Das 49 Euro-Ticket

Der Segen soll also kommen.

Die Flat-Rate für einen Monat ÖPNV ist auf 49 Euro festgelegt.

Es stellt sich die Frage, welche Zielgruppe Bund und Länder dabei im Auge hatten und warum diese Zielgruppe staatlich subventioniert werden soll.

Man kann hier zunächst einmal sehr einfach abgrenzen, wer vom 49-Euro-Ticket nicht profitieren wird:

1. Bürgergeld-Empfänger

Rund sechs Millionen Menschen, die mit dem Bürgergeld über die Runden kommen müssen, werden sich das 49-Euro-Ticket nicht leisten können.

Mit der Umwandlung der bisherigen Regelsätze für die Grundsicherung in das Bürgergeld fand zwar (für alleinstehende Erwachsene) eine Erhöhung von 449 auf 502 Euro statt, den Transferleistungsempfängern wird also praktisch das 49-Euro-Ticket bezahlt und sie bekommen noch 3 Euro zur freien Verfügung obendrauf, doch das wäre eben nur dann so richtig, wenn da nicht die Inflation wäre, die die Erhöhung schon aufgefressen hat, bevor sie überhaupt erstmals zur Auszahlung kommen wird.

2. Bewohner des ländlichen Raumes mit schlechter Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr

Wo der Bus nur viermal am Tag die Haltestelle ansteuert und die Haltestelle mehr als 1000 Meter von Wohnung oder Arbeitsstätte oder Supermarkt entfernt liegt, ist die Nutzung des ÖPNV im Grunde unzumutbar. Nur wer sich den privaten Pkw absolut nicht leisten kann, wird gezwungen sein, seinen gesamten Lebensrhythmus an den Fahrplanangeboten  von Bussen und Bahnen auszurichten.

3. Handwerker, Monteure, Außendienstmitbarbeiter mit wechselnden Einsatzorten und Einsatzzeiten, auch in den Ballungsräumen

Hier spielen vor allem die Intransparenz der Fahrpläne und die unvermeidlichen Zeitverluste beim Umsteigen die entscheidende Rolle, die davon abschrecken, den ÖPNV zu nutzen und immer wieder neue, andere Routen auszukundschaften und zu nutzen. Fehlende Möglichkeiten zur Mitnahme von notwendigen Arbeitsmaterialien  kommen erschwerend hinzu. 

 

Wer bleibt als Zielgruppe übrig?

Das sind vor allem diejenigen, die bereits regelmäßig den ÖPNV nutzen und sich mit Wochen-, Monats- oder Jahreskarten bereits einigermaßen günstig in den Großstädten und Ballungsräumen bewegen. Das sind in erster Linie Berufstätige, die den ÖPNV für den Arbeitsweg benutzen, sowie die Schüler und jene mobilen Rentner, die sich in das Abenteuer Nahverkehr stürzen, um etwas von der Welt zu sehen. Für einen Münchner, dessen Aktionsradius sich auf eine Tarifzone beschränkt, macht die Umstellung von dieser Monatskarte auf das 49-Euro-Ticket eine monatliche Ersparnis von 10 Euro und 10 Cent aus. Der Schüler tut allerdings besser daran, weiterhin auf der Schülerkarte zu fahren, denn er fährt immer noch fünf Euro billiger als mit dem 49-Euro-Ticket.

Allerdings erlaubt das 49-Euro-Ticket durchaus weitere Fahrten durch mehrere Tarifzonen, was für Pendler aus dem Nahbereich der Stadt – und der reicht bis Wolfratshausen oder Dachau – eine spürbare Entlastung darstellt.

Wer allerdings bishher, trotz gut ausgebautem ÖPNV nicht auf den Pkw verzichtet, wird das auch weiterhin nicht tun, weil die in fast allen Fällen nachvollziehbaren Gründe, die gegen die Nutzung von Bussen und Bahnen sprechen, durch die Verbilligung des Tickets nicht aufgehoben werden.

 

Fazit

Die mit dem 9-Euro-Ticket angelockten Sozialleistungs-Empfänger, die einen Sommer lang fast zum Nulltarif in den Genuss persönlicher Mobilität gelangten, sind mit der mehr als fünf Mal so teuren Mogel-Packung „49-Euro-Ticket“, die mit dem 9-Euro-Ticket nur noch den Namensbestandteil „Euro-Ticket“ gemein hat, wieder aus dem Kreis der Begünstigten herausgefallen. Mag sein, dass darunter auch jemand ist, der 11 Monate lang eisern spart, um sich im 12. Monat wieder einmal einen etwas weiteren Ausflug leisten zu können, aber das sind Ereignisse, wie sie der Sozialamtschef seinen Kindern statt dem Märchen von den Sterntalern als Gute-Nacht-Geschichte erzählen kann. Anrührend, herzerweichend und realitätsfremd.

Ansonsten wird es für die meisten, die schon den ÖPNV nutzen, etwas  billiger. Da es sich um das überwiegend rot-grün gefärbte Klientel aus dem urbanen Raum handelt, dürfte sich dort ein Gefühl kleiner Dankbarkeit für die kleine Entlastung ausbreiten. Die Mitnutzung des Angebots durch „Anderswähler“ muss dafür in Kauf genommen werden.

Da die Verkehrsträger vorsichtshalber ausgerechnet haben, dass diese Subvention mit 1,5 Milliarden vom Bund und 1,5 Milliarden von den Ländern sicherlich nicht vollständig bezahlt sein wird, sollen nun die tatsächlich eintretenden Belastungen zwischen Bund und Ländern geteilt werden.

Es dürfte allerdings vollkommen unmöglich sein, tatsächlich zu ermitteln, welche Einnahmen den Trägern der Nahverkehrssysteme tatsächlich entgangen sein sollten.

Niemand wird zu sagen wissen,

  • inwieweit das 49-Euro-Ticket nur als Ersatz für bisherige Fahrkarten des ÖPNV erworben wurde, schon gar nicht als Ersatz für welche Tickets,
  • in welchem Umfang das 49-Euro-Ticket zeitlich genutzt wurde, ob täglich, werktäglich oder sporadisch,
  • auf welchen Strecken das 49-Euro-Ticket genutzt wurde,
  • welche Distanzen damit pro Monat zurückgelegt wurden,

Folglich wird auch niemand zu sagen wissen, welche Einnahmen den Verkehrsbetrieben durch das 49-Euro-Ticket entgangen sein werden.

Solange die Streckenbedienung unverändert bleibt, wenn also Personal, rollendes Material und die Taktzeiten nicht verändert werden, sollten die Betriebskosten (inflationsbereinigt) gleich bleiben. Es ginge dann also nur um die Differenz zwischen den Einnahmen 2022 und 2023, unabhängig von der Nutzung des Angebots.

Vermutlich wird man bei den Vekehrsbetrieben aber alles tun, was man schon immer vorhatte, aber sich nicht leisten konnte, um das Angebot auszubauen, also die Kosten (in Erwartung eines Ansturms neuer Fahrgäste) in die Höhe treiben und sich diesen Aufwand – unabhängig von Bedarf und Nutzung – aus dem Steuersäckel erstatten lassen.

Der ÖPNV hat in Deutschland im Jahr 2021 im Liniennahverkehr rund 8 Milliarden Fahrgast-Transporte verzeichnet. Daraus lässt sich – unter Berücksichtigung von Hin- und Rückfahrten – auf eine Zahl von etwa 10 Millionen täglicher und regelmäßiger Nutzer schließen. Diesen werden nun, zu den bereits bestehenden Subventionen im regelmäßig defizitären Betrieb (bisher 1,5 Mrd. p.a.), jährlich mindestens weitere 300 Euro zugeschossen, ohne dass damit nennenswerte Verlagerungen des Verkehrs auf den ÖPNV erreicht werden können.

Lustigerweise haben die Verkehrsbetriebe im September 2022 ausgerechnet, dass sich das jährliche Defizit – unabhängig von einem „wie-auch-immer-Ticket“ – auf 3 Milliarden Euro verdoppeln wird. Ein Lump, wer auf die Idee kommt, diese 3 Milliarden Defizit und die 3 Milliarden 49-Euro-Subvention für die Nutzer, hätten auch nur das Geringste miteinander zu tun.

Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.