Hirntod jetzt auch bei den Energieversorgern?

Hätte Macron den Begriff „Hirntod“ nicht für die NATO ins Gespräch gebracht, ich würde niemals wagen, ihn in Bezug auf die auf dem deutschen Markt aktiven Energieversorger anzuwenden, doch wenn ein freundlicher Skandinave, namens Magnus Hall, die Überzeugung äußert, es brauche in Deutschland kaum öffentliche Ladepunkte, die meisten Autos würden zuhause oder auf der Arbeit geladen, dann muss ich dem Herrn von Vattenfall, wenn schon nicht gleich den Hirntod, so doch zumindest die Berechtigung für einen kostenlosen Kurs in Braille-Schrift-Entzifferung zusprechen.

Wer schon einmal in einer größeren deutschen Stadt versucht hat, einen Parkplatz zu finden, was ab 19.00 Uhr schwieriger ist als zwischen 7.00 und 9.00 Uhr oder zwischen 15.30 Uhr und 17.00 Uhr, der weiß wo die Autos stehen, wo die meisten Autos stehen, wo auch die meisten E-Automobile stehen werden, nämlich unter der Laterne, mitunter zwanzig Minuten Fußmarsch von der Haustüre entfernt. Was daran liegt, dass „Wohneigentum“ in Deutschland nicht weit verbreitet ist – und wenn, dann eher auf dem preiswerten Land als in den Städten. Es ist auch durchaus nicht so, dass nun jeder Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Tiefgarage bereithält, auch der Parkplatz auf dem Firmengelände ist oft den höheren Angestellten vorbehalten. Der Rest muss sehen, wo er seine Karre abstellt. Könnte ja mit der U-Bahn oder mit dem Bus zur Arbeit kommen. Das hilft dem Laternenparker und seiner Frau, die die Kinder zur Schule bringt, auch nicht weiter, wenn es darum geht, irgendwo „Strom“ für die Batterie zu zapfen.

Sorry, ich habe jahrelang in München gewohnt und gearbeitet, und weiß, wovon ich rede. Wer immer nur von Stockholm aus in Deutschland einschwebt und dann vom Fahrer am Flughafen abgeholt und irgendwo in einer hellen, freundlichen Tiefgarage angelandet wird, um mit dem Lift ins oberste Stockwerk zu entschweben, und nach der Besprechung auf dem gleichen Wege wieder nachhause findet, müsste während der Autofahrt schon einmal den Blick vom Laptop abwenden und aus dem Fenster schauen – aber das ist ja vorsichtshalber so schwarz eingefärbt, dass auch von drinnen nach draußen kaum was zu sehen ist.

Ich bleibe dabei: In allen Städten müssen alle Straßen auf beiden Seiten aufgerissen werden, und Ladesäule an Ladesäule gesetzt werden, und das wird nicht reichen. Es reicht ja jetzt schon die fürs Laternenparken verfügbare Fläche nicht, und wenn in der Anwohnerparkzone  mit Anwohnerzonenparkausweis die Anwohner ihre Parkplätze eingenommen haben, dann können da noch so viele Ladepunkte installiert sein, die alle von den Parkenden blockiert sind, egal, ob die noch laden oder nicht.

Natürlich kann es sein, dass Herr Hall davon ausgeht, dass das mit der E-Mobiltität in Deutschland sowieoso nichts wird, schon allein weil kein Strom dafür da sein wird, und dass er deshalb seine Weigerung, Geld durch die Errichtung unsinniger Ladepunkte zu verbrennen, mit der schönen Annahme begründet, die Leute würden alle schön zuhause oder auf Arbeit laden. Kann sein, ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Sein Fähnlein solange in den Wind zu hängen, wie es opportun erscheint, ist in Zeiten des Klimawahns sicherlich besser als mit der Wahrheit einen nimmer enden wollenden Shitstorm auszulösen.

Aber einer müsste irgendwann einmal damit anfangen.