Verteidigung der westlichen Werte zu Brüssel, Kiew und Jerusalem anno Domini 2024

Mein erster Nachrichten-Check heute Morgen hat mich wieder einmal zornig werden lassen.

Der heutige Tageskommentar geht daher über das übliche Tageskommentar-Format hinaus. Er enthält, neben der Würdigung der aktuellen Geschehnisse um den NatCon-Kongress in Brüssel, je einen Auszug aus den Dossiers „EWK – Zur Lage“ vom 25. Januar und vom 2. April 2024, die ich nun über den Kreis der Abonnenten hinaus öffentlich mache, weil ich es für geboten halte, einen größeren Kreis von Adressaten auf die Zeichen der baldigen Ankunft des nächsten großen Krieges auf europäischem Boden hinzuweisen.

 

Teil 1, Die Parallele

Das gab es schon einmal in der europäischen Geschichte. Die Ereignisse liegen 406 Jahre zurück. Die Schilderung von Wikipedia, wie sie unsere Nachfahren in ferner Zukunft lesen werden, wird der Schilderung des 23. Mai 1618, wie wir sie heute lesen, fast aufs  Haar gleichen:

Die totale Blockade der Konferenz wirkte im Erstarken des europäischen Nationalkonservatismus als Fanal.  Die überwiegend konservativen Kräfte warfen den unter dem linksgrünen Banner im Rat zu Brüssel vereinten Landesregenten vor, die ihnen von der Charta der Vereinten Nationen zugestandenen  Menschenrechte, vor allem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Konservativen zu verletzen, nur um „ihr eigenes Ding“ auf der Weltbühne unbeeinflusst von kritischen Stimmen gegen die Interessen der Völker durchziehen zu können.

Die konservativen Eliten, unter denen sich Studenten, Professoren, Intellektuelle, Kirchenfürsten, Abgeordnete, Minister und ein Ministerpräsident befanden, die von der unterdrückten Mehrheit der Bevölkerung beauftragt waren, deren Rechte zu schützen und zu wahren, beriefen für den April 2024 eine Nationalkonservative Versammlung ein. Obwohl viele nicht erschienen, weil sie schon im Vorfeld gewaltsam am Zugang zum Kongresss gehindert wurden, der übrigens erst im dritten Anlauf überhaupt in einer geeignete Versammlungssstätte zusammenkommen konnte,  ist es gelungen, aus dem umstellten Gelände, Videobotschaften herauszuschmuggeln. Dieses Vorgehen wurde von den herrschenden linksgrünen Eliten mit Hohn, Spott und gespielter Empörung quittiert und jede weitere Versammlung wegen erwiesener rechtsextremer Gesinnung als gesetzeswidrige Gefahr für den öffentlichen Frieden angesehen und verboten, was wiederum bei den Konservativen auf maximale Empörung stieß.

Das Edikt aus den Kammern des europäischen Rates, die Versammlung sofort aufzulösen, wurde – soweit die Teilnehmer nicht freiwillig das Feld räumten, mit Polizeigewalt vollzogen.

Eine kleine Gruppe Eingeweihter plante daraufhin eine Vergeltungsmaßnahme.

1618 ist das dann so weitergegangen:

Nach Auflösung der Ständeversammlung zogen am 23. Mai 1618 knapp 200 Vertreter der protestantischen Stände unter der Führung von Heinrich Matthias von Thurn zur Prager Burg und warfen nach einem improvisierten Schauprozess die in der dortigen Böhmischen Hofkanzlei anwesenden königlichen Statthalter Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg sowie den Kanzleisekretär Philipp Fabricius aus einem Fenster etwa 17 Meter tief in den Burggraben, wobei alle drei, einer von ihnen am Kopf verletzt, überlebten.

Die Defenstration, der Fenstersturz zu Prag, der Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg.

Ich hätte nie gedacht, dass es unter demokratischen Verhältnissen und westlichen Werten so schnell wieder so schlimm werden könnte.

Aber, lesen Sie selbst: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/bruessel-konferenz-konservativer/
Aber kommen Sie danach bitte auch hierher zurück.

 

Teil 2,
Die Gaza-Prognose (zuerst veröffentlicht am 25. Januar 2024 in „EWK – Zur Lage„)

Der andere Krieg

Am 7. Oktober 2023 haben Palästinenser Israel attackiert und damit die Spannungen im so genannten Nahen Osten wieder einmal sichtbar gemacht. Ich nenne hier ganz bewusst nicht die Hamas als Angreifer, weil dies m.E. nur die verwirrende Unterscheidung zwischen einer Art „Armee“ (böse) und einer Art „Zivilbevölkerung“ (gut) herstellt, die ich von meiner Warte aus nicht erkennen kann.

Seit diesem 7. Oktober attackiert Israel ununterbrochen die Palästinenser im Gaza-Streifen, mit dem Ziel, die militärischen Fähigkeiten der Palästinenser so weit zu zerschlagen, dass von diesen „nie wieder!“ ein Angriff auf Israel ausgehen kann. Die Palästinenser sind damit von der Rolle des Angreifers in die Rolle des Verteidigers gelangt und werden von der israelischen Armee buchstäblich in die Ecke gedrängt. Eine Entwicklung, die so vorhersehbar war, wie der Sonnenuntergang am Abend.

Es ist schwer zu glauben, dass die Führung der Palästinenser davon ausgegangen sein könnte, Israel mit der Geiselnahme von rund 250 Israelis an den Verhandlungstisch zu zwingen, um den Siedlungsbau in den Palästinensergebieten rückgängig zu machen, die Mauern um die Palästinensergebiete einzureißen, Palästina als souveränen Staat anzuerkennen und einen Friedensvertrag, vielleicht auch noch einen Beistandspakt zu schließen.

Die Annahme, mit einer hinreichend großen Provokation könnte Israel zu einer maßlosen Überreaktion bewegt werden, die wiederum Unterstützung aus der arabischen Welt mobilisiert und das Israel-Bild der Menschen in der westlichen Welt zu Gunsten der Palästinenser verändert, passt da schon eher ins strategische Denken der Palästinenser und ihrer Unterstützer. Vor allem aber deckt sich diese Annahme mit dem Ablauf der Ereignisse so vollständig, dass dieser Plan bisher aufgegangen zu sein scheint.

Die dadurch erhoffte Wende, das Einknicken Israels vor der Weltmeinung, ist allerdings bisher ebenso ausgeblieben, wie die massive Unterstützung durch die Hisbollah und den Iran. Dass die Huthis im Jemen an diesem Konflikt ihr eigenes Süppchen kochen und die Schifffahrt im Roten Meer behindern, schadet Israel kaum und hilft den Palästinensern überhaupt nicht. Es ist nicht mehr als eine Machtdemonstration, gerichtet an die jemenitische Bevölkerung, die die Huthis endlich als Führungsmacht des Jemen anerkennen soll, während dem Iran, als dem großen Bruder, ein Beweis der Nützlichkeit und Loyalität geliefert wird.

Dass eine US-geführte Koalition Schiffe ins Rote Meer entsandt und damit begonnen hat, Ziele im Jemen zu bombardieren, ist ein sinn- und nutzloser Nebeneffekt. Billiger wäre es, jene Schiffe, auf die es die Huthis abgesehen haben, schlicht und einfach um das Kap der guten Hoffnung fahren zu lassen, statt durch den Suez-Kanal, und schon gäbe es diesen Konflikt nicht mehr.

Wie also wird es weitergehen?

War ich Ende November noch unschlüssig, ob der Waffenstillstand halten und verlängert würde, was der Hamas die Gelegenheit gegeben hätte, sich in der Zivilbevölkerung unsichtbar zu machen, oder ob Israel den Versuch unternehmen wird, die Palästinenser tatsächlich bis zum letzten Kämpfer aufzureiben, stellt sich diese Frage nun nicht mehr. Stattdessen diskutiert die Welt über eine Friedensordnung nach dem Ende des Krieges, ganz so, als wollten beide Kontrahenten nichts anderes, es könnte sich aber keiner der beiden aus eigener Kraft und aus Furcht vor einem möglichen Gesichtsverlust, dazu aufraffen, den ersten Schritt zu tun und dabei eigene Positionen der Stärke aufzugeben.

Die Penetranz, mit der die so genannte „Zwei-Staaten-Lösung“ vorgetragen wird, wird dabei allmählich unerträglich. Ausgerechnet genau das, was beide Seiten ganz und gar nicht wollen, soll die finale Lösung sein?

Abgesehen davon, dass alleine die Frage nach der Grenzlinie zwischen beiden Staaten an einem wie auch immer gearteten Verhandlungstisch nicht mehr gelöst werden kann, weil es zwangsläufig zu völkerwanderungsähnlichen Umsiedlungsaktionen kommen müsste, sehe ich nirgends ein Gremium, dass die Macht hätte, den Kontrahenten eine solche Lösung aufzuzwingen. Es ist das Mäntelchen des guten Willens, das sich die Unbeteiligten umhängen, um sich die Hände in Unschuld waschen zu können, wenn es zum Äußersten kommen sollte, was man danach aber, als die Macht des Faktischen, aufatmend akzeptieren würde.

Auch die „Schnapsidee“, die zwischen der CIA und Ägypten besprochen worden sein soll, dass Ägypten nämlich nach dem Ende des Krieges die Sicherheit im Gaza-Streifen garantieren soll, bis die Palästinensische Autonomiebehörde die Verantwortung übernehmen könne, würde die Region dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung nicht näher bringen, wohl aber Ägypten in den Konflikt hineinziehen und dabei destabilisieren. Dazu hat Foreign Policy die Argumente hier zusammengetragen. Fakt ist:

Israel kann überhaupt nicht mehr zurück.

Der Status vom 6. Oktober 23 ist nicht mehr herstellbar. Ein Zustand, in dem gegenüber der „Vorkriegszeit“ so weitreichende Zugeständnisse an die Palästinenser gemacht würden, dass diese das Kriegsbeil endgültig begraben, ist erst recht nicht zu erreichen, denn das hieße, die Palästinenser zum Sieger der Auseinandersetzung auszurufen, was die Verhältnisse vollkommen auf den Kopf stellen würde. Ein Zustand weiterer Demütigung und Einhegung der Palästinenser, den diese um des Friedens willen akzeptieren, ist auch nicht vorstellbar, empfanden sie ihre Rolle doch ohnehin schon unerträglich. Mag sein, dass sie sich in eine solche Rolle begeben müssen, weil die Kräfteverhältnisse nichts anderes zulassen, doch ihr Verlangen nach Rache würde dadurch nur verstärkt und auf einen neuerlichen Ausbruch oder eine nicht enden wollende Terrorserie hinauslaufen.

Es ist kalte, strategische Logik, dass Israel die permanente Bedrohung durch die Palästinenser nur beenden kann, wenn es Palästinenser im Gaza-Streifen und in der Westbank nicht mehr gibt, und nach meiner Einschätzung ist Israel gewillt, dieser Logik folgend zu handeln und erst die militärischen Ressourcen der Palästinenser zu zerstören, ihre Kämpfer zu töten, und dann die Kinder und die Alten zum Wegzug aus den Palästinensergebieten zu bewegen. Letzteres muss nicht kurzfristig und quasi „auf einen Schlag“ in Form einer völkerrechtswidrigen Vertreibung  geschehen, sondern wird sich – unumkehrbar – über Jahre hinziehen, in denen die Jungen sich nach und nach absetzen und die Alten allmählich aussterben.

Um diesen Zustand zu erreichen, braucht Israel keine westliche Militärhilfe. Dass die USA schon im November 2023 Hilfslieferungen im Umfang von 14,5 Milliarden Dollar zugesagt haben, hat einen anderen Grund. Es ist vor allem ein starkes Signal an den Iran, dass ein Angriff auf Israel den Kriegseintritt der USA zur Folge hätte, und es ist – neben dem Ersatz für im Krieg verbrauchte Waffen und Munition – auch die Ausrüstung, die Israel im Falle eines Angriffs befähigen soll, die Angreifer so lange aufzuhalten, bis  die US-Militärmaschinerie vor Ort kampfbereit Stellung bezogen hat. Dass auch Deutschland Waffenlieferungen zugesagt und sogar zwei geleaste Heron-Drohnen zurückgegeben hat, hat daneben eher symbolischen Charakter.

Ich rechne damit, dass Israel in dieser Auseinandersetzung seine Kriegsziele erreichen wird, ohne dass dies allerdings schon zu einer nachhaltigen Befriedung des Nahen Ostens führen wird.

In Tschetschenien hat man übrigens bereits damit begonnen, Häuser für Flüchtlinge aus dem Gaza-Streifen zu errichten. Wahrheit? Oder Potem-kinsche Dörfer? Keine Ahnung – aber eine passende Meldung.

 

Teil 3,
Prognose zur zweiten Front gegen Russland (zuerst veröffentlicht am 2. April 2024 in „EWK – Zur Lage„)

Weltkrieg ante portas?

 

Wäre die Ukraine ein Wald, das Feuer müsste spätestens jetzt erlöschen, weil sich aus den Resten des brennbaren Materials keine Feuerwalze mehr entwickeln könnte.
Wäre der Gaza-Streifen ein Wald, das Feuer fände kaum noch Nahrung.

Doch in beiden Fällen handelt es sich um Kriege, die nicht aufhören können, solange unaufhörlich neues Öl bereitgestellt und ins Feuer gegossen wird.

In „EWK – Zur Lage“ vom 25. Januar 2024 habe ich zu dem Krieg, den Israel führt (wer sonst?), erklärt: Israel kann überhaupt nicht mehr zurück.

Die seither zu beobachtende Entwicklung bestätigt diese Einschätzungen. Jetzt sitzen etwa 1,4 Millionen Palästinenser in Rafah fest und die israelische Armee steht kurz davor, dort einzumarschieren, um – unter größtmöglicher Schonung der Zivilisten – die letzten dort vermuteten Hamas-Kämpfer auszuräuchern.

Größtmögliche Schonung ist dabei kein leeres Versprechen, sondern eine fein im Wortsinn versteckte Wahrheit. Keine Schonung ist die größtmögliche Schonung, wenn die militärischen Notwendigkeiten keine Möglichkeit der Schonung von Zivilisten ermöglichen.

Inzwischen haben sich allerdings einige Umstände verändert, die es zu beachten gilt.

Am 26. Januar erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Klage Südafrikas gegen Israel wegen Völkermords für plausibel und ordnete im Eilfahren Sofortmaßnahmen an, mit denen verhindert werden sollte, dass Israel in Gaza „irreparable Schäden“ anrichtet. Wie nicht anders zu erwarten, sieht sich Israel an diese Anordnungen des IGH nicht gebunden, zumal aus Washington zu hören war, das Verfahren sei wertlos, während aus London sogar die Wertung „unsinnig“ verbreitet wurde.

Dass Israel seither zumindest die Lieferung von Hilfsgütern in den Gaza-Streifen etwas weniger verhindert, ohne dass damit die Hungersnot der Zivilbevölkerung wirklich beendet werden könnte, scheint die einzige Reaktion auf die IGH-Entscheidung im Eilverfahren zu sein. Wann es zu einem Hauptverfahren und einem endgültigen Urteil kommen wird, ist nicht abzusehen. Dass Israels Bestreben, bis dahin irreversible Fakten zu schaffen, durch den IGH also eher verstärkt wurde, darf nicht verwundern; das ist die Logik des Krieges, die besagt, dass am Ende der Sieger die Geschichte schreiben wird.

Dazu passt:

Am 28. Januar fand im Binyanei Ha’uma International Convention Center in Jerusalem eine „Konferenz für den Sieg Israels“ statt. Weit über tausend Teilnehmer bestätigten sich gegenseitig darin, die Osloer Verträge (die allerdings von der Palästinensischen Autonomiebehörde schon 2015 einseitig aufgekündigt wurden) als obsolet zu betrachten. Eine wichtige Aussage hat Shlomo Karhi, der israelische Minister für Telekommunikation  von der Likud-Partei zu dieser Konferenz beigesteuert. Er forderte die freiwillige Auswanderung der Palästinenser und erläuterte, was er unter „freiwillig“ versteht, so:  

„’Freiwillig‘ ist manchmal eine Situation,
die man (jemandem) aufzwingt,
bis er seine Zustimmung gibt“.

Am 28. Februar konnte selbst die deutsche Tagesschau nicht mehr umhin, über die Entwicklung an Israels Grenze um Libanon zu berichten, wo die Hisbollah zur Unterstützung der Palästinenser im Gaza-Streifen derart massiv mit Raketen angegriffen hat, dass Israel gezwungen war, eine große Zahl seiner Bürger (bis zu 90.000) aus dem Grenzgebiet zu evakuieren. Die Tagesschau zitierte in diesem Beitrag auch israelische Sicherheitsexperten mit den Aussagen:

„… dass Anfang Mai mit intensiven Kämpfen und der Bodenoffensive in Rafah begonnen werden könnte. „Dort müssen vier Brigaden vernichtet werden, was ca. vier Monate dauern wird – also bis etwa Juli oder August“, und, 

An der Nordfront wird es vor August keine intensiven Kämpfe geben. Den Evakuierten im Norden sage ich daher: Ich gehe davon aus, dass es eine Bodenoffensive geben wird. Aber nicht vor August oder September.“

Zwei Tage vorher war die Fregatte Hessen der deutschen Bundesmarine an ihrem neuen Einsatzort im Roten Meer angekommen, mit dem Auftrag, die Schifffahrtslinie zum Suez-Kanal vor Angriffen der Huthis im Jemen zu schützen. Die deutsche Bevölkerung hatte kurz vorher erfahren, dass eben nicht nur die Hisbollah im israelischen Krieg Partei für die Palästinenser ergriffen hat, sondern auch die Huthis im Jemen, die alle Schiffe, die irgendetwas mit Israel zu tun haben, ob sie nun Ladung für Israel transportieren oder israelischen Eignern gehören oder sonstwie Verbindungen zu Israel aufweisen, bei der Vorbeifahrt am Jemen mit Raketen und Drohnen angreifen wollen.

Wie viele Schiffe von den Huthis ins Visier genommen, wie viele davon getroffen, wie viele davon schwer beschädigt wurden, weiß ich nicht so genau, nur, dass es durchaus ein paar bemerkenswerte Treffer gegeben hat, was dazu führte, dass ein Großteil des Verkehrs nun nicht mehr die kurze Route via Suez-Kanal und Mittelmeer nimmt, um Fracht aus China und Indien nach Europa zu schaffen, sondern den Umweg über die Südspitze Afrikas nimmt, was nicht nur die Frachtraten in die Höhe treibt, sondern auch die Fahrzeiten um gut eine Woche verlängert.

Die zwischenzeitlich angelaufenen Luftangriffe der USA auf Stellungen der Huthi im Jemen haben offensichtlich nicht vermocht, die Huthis von weiteren Angriffen auf Schiffe abzuhalten, und die Kriegsschiffe einer westlichen Allianz, zu der inzwischen auch indische Verbände gestoßen sind, konnten nicht verhindern, dass immer noch Huthi-Raketen die Luftabwehr durchdringen und Handelsschiffe treffen.

Hans-Jürgen Geese, der vielen durch seine fundierten Beiträge auf Peter Haisenkos Blog „Anderwelt-Online“ bekannt sein dürfte, hat in diesem Beitrag eine außerordentlich dramatische Position eingenommen, wenn er schreibt:

Die Huthis lassen keine Schiffe Israels oder deren Verbündeter durch die Enge vom Roten Meer in den Golf von Aden. Und umgekehrt. Die könnten sogar die Flugzeugträger der Amerikaner auf den Meeresboden schicken. Sie glauben das nicht?

Frage: Wer besitzt die Superraketen unserer Zeit, die Hyperschallraketen? Russland hat die, China hat die, der Iran hat die. Und wenn der Iran die hat, könnten die auch die Huthis haben. Gegen Hyperschallraketen gibt es keine Verteidigung. Hat Amerika die Dinger? Hat die NATO die Dinger? Nein. Die Amerikaner und die Jungs von der NATO haben nur eine große Schnauze und nichts dahinter.

Jahrelang habe ich, auch in „EWK – Zur Lage“, immer wieder darauf hingewiesen, dass den USA viel daran gelegen ist, den Iran mit Krieg zu überziehen und als „Failed State“ in die Bedeutungslosigkeit zu bomben. Immer wieder habe ich erwähnt, dass die Israelis den dringenden Wunsch verspüren, die USA endlich in einen Krieg gegen die Iran hineinzuziehen, um ihre eigene Dominanz in der Region nicht zu verlieren.

Doch auch in den 18 Jahren zwischen 2003 (USA und GB überfallen und besiegen den Irak) und 2021 (USA-Truppen ziehen sich aus Afghanistan zurück), in dem der Iran wie ein reifer Apfel zwischen den US-Truppen im Irak und den US-Truppen in Afghanistan zum Greifen nahe schien, unterblieb die militärische Auseinandersetzung mit dem Iran, obwohl er durch die westlichen Wirtschaftssanktionen schwer getroffen wurde, ohne dass dadurch jedoch die erhoffte Hungerrevolte gegen das Mullah-Regime ausgelöst werden konnte.

Es stellt sich daher heute die Frage, geht es im Grunde doch wieder gegen den Iran?

Die Geschehnisse des 7. Oktober 2023, dem Tag, als die Hamas aus dem eingezäunten und eingemauerten, Tag und Nacht beobachteten Gazastreifen heraus in Regimentsstärke – scheinbar mühelos auf israelisches Gebiet vordringen konnte, geben doch einige Rätsel auf. Eines der größten Rätsel hat dabei die Tagesschau, vermutlich versehentlich, durch die Wiedergabe der Vorwürfe des Oppositionsführers in der Knesseth, Benny Gantz, in den Raum gestellt, denn Benny Gantz folgerte aus der Berichterstattung internationaler Journalisten, die beim Angriff der Hamas in vorderster Front dabei gewesen sein mussten:

„Wenn es Journalisten gegeben hat, die von dem Massaker wussten, es fotografierten und untätig danebenstanden, als Kinder abgeschlachtet wurden, unterscheiden sie sich nicht von Terroristen und sollten auch wie solche behandelt werden.“ 

Das Rätsel lautet: Wie kann es sein, dass die israelischen Grenztruppen von diesem Überfall derartig überrascht wurden, wenn die Absichten der Hamas, und das auch noch sehr konkret, tages- und stundengenau, unter Journalisten verbreitet (worden) waren?

Das zweite Rätsel, zu dem es allerdings nur spärliche Informationen außerhalb des Mainstreams gab, bezieht sich auf das Verhalten des israelischen Militärs, dessen Aktivitäten zumindest in einigen Fällen dazu beigetragen haben sollen, die Zahl der israelischen Opfer durch so etwas wie „friendly Fire“, in die Höhe zu treiben.

War der Überfall der Hamas nach dem gleichen Drehbuch gelaufen, wie 82 Jahre vorher der Überfall der Kaiserlich Japanischen Marineluftstreitkräfte auf die im Hafen von Pearl Harbor als Köder ausgelegten, wehrlosen Schrottschiffe der USA? War es die erste Falle, in einer ganzen Kaskade von Fallen, an deren Ende die Vernichtung des Iran durch eine westliche Allianz stehen sollte?

Die zweite Falle, das grausame Gemetzel der sich selbst verteidigenden Israelis im Gaza-Streifen, erinnert an die Unterdrückung und den jahrelangen Beschuss der überwiegend russischstämmigen Ukrainer im Donbass durch die eigene Regierung, der – entgegen der Vereinbarungen der Minsker Abkommen – fortgesetzt wurde, anstatt die vereinbarten Schritte zur Deeskalation zu gehen, bis eben Russland nach langem Zuwarten eingegriffen hat, um

  • einerseits die Unterdrückung seiner Landsleute zu beenden, die ja nicht nur in kriegerischen Akten, sondern auch im Verbot der russischen Sprache, der Unterdrückung der  russisch orthodoxen Kirche, in ausbleibenden Rentenzahlungen und der Unterbrechung der Wasserversorgung der Krim bestand,
  • und sich andererseits der Aufrüstung der Ukraine durch ihre westlichen Partner quasi im letzten möglichen Augenblick militärisch entgegenzustellen.

Mit dem Eingreifen von Hamas und Hisbollah hat sich die Möglichkeit ergeben, den Krieg auf den Libanon und den Jemen auszudehnen und dazu bereits die Hilfe der USA und der üblichen Koalition der Willigen auf den Weg zu bringen. Damit hat auch die zweite Falle, wenn es denn so geplant war, plangemäß zugeschlagen.

Die dritte Falle befindet sich möglicherweise, wie 1915 die Lusitania, nur eben nicht vor der Küste Irlands, sondern möglicherweise in Gestalt eines großen US-Kriegsschiffes im Roten Meer, und wartet auf die Versenkung durch eine Rakete zweifelsfrei iranischer Herkunft. 1915 hatte das Deutsche Reich absolut unzweideutig die unbeschränkte U-Boots-Kriegsführung angekündigt und die zivile Schifffahrt entsprechend gewarnt. An der Erklärung der Huthis, auf die Angriffe des amerikanischen Feindes auf ihre Streitkräfte entsprechend zu reagieren, gibt es auch nichts zu deuteln.

Sollte dieses notwendige „Ereignis“ weiterhin ausbleiben, ist mit dem für den Mai geplanten israelischen Angriff auf Rafah immer noch die Möglichkeit gegeben, durch entsprechende Eskalation im Vorgehen die Zurückhaltung auf Seiten Irans und seiner Vorfeldtruppen zu durchbrechen.

Der bereits erwähnte Hans-Jürgen Geese äußert in seinem oben verlinkten Artikel zwar die Überzeugung, dass die USA nicht einmal einen Krieg gegen die Huthis gewinnen können, und, dass nach dem Debakel der NATO in der Ukraine feststehe: Die Supermacht USA gibt es nicht mehr.

Diese Einschätzung teile ich nicht. Auch wenn Russland und China militärisch aufgeholt und die USA in Teilaspekten technologisch überholt haben: Kriege zu führen, ist die Profession der USA. Kriege zu gewinnen gehört nicht dazu, jedenfalls nicht in dem Sinn, dass ein Staat überfallen, sein Militär niedergerungen und das Land für lange Zeit besetzt wird. Das wäre eindeutig zu umständlich und zu kostspielig und brächte zudem lästige völkerrechtlich festgelegte Verpflichtungen im Umgang mit der Bevölkerung des besetzten Landes mit sich.

Einen Krieg zu führen ist für die USA immer ein Gewinn, auch wenn sie ihn nicht gewinnen, solange die kriegerischen Aktivitäten sich außerhalb des Hoheitsgebietes der USA abspielen. Das beginnt mit der Auslastung der Produktion des militärisch-industriellen Komplexes, dessen Leistungsfähigkeit von Kriegen abhängt, genauso wie die Kriege der USA von dessen Leistungsfähigkeit abhängen. Darüber hinaus gehen alle Gegner, auch wenn sie sich letztlich erfolgreich zur Wehr setzen konnten, geschwächt aus diesen Auseinandersetzungen hervor und sind keinesfalls scharf darauf, im Gegenzug die USA herauszufordern, und letztendlich dient jeder von den USA geführte Krieg der Abschreckung und Gefügig-Machung potentiell aufmüpfiger Staaten und  bindet auch die Verbündeten stärker an den Hegemon.

Schon gar nicht teile ich die Auffassung, dass die USA im Angesicht des eigenen Niedergangs nun wild und unkontrolliert um sich schlagen würden, wie ein waidwundes Tier.

Bei allen innenpolitischen Problemen der USA, der Verwahrlosung von Städten und ganzen Teilstaaten, trotz der Überflutung mit Migranten: Der harte Kern ist stabil, und – wie eh und je – werfen die USA ihre Streitmacht erst dann wirklich ins Getümmel, wenn der auserkorene Gegner bereits so weit geschwächt ist, dass die Gefahr, die von ihm noch ausgeht, überschaubar erscheint.

Aus diesem Blickwinkel heraus muss auch noch der Krieg in der Ukraine betrachtet werden. Eine Auseinandersetzung, in die die USA bisher nicht eingegriffen haben und auch vorläufig nicht beabsichtigen, direkt einzugreifen. Der Abnutzungskrieg hat die Ukraine weit mehr geschwächt als Russland. Es scheint aber noch zweckmäßig, diesen Krieg weiterzuführen, und es scheint sogar möglich, diesen Job vorläufig ganz den Europäern zu überlassen. Bei der Haushaltseinigung zur Abwehr des Shutdowns, hat es jedenfalls wieder keine Mittel für die Ukraine gegeben.

Macron, der wie ein Fußballtrainer, der zu Beginn der zweiten Halbzeit frische Spieler einwechselt, geneigt, ja eigentlich sogar gewillt ist, Frankreich offiziell zum Kriegsgegner zu machen, indem er eigene Truppen entsendet, wird diesen – noch hypothetischen Vorstoß – nicht ohne Rücksprache mit Washington in die Debatte geworfen haben. Auch von den Briten habe ich den Eindruck, dass sie nur auf den richtigen Augenblick warten, um in der Ukraine sichtbar aufzumarschieren. Die Polen wären sowieso dabei, schon um sich ein Stück der Ukraine, das wie sie meinen, sowieso zu Polen gehört, zurückzuholen.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages unterstützt diese Vorgehen mit seiner jüngsten Studie sogar explizit, indem er den NATO-Beistandspakt auf eine Weise auslegt, die mir so niemals  eingefallen wäre. Auf den Punkt gebracht:

Jeder NATO-Staat darf aus eigenem Antrieb gegen Russland in den Krieg ziehen. Damit hat die NATO nichts zu tun. Sollte Russland einen solchen Aggressor daraufhin jedoch auf dessen eigenem Staatsgebiet angreifen, so ist die gesamte NATO zu Beistand verpflichtet.

(Hier ausführlich nachzulesen)

Damit hat kann sich jedes NATO-Mitglied, dass sich direkt in den Krieg gegen Russland einmischt, auf die Abschreckung der  US-Atomwaffen verlassen, sollte Russland seinerseits den Krieg über die Grenzen der Ukraine hinaus, auf das Territorium der Angreifer eskalieren. Das dürfte nicht nur bei Macron die Schwelle für den Kriegseintritt deutlich gesenkt haben, auch für die Falken in der deutschen Regierung dürfte die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes neues Wasser auf ihre Mühlen sein. „Was soll schon passieren? Russland wird sich doch nicht mit der ganzen NATO anlegen!“

Damit aber lassen sich auf einmal beide Konflikte, Gaza und Ukraine in ein gemeinsames strategisches Szenario einfügen.

Russlands Überlegenheit in der Ukraine hat ja mehrere Ursachen. Ohne die eigenen russischen Anstrengung zur Ankurbelung der Rüstung zu unterschätzen, muss auch bedacht werden, dass der Großteil der von Russland zugekauften Waffen und Munition aus dem Iran stammt. Schon vor einem Jahr war in diesem Artikel der WELT zu lesen:

Iran ist Russlands wichtigster Ausrüster

(…)

Die US-Seite drängt jedoch auf eine verschärfte Gangart (bei den Sanktionen und Exportverboten). Hintergrund ist auch die enge Militärkooperation zwischen dem Iran und Russland. „Wir sehen fortdauernd Anzeichen, dass Iran und Russland ihre beispiellose Verteidigungspartnerschaft ausbauen. Iran ist Russlands wichtigster Ausrüster“, so John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. „Iran hat Russland bereits mit Artillerie und Panzern für den Einsatz in der Ukraine versorgt. Seit August hat der Iran Russland mit mehr als 400 Drohnen ausgerüstet, die meisten vom Typ Shahed. Russland setzt diese für seine Attacken auf maßgebliche ukrainische Infrastruktur ein.“

 Es ist sicherlich kein Fehlschluss, wenn davon ausgegangen wird, dass die Lieferungen aus dem Iran seither eher deutlich zugenommen haben und auch nicht mehr nur Panzer, Artilleriemunition und Drohen umfassen, sondern auch diverse Ausführungen von gelenkten und ungelenkten Raketen. Das kaspische Meer bietet die perfekte und von Dritten kaum kontrollierbare Seeverbindung zwischen dem iranischen Hafen Bandar Anzali und dem russischen Machatschkala an.

Ein Krieg gegen den Iran würde Russlands Fähigkeiten im Ukraine-Krieg direkt treffen, während der Iran seinerseits, solange Russland in der Ukraine noch gebunden ist, kaum auf russische Unterstützungsleistungen zählen könnte.

Mit der Umwidmung des Ukraine-Krieges vom Stellvertreterkrieg der USA zum Stellvertreterkrieg der EU unter Beteiligung von europäischen NATO-Staaten hätten die USA zudem mit dem Iran nur noch einen Krieg am Hals, für den ihre personellen und materiellen Ressourcen auf alle Fälle ausreichen würden.

Insofern ist nicht die Entwicklung in der Ukraine das Element, was den Dritten Weltkrieg führbar erscheinen lässt, sondern der Beginn des offenen Krieges gegen den Iran und seine tatsächliche militärische Stärke.

Die militärische Stärke des Iran ist der wunde Punkt der antiwestlichen Staaten in der Region, denn es ist nicht zu erwarten, dass Russland die eigene Existenz aufs Spiel setzt, indem es einen Angriff auf den Iran mit einem (atomaren) Schlag gegen die Angreifer beantwortet.

Weltkrieg ante portas?

Nicht zwingend, aber es fehlt nicht mehr viel.

Das Ensemble wäre jedenfalls komplett.

Ohne Deutschland? Nee. Nie und nimmer. Robert Habeck, vermutlich in seiner Eigenschaft als Vizekanzler, will – und das meint er leider ernst – für den Landkrieg rüsten.

 

Teil 4,
Prognosen bestätigen sich

Der Angriff Israels auf die Botschaft des Iran in Syrien, dem nicht nur das Botschaftsgebäude, sondern auch hochrangige iranische Militärs zum Opfer fielen, ist im Kontext der vorangegangenen Prognosen als erneuter Versuch zu werten, den Iran in einen heißen Krieg hineinzuziehen. Die erste Vergeltungsaktion des Iran, die mit vereinten Kräften Israels, der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens unter Verpulverung von Flugabwehrmunition in der Größenordnung von einer Milliarde US-Dollar die Mehrzahl der gut 300 Drohnen und Marschflugkörper abwehren konnte, wohl aber nicht die auf militärische und geheimdienstliche Ziele gerichteten Hyperschallraketen, mag beurteilt werden wie auch immer man mag. Unzweifelhaft ist, dass der Iran keinen Anlass hatte, dieser Vergeltungsaktion weitere folgen zu lassen.

Dass das israelische Kriegskabinett es aber nicht dabei bewenden lassen will, sondern den Gegenschlag mit dem nächsten Gegen-Gegenschlag beantworten will, entlarvt alle öffentlich breitgetretenen Deeskalations-Versuche der westlichen Bündnispartner Israels als wohlfeile Heuchelei. Den USA wäre es ein Leichtes, die weitere Eskalation des Konflikts durch Israel zu unterbinden, wollten sie das denn. 

Da sie außer verbalen Äußerungen allem Anschein nach nichts unternehmen, um den Ausbruch des offenen Krieg gegen den Iran, und damit die Eröffnung einer zweiten Front gegen Russland zu verhindern, liegt die Vermutung nahe, dass dies so gewollt ist.