so weit einschränken, dass nur noch das Fahrrad als kostenlos nutzbares Verkehrsmittel übrig bleibt. Das machen ja im großen Stil die USA längst mit den Konten missliebiger Staaten und deren Bürger, und im Kleinen, dafür aber in maximaler Quantität, macht es China mit seinem Sozialpunkte-System vor, an dem durchaus auch deutsche Politiker bereits Interesse gezeigt haben.

Die Abschaffung und Marginalisierung des Bargelds und die Verteufelung seiner Nutzung ist weltweit im Gange und wird auch vor den immer noch bargeldverliebten  Deutschen nicht Halt machen, so lange die politische Großwetterlage bleibt, wie sie ist.

Als Ersatz ein „Digitales Bargeld“ zu kreieren, das halte ich für einen Popanz, der etwas vortäuschen soll, was es nicht gibt.

  1. Ist das Bargeld erst einmal weg, gibt es Geld sowieso nur noch in seiner ursprünglichen, digitalen Form.
  2. Digitales „Zentralbankgeld“ ist ein Witz, weil „Zentralbankgeld“ die Zentralbank nicht verlässt, sondern sich nur auf den Konten der Geschäftsbanken bei der Zentralbank überhaupt aufhalten kann. Die Geldschöpfung selbst findet bei den Geschäftsbanken statt.
  3. Für ein gesondertes „Digitales Geld“, das ausschließlich von den Zentralbanken emittiert wird, und wie das heutige Bargeld an die Banken verkauft wird, die es wiederum ihren Kunden auf gesonderten Konten gutschreiben, gibt es keinen Bedarf, weil es auch keinen sinnvollen Verwendungszweck dafür gibt.
  4. Sollte die Idee vorherrschen, solches Geld auf seinem Weg durch die Transaktionen verfolgen zu können, wie es bei den so genannten Digital-Währungen (Bitcoin usw.) über die Blockchain-Technologie möglich ist, werden  sich auf dem Stand der heutigen Technik mit täglich Milliarden von Zahlungsvorgängen im Euro-Raum unlösbare Probleme im Bereich der Rechner-Kapazitäten und der  Software ergeben, denn letztlich müsste man jedem einzelnen Euro-Cent eine digitale Identität zuweisen, hinter der sämtliche Transaktionen dieses Cents gespeichert werden, weil eben letztlich auch die frisch in die Welt gesetzte Million auf ihrem Weg im Geldkreislauf immer weiter aufgesplittet und zugleich mit Bruchstücken aus anderen Millionen wieder zu neuen Transaktionen zusammengeführt wird.
  5. Der andere Weg bestünde darin, die Identitäten der Cents nicht weiter mit Informationen aufzublähen, stattdessen  auf den Konten der Nutzer die Identitäten aller dort durchlaufenden Zahlungsvorgänge zu speichern. Damit ergibt sich allerdings das gleiche Problem, das heute schon die Verfolgung von Zahlungsströmen erschwert: Das Geld wandert durch die IT-Landschaften sehr vieler Banken, ein Nachvollzug – von der Quelle bis zur Senke – kann damit über alle Systemgrenzen hinweg nicht so einfach ermöglicht werden. Nur eine „Schattendatenbank“ der EU oder der EZB, die parallel zum Zahlungsverkehr der Banken alle Bankkonten bei allen Instituten und alle darüber laufenden Transaktionen permanent mitschreibt, könnte solche Auswertungen ermöglichen. Auch das dürfte m.E. sehr schnell an Kapazitätsgrenzen stoßen und vor allem bei Systemabstürzen, und sei es bei einer Kleinbank auf Zypern, nicht mehr synchronisiert werden können.
  6. Der dritte Weg bestünde darin, den Geschäftsbanken zwar das Kreditgeschäft zu belassen, die Kontenführung im Giralverkehr aber auf Zentralbankebene zu konzentrieren. Damit wäre der Nachvollzug des Weges des Geldes über alles Transaktionen hinweg ebenso möglich, wie mit der vorher angesprochenen Schattendatenbank. Zahlungsdienstleister wie PayPal und auch alle im Euro-Raum tätigen Kreditkarten-Organisationen müssten zwangsläufig in dieses System integriert werden. Ein „Digitales Bargeld“ als eigenständige Form des Geldes erweist sich allerdings auch hier als vollkommen überflüssig.

Von daher bin ich der Überzeugung, dass das digitale Bargeld, von dem Herr Lindner gerade schwadroniert, nur eine Umschreibung für das bestehende Geldsystem nach Abschaffung von Münzen und Geldscheinen, Ladenkassen, Sparstrümpfen und Geldautomaten ist. Es wird nicht anonymer einsetzbar sein als unser bisheriges Giralgeld und es wird ebenso ungeschützt vor Kontensperrungen und Pfändungen sein, wie das bestehende Giralgeld, wobei Änderungen der Gesetzeslage zum erleichterten Zugriff von Justiz-und Finanzbehörden auf die Konten der Bürger vollkommen unabhängig von der digitalen Beschaffenheit des Geldes vollzogen werden können.

Was also soll der Quatsch?