Bundesamt für Verfassungsschutz – Relikt aus dem Besatzungsrecht?

PaD 15 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 15 2024 Bundesamt für Verfassungsschutz

Der in der Bundesrepublik Deutschland waltende Inlandsgeheimdienst gibt in seinem Handeln in letzter Zeit vermehrt Anlass zur Kritik, insbesondere deshalb, weil  dieses Handeln bei oberflächlicher Betrachtung den Verdacht nährt, es  ginge weniger um den Schutz der Verfassung, sondern vielmehr um den Schutz der Regierung. Wobei als „Regierung“ wiederum nicht die „Institution“ den Schutz des Verfassungsschutzes genießt, sondern die sie tragenden Parteien und deren Repräsentanten , auch wenn sie persönlich nicht der Regierung angehören.

Die Machtverhältnisse, die sich aus der Organisationsstruktur ablesen lassen, dass nämlich der Verfassungschutz Teil des Regierungsapparates und dem Ministerium des Inneren unterstellt ist, sind nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften.

Bei der Gestaltung dieser Struktur, die am 7. November 1950 auf Initiative der Alliierten Hohen Kommissare John Jay McCloy (USA), Ivone Kirkpatrick (GB), und André Francois-Poncet (F), auf Basis des dazu geschaffenen Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 27. September 1950 ins Leben gerufen wurde, mag in naiver Gutgläubigkeit davon ausgegangen worden sein, dass ein Bundeskanzler, der von den in freien, gleichen und geheimen Wahlen ins Parlament entsanden Volksvertretern gewählt wird, in seiner Verantwortung niemals zulassen werde, dass der Verfassungsschutz vom zuständigen Ministerium zu anderen Zwecken, wie zum Beispiel der Verfolgung politischer Gegner, missbraucht werden könnte.

Wäre damals ein auch nur durchschnittlich begabter Advocatus Diaboli befragt worden, er wäre zweifellos zu dem Schluss gekommen, dass diese Gefahr in der beabsichtigten Struktur angelegt sei und es nur eine Frage der Zeit sein könne, bis sie  manifest  in Erscheinung treten würde, zumal Politik von Menschen gemacht werde und sich deren Charaktere oft erst offenbaren, wenn sie über die Machtmittel, wie eben einen solchen Inlandsgeheimdienst verfügen können.

Vermutlich hätte er sogar  davon abgeraten, überhaupt einen solchen Inlandsgeheimdienst zu installieren, der einerseits, um überhaupt arbeiten zu können, permanent Grundrechte verletzen, und andererseits immer einer politischen Instanz zugeordnet werden müsse, was dazu führen könne, dass der Chef des Geheimdienstes letztlich – wenn auch verdeckt – die völlige Kontrolle über den Staat übernimmt. Der Verweis, dass andere Staaten aus guten Gründen eine solche Institution nicht gegründet hätten, wäre dabei nützlich, aber gar nicht erforderlich gewesen.

Natürlich war es 1950 noch nicht möglich, sich den Wünschen der Alliierten Hohen Kommissare zu widersetzen. Das Besatzungsstatut wurde erst sechs Jahre nach Gründung der Bundesrepublik am 5. Mai 1955 aufgehoben (für Berlin übrigens erst am 15. März 1991), so dass durchaus unterstellt werden kann, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Interesse der Alliierten Informationen über die Stimmung der Bevölkerung und eventuelle Widerstandsbewegungen im besetzten Deutschland beschaffen sollte, die sich gegen die „Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft“ richten könnten, als welche – und zu jenem Zwecke – das Grundgesetz geschaffen wurde. (Carlo Schmid, 8. September 1948, im Parlamentarischen Rat, sollte man durchaus immer wieder einmal lesen.)

Dass es das Bundesamt für Verfassungsschutz immer noch gibt, ist einerseits dem Beharrungsvermögen von Bürokratien aller Art zuzuschreiben, die auch dann immer noch weiterexistieren, wenn ihr eigentlicher Zweck längst entfallen ist, andererseits aber auch, weil niemand sich berufen fühlte, eine Debatte über die Auflösung überhaupt zu beginnen, hätte er sich dadurch doch zumindest dem Verdacht ausgesetzt, danach ungestört verfassungsfeindlichen Bestrebungen nachgehen zu wollen, und damit selbst die Beobachtung durch den Verfassungsschutz auf sich gezogen.

Dies alles sind aber Überlegungen aus den Niederungen des Geistes der Unfreiheit, der seine Fesseln nicht ablegen, sondern nur so zurechtrücken will, dass daraus möglichst geringe Schmerzen erwachsen, gerade soviel, dass man sie gewohnt ist und gewohnheitsmäßig schon nicht mehr wahrnimmt.

Das eigentliche Problem liegt auf einer ganz anderen Ebene und der Schlüssel zur Lösung hat bis heute – trotz aller Änderungen – im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland überdauert.

Die Alliierten Siegermächte wollten nämlich nicht, dass das deutsche Volk für alle Zeiten unter den Bedingungen der Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft leben sollte. So haben Sie der Formulierung des Artikels 146 zugestimmt, der heute immer noch aussagt, dass dieses Grundgesetz  an dem Tage seine Gültigkeit verlieren wird, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem ganzen deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. 

Über die ganze Tragweite dieses Auftrags an das ganze Volk sich frei und selbstbestimmt eine Verfassung zu geben, wird öffentlich praktisch nicht diskutiert.

Dazu habe ich im PaD 9 /2021 vom 4. März 2021 schon einmal Folgendes ausgeführt:

Das Grundgesetz macht bezüglich der Ausgestaltung jener Verfassung, die mit seiner eigenen Ungültigkeit in Kraft treten soll, keinerlei Vorschriften!

Denn dies wiederspräche diametral der sinnvollen und notwendigen Vorgabe, die Verfassung in „freier Entscheidung“ zu beschließen.

Wenn sich nun in Deutschland eine Mehrheit dafür fände, eine Verfassung zu entwerfen und gut zu heißen, als deren Wesenskern

  • die Wiederherstellung der Erb-Monarchie,
  • die Gliederung Deutschlands in Fürstentümer wie vor 1871 und
  • der Ersatz der Volksvertretung durch eine stimmrechtslose Räteversammlung

zweifellos zu erkennen wäre, müsste selbst dies nach Buchstaben und Sinn des Grundgesetzes absolut rechtens und zulässig sein.

Auch wenn die in freier Entscheidung beschlossene Verfassung sich nur darin vom Grundgesetz unterscheiden sollte, dass ein Staatsziel „Vereintes Europa“ darin nicht mehr vorkommt und sämtliche, die EU betreffenden Passagen gestrichen würden, verbunden mit der Verpflichtung der ersten nach dieser Verfassung installierten Regierung, den Austritt aus der EU binnen eines Jahres zu vollziehen, muss dies zulässig sein und unter der Noch-Geltung des Grundgesetzes öffentlich diskutiert werden dürfen, weil sonst die in Art. 146 vorgesehene neue, und sich vom Grundgesetz mehr oder minder stark unterscheidende Verfassung nie überhaupt nur auf den Weg gebracht werden könnte.

Der scheinbare Widerspruch zwischen Art. 20 GG, mit dem Recht zum Widerstand, gegen jeden der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, und dem Art. 146, der zur Schaffung einer „anderen Ordnung“ aufruft, lässt sich nur dadurch überwinden, dass die Überzeugung, das Volk sei in der Demokratie der Souverän, dessen Wille von der Regierung nach dem vom Volk gesetzten Recht zu vollziehen ist, in aller Konsequenz respektiert wird.

Daraus ergibt sich nämlich die vollständige Nachrangigkeit des Grundgesetzes,
einschließlich der so genannten „Ewigkeitsartikel“
gegenüber dem Recht des Volkes,
sich seine Verfassung selbst zu geben.

Nur wenn eine Regierung, in welcher Zusammensetzung auch immer, das Grundgesetz, das ja – trotz aller zwischenzeitlich erfolgten Änderungen – immer noch nicht mehr als die von den Alliierten in Auftrag gegebene und abschließend genehmigte, grundsätzliche Rechtsordnung ist,

über das Recht des Volkes, sich selbst eine Verfassung zu geben stellt, das Grundgesetz also in den Rang einer „Meta-Verfassung“ erhebt, was es gerade nicht ist,

kann das Amt des „Verfassungsschutzes“ darin bestehen, jeglichen Gedanken an eine grundsätzlich neue, vom GG abweichende Verfassungsordnung als „Extremismus“ aufzufassen und Organisationen und Parteien, die solche Überlegungen anstellen und zur Diskussion stellen, zu überwachen und letztlich vom Verfassungsgericht verbieten zu lassen.

Bei dieser m.E. zulässigen und richtigen Betrachtungsweise,

erlaubt der Art. 146 im Grunde weit mehr Meinungsfreiheit
als sie im Art. 5 (Meinungsfreiheit) gewährt wird,

was selbst dann gilte, wenn die Einschränkung des 2. Satzes, in dem auf die Vorschriften der allgemeinen Gesetze verwiesen wird, dabei außer Acht gelassen würden, weil der Art. 146 bezüglich der Gestaltung des Zusammenlebens des deutschen Volkes innerhalb seines Staates keinerlei Grenzen des Denkens, Wollens und Strebens setzt, nicht einmal solche, die sich aus Buchstaben und Sinn des Grundgesetzes an anderer Stelle ergeben.

Schon aus diesen Aussagen kann zwingend abgeleitet werden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz, das seine Aufgabe darin sieht,

  • das Grundgesetz, bzw. das was noch davon übrig ist, zu erhalten und
  • allen Bestrebungen, es durch eine Verfassung zu ersetzen, die sich außerhalb eines eng gesteckten, für  zulässig erachteten (von wem, eigentlich?) Rahmens bewegen, nachzuspüren,
  • sie als Verdachtsfall oder gesicherten Fall von Extremismus zu etikettieren und
  • den Versuch, solche Bestrebungen zu ächten und zu verbieten, mit Ermittlungsergebnissen aus geheimdienstlicher Arbeit zu unterstützen,

die Umsetzung des Auftrags aus Artikel 146 GG insofern sabotiert, als es die freie Willensbildung des Volkes in zulässige und unzulässige Bestrebungen einteilt und entsprechend auf die Träger unzulässiger Bestrebungen einwirkt.

Allerdings gibt es  auch den Artikel 21 im Grundgesetz, der einen scheinbaren Widerspruch zu der hier bisher gegebenen Interpretation des Art. 146 aufzuweisen scheint.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 21 

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Kann die hier zwingend vorgesehene Einstufung von Parteien als verfassungswidrig, falls sie darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, mit dem Auftrag des Artikels 146 überhaupt in Einklang gebracht werden?
Da muss man den Versuch unternehmen, den Sachverhalt vom anderen Ende her aufzudröseln.

Was ist das, diese „freiheitlich demokratische Grundordnung“?

Dass das Grundgesetz gerne mit dieser Floskel umschrieben wird, macht die Begriffe ja nicht identisch und austauschbar. Es wird vielmehr damit zum Ausdruck gebracht, dass es dem Deutschen Bundestag (de fakto: den Parteien) gestattet ist, wenn die notwendige qualifizierte Mehrheit erreicht wird, Änderungen am Grundgesetz vorzunehmen, jeoch nur in einem Maße, das seinen freiheitlich demokratischen Charakter nicht beschädigt.

Bei intensiver Betrachtung dieses Artikels im Zusammenhang mit Art. 146 kann sogar angenommen werden, dass es eben nicht die Parteien und die von diesen in den Bundestag entsandten Vertreter sein sollen, die eine neue Verfassung beschließen dürfen.

Stattdessen haben die Parteien an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Hier haben die Väter des Grundgesetzes noch einmal klar unterschieden, zwischen den nach den Regeln des Grundgesetzes agierenden Organen und Strukturen des demokratischen Staates, zu denen eben auch die Parteien gehören, und dem Souverän, der seinen Willen frei bildet, wobei die Parteien lediglich mitwirken.

Dass die Väter des Grundgesetzes seinerzeit diese Willensbildung des Volkes sehr viel differenzierter gesehen haben als sie tatsächlich stattfindet, und sehr viel wirksamer als sie sich dem Betrachter darstellt, sollte bei allen solchen grundsätzlichen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden.

Willensbildung sollte da stattfinden, wo in den einzelnen Politkfeldern Sachentscheidungen zu treffen sind. Ob die Bundeswehr eine Wehrpflichtigen- oder eine Berufsarmee sein soll, wie hoch der Etat des Bundes sein soll, welches Ressort daraus welche Mittel erhalten soll, ob Bundeseigentum privatisiert oder ob Privateigentum verstaatlicht werden soll, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht, ob es Quoten für Zuwanderer gibt oder Obergrenzen, ob weitere Souveränitätsrechte an die EU übertragen werden, ob sich Deutschland an Euro- und Banken-Rettungsschirmen beteiligt und ggfs. in welchem Umfang. Ob Gender-Mainstreaming Staatsdoktrin sein soll, ob das Wahlalter auf 16 Jahre herunter oder wieder auf 21 hinaufgesetzt werden soll, usw., usw.

Mit Wahlplakaten, auf denen nichtssagende Sprüche stehen, und Wahlprogrammen, die a) von den wenigsten gelesen werden und an die b) sich nach der Wahl keine Partei ernsthaft gebunden fühlt, tragen die Parteien zur Willensbildung des Volkes nicht gerade viel bei.

Dem soll jetzt hier aber – schon aus Platz- und Zeitgründen – keine Generalabrechnung mit den Parteien des „Parteienstaates“ folgen.

Ich möchte stattdessen eine neue Unterscheidungsmöglichkeit schaffen, die geeignet ist den Widerspruch aufzulösen, indem ich

  • dem „Grundgesetz-Staat“, wie wir in guten, wie in schlechten Tagen gelernt haben, ihn zu erleben und zu erleiden,
  • den „Verfassungs-Staat“ gegenüberstelle, den uns der Art. 146 als Abschiedsgruß des Grundgesetzes in Aussicht stellt.

Das größte Problem im Grundgesetz-Staat besteht darin, dass die konstitutionell vorgesehene Gewaltenteilung (gar) nicht (mehr) funktioniert.

Der Souverän ist vom politischen Entscheidungsprozess, auch da, wo es um wichtige, langfristig wirksame Richtungsentscheidungen geht, wie bei der Energiewende oder der Zuwanderung oder in der Bekämpfung des Klimawandels vollkommen abgeschnitten.

Die gewählten Volksvertreter, die im Sinne des Souveräns als Legislative agieren sollten, stimmen im Sinne von Parteiführung und Fraktionsvorsitz für Gesetzesvorlagen, die sie immer öfter wegen des konstruierten Zeitmangels weder vernünftig inhaltlich zur Kenntnis nehmen, noch in ihren Auswirkungen vollständig bedenken können.

Diese Gesetzesvorlagen kommen allerdings längst nicht mehr aus dem Kreis der Abgeordneten, sondern entweder von der Exekutive, die sich in ihren Ministerien und von (teuren, angelsächsischen) Anwaltskanzleien, das, was die Exekutive tun will, so ins Gesetzbuch schreiben lässt, dass es ihren Vorstellungen genügt. Der andere Weg führt über die EU, wo im Rat beschlossen wird, was die Kommission zu beschließen hat, damit es am Ende vom Bundestag eins zu eins ins deutsche Recht übernommen wird,

Dazu kommt eine absolut nicht unabhängige Justiz.

Die Justiz muss nach dem Recht urteilen, dass sich die Exekutive unter weitgehender Ausschaltung der Parlamente hat schreiben lassen. Die Staatsanwälte sind an die Weisungen des jeweiligen Justizministers gebunden, werden also in Zweifelsfall ganz schnell vom einen Pferd heruntergehot und auf ein anderes gesetzt, was – ebenfalls im Zweifelsfall – dazu führen kann, dass sich der auf seine Karriere bedachte Staatsanwalt vor der Aufnahme von Ermittlungen bei seinem Dienstherrn rückversichert.

Die Richter haben das gleiche Problem. Sie können zwar, so lange sie sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen und ihren Ermessensspielraum nicht überziehen, richten wie sie wollen, doch wenn es um die Beförderung geht, steht diese wieder im Ermessen der allmächtig gewordenen Exekutive.

Das sieht beim Bundesverfassungsgericht nur wenig anders aus, denn wer dort richten darf, das wird vorher nach einem ziemlich undemokratischen Proporzverfahren von den Parteien ausgekungelt, was auch schon einmal dazu führt, dass eine problematische Klage ohne überzeugende Begründung gar nicht erst zur Entscheidung angenommen wird.

Als letzter Notnagel zur Durchsetzung bestimmter politischer Ziele hat sich der EUGH inzwischen mehrfach bewährt, wenn es darum ging, so genanntes „Europäisches Recht“ gegen das Recht des Grundgesetzes durchzudrücken.

Dies alles sind aber die Regeln im „Grundgesetz-Staat“.

Mit Hilfe dieser Regeln, und weil Entscheidungen des Verfassungsgerichts für die Beklagten auch dann keinerlei Wirkung nach sich ziehen, wenn ihr Handeln zweifelsfrei grundgesetzwidrig war, lassen sich auch klare Verfassungsbrüche der Exekutive durch ein einfaches Schulterzucken heilen. Selbst wenn dem Parlament verpflichtend Gesetzänderungen im Sinne des Gerichts aufgegeben werden: Ob diese zustandekommen, und ob sie, falls sie zustandekommen, den gerügten Zustand substantiell verändern, kann in keinem Fall sicher vorhergesagt werden.

Verantwortlich für diese Zustände ist das Grundgesetz, das sie zulässt.

Verantwortlich dafür, die Schlupflöcher und Möglichkeiten gegen den Sinn des Grundgesetzes wahrzunehmen, sind aber wiederum ausschließlich die Vorstände der Regierungsparteien und deren ausführende Organe auf den Ministersesseln und in den nachgeordneten Behörden, wie z.B. dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Es hat in Deutschland keine Volksabstimmung über die EU-Verfassung stattgefunden. Es hat erst recht keine Abstimmung darüber stattgefunden, ob der Vertrag von Lissabon, der letztlich inhaltsgleich die abgelehnte Verfassung ersetzte, von Deutschland ratifiziert werden soll, während die Parlamentarier, die das schließlich erledigt haben, vor den offenen Mikrofonen von Journalisten durch bestürzende Unkenntnis der Inhalte glänzten.

Es hat in Deutschland keine Volksabstimmung über die Aufgabe der Deutschen Mark zu Gunsten des Euro gegeben, obwohl absehbar war, dass diese Währung die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten nicht verkleinern würde, sondern eher geeignet schien, sie zu vergrößern und die schwachen Staaten an der südlichen Peripherie von Hilfszahlungen, vornehmlich aus der deutschen Staatskasse abhängig zu machen.

Es hat in Deutschland keine Volksabstimmung über Maß und Ziel der über die Gewährung von Asyl hinausgehenden Migrantenströme gegeben.

Die alles waren Entscheidungen von Verfassungsrang, die mehr oder minder hinter dem Rücken des Souveräns getroffen und umgesetzt wurden – und nirgends ist ein Richter zu finden, der dem Souverän zu seinem Recht verhilft.

EU-Skepsis und Euro-Kritik, die Forderung nach einer vernünftigen, nach den deutschen Erfordernissen und Möglichkeiten gestalteten Migrationspolitik, das sind für sich genommen weder Rassismus noch Extremismus. Auch eine gegenüber der Regierunglinie modifizierte Einstellung zur Corona-Pandemie und die berechtigten Zweifel an der menschengemachten Klimakatastrophe haben mit Extremismus nichts zu tun.

Es sind klassische konservative, ja sogar wertkonservative Vorstellungen, wie sie, als CDU und CSU im Bundestag noch auf den rechten Stühlen saßen, von diesen kaum anders vorgetragen und, sofern in Regierungsverantwortung, politisch durchgesetzt wurden.

Im Oktober 2010, nur fünf Jahre vor der Öffnung der deutschen Landesgrenzen, gab es die sogenannte „Integrationsdebatte“.

Seehofer, seinerzeit:

„Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein – Multikulti ist tot.“

In seinem 7-Punkte-Plan las man dann, Deutschland sei kein Zuwanderungsland, Integration bedeute, miteinander leben, auf dem Fundament des Grundgesetzes und unserer Leitkultur, ein prognostizierter Fachkräftemangel könne kein Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung sein. Die restriktiven Regeln des geltenden Zuwanderungsrechts dürften nicht aufgeweicht werden, Integrationsverweigerer müssten sanktioniert werden, bis zur Leistungskürzung, usw.

Angela Merkel, seinerzeit:

„Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert!“

(Sie glauben das nicht? Hier, der damals noch unverdächtige SPIEGEL hat den Bericht noch online)

Welche Änderungen des Grundgesetzes sind, bitte, seit 2010 erfolgt, die es möglich machen, dass das, was seinerzeit in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit von öffentlichen Äußerungen keinerlei Bedenken hervorrief, heute für den Verfassungsschutz ausreicht, einen Verdachtsfall zu begründen, oder gar gesicherten Rechtsextremismus festzustellen?

Ich finde da keine.

Was ich finde, das ist der gelingende Versuch der Regierungsparteien, sich das Grundgesetz auslegungsmäßig und den Verfassungsschutz und das Verfassungsgericht besetzungsmäßig so hinzubiegen, wie sie es brauchen.

Jetzt ist auch noch Herr Schwab mit seinem Great-Reset aufgetreten, dem hierzulande flugs und ohne Grundsatzdebatte und Volksentscheid die euphorische Reden von der alternativlosen Großen Transformation und den tausend Wenden folgt, obwohl der Ansatz des WEF überhaupt nichts mehr mit dem deutschen Grundgesetz zu tun hat, sondern in meinen Augen einen Verfassungsbruch von einem Ausmaß schaffen würde, wie er nicht einmal erreicht würde, sollte eines Tages das Grundgesetz von der Scharia abgelöst werden. Aber schon wieder haben wir keine Chance, dazu auch nur befragt zu werden.

Damit zurück zur Ausgansfrage:

Wie müsste ein Anschlag auf die freiheitlich demokratische Grundordnung aussehen, der Anlass gäbe, eine Partei zu verbieten?

Kulminationspunkt ist und bleibt Artikel 146 GG.

Das ist derjenige Artikel des Grundgesetzes, der nach Aufhebung des Besatzungsrechtes das deutsche Volk – 1955 teilweise, und mit dem 2 + 4 Vertrag von 1990 vollständig – zum alleinigen Souverän der Bundesrepublik Deutschland bestimmt, denn erst seit 1990 kann von der freien Selbstbestimmung des ganzen deutschen Volkes ausgegangen werden.

Die freie Selbstbestimmung des Souveräns bedingt aber die vollständige Meinungsfreiheit und die vollständige Freiheit, über die innere Ordnung und die Zielsetzungen der Republik zu bestimmen, wenn sich dafür mindestens eine absolute, besser eine qualifizierte Mehrheit findet, die dies nach gründlicher Diskussion und Abwägung per Volksabstimmung in den Verfassungsrang erhebt.

Die Emanzipation des „Grundgesetz-Volkes“ zum „Verfassungs-Volk“ ist Bestandteil jener bereits vorauswirkenden, auf die Festlegung ihrer Inhalten wartenden Verfassung, die vom Grundgesetz nicht nur gebilligt, sondern implizit als Ausdruck der wiedergewonnenen Selbstbestimmung gefordert wird.

Grundgesetzwidrigkeit im Grundgesetz-Staat (bis 1990)

Grundgesetzwidrig gem. Art. 21 waren daher bis zur Erlangung der vollen Volkssouveränität jene Parteien, deren Bestrebungen sich gegen die von den Besatzungsmächten genehmigte Ordnung, also geben eben dieses Grundgesetzt, richteten, das nicht aus der freien Willensbildung des Volkes heraus, sondern dem Willen der Siegermächte entsprechend geschaffen wurde, die eben diese freie Willensbildung bis dahin nicht gewähren wollten. Insofern wird deutlich, dass das deutsche Grundgesetz die Antwort der Alliierten auf §43 der Haager Landkriegsordnung war, wo bestimmt ist:

Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.

Verfassungswidrigkeit im potentiell angelegten Verfassungsstaat (seit 1990)

Da die Ordnung des Grundgesetzes theoretisch jederzeit durch die zu schaffende Verfassung abgelöst werden kann, sollten als verfassungswidrig daher heute jene Parteien angesehen werden,

die der freien Willensbildung des Volkes,

soweit sie über den vom Grundgesetzes nur noch kommissarisch gestecken Rahmen hinausgeht,

im Widerspruch zum „Befreiungsauftrag“ des Art. 146 keinen Raum gewähren,

indem sie nicht nur Bestrebungen nach einer neuen Ordnung von vornherein als  unzulässig deklarieren und – in Regierungsverantwortung – bekämpfen, sondern vor allem auch den Willensbildungs-, Diskussions- und Einigungsprozess durch massive Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit unter Einsatz geheimdienstlicher Mittel nahezu vollständig unmöglich machen.

In Anbetracht der zunehmenden und begründeten Kritik am Agieren des Bundesamtes für Verfassungsschutz bedarf es dringend einer ergebnisoffenen Diskussion über die Aufgaben und die Existenzberechtigung eines solchen Inlandsgeheimdienstes,  der, immer noch im abzulösenden „Grundgesetz-Staat“ verhaftet, die Transformation Deutschlands in den Verfassungsstaat freier, selbstbestimmter Deutscher faktisch nicht zulassen kann, ohne sich selbst ad absurdum zu führen.