Deutschland sinkt in den Winterschlaf – Energieverbrauch weiter gedrosselt

Von unseren tierischen Mitgeschöpfen, die den Winter verschlafen, wissen wir, dass es ihnen gelingt, alle Vitalfunktionen so weit herunterzufahren, dass sie mehrere Monate ohne Nahrungsaufnahme im Tiefschlaf überleben können. Dem geht allerdings eine wahre Fress-Orgie voraus, die dazu dient, in den Fettpolstern jene Energiereserven anzulegen, die über die Wintermonate verbraucht werden.

Insofern deuten die Nachrichten über den erneut kräftig gesunkenen Energieverbrauch Deutschlands zwar einerseits darauf hin, dass sich Deutschland bereits im Winterbau eingeigelt hat, doch andererseits ist von den Fettpolstern, die das Überleben sichern müssten, nichts zu sehen. Wenn Winterschlaf, dann eine atypische Variante, die bereits im Erschöpfungszustand beginnt und wenig Hoffnung auf ein gesundes Erwachen im Frühjahr macht.

Die Volksunterrichtungsexperten der Tagesschau waren sich offenbar nicht so recht im Klaren darüber, wie der Rückgang des Primärenergieverbrauchs optimal zu framen sei. Die in optimistischen Tönen gehaltene Erfolgsmeldung musste daher durch den Hinweis: „… und das lag nicht nur an der schwachen Konjunktur“, sowohl relativiert als auch gestützt werden.

Sie können den Tagesschau-Artikel hier selbst lesen.

Mich hat er neugierig gemacht.

Beim Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) habe ich dann Informationen gefunden, die über das hinausgehen, was die Tagesschau im eng begrenzten Aufmerksamkeitsfenster des ersten Quartals 2024 gezeigt hat.

In den Jahren von 2011 bis 2018 schwankte der Primärenergieverbrauch Deutschlands um einen Mittelwert von knapp 13.500 Petajoule. Nimmt man einen einigermaßen geradlinigen Konjunkturverlauf an, dann dürften die Schwankungen von minus 320 bis plus 400 Petajoule im Wesentlichen auf die unterschiedlichen Witterungsverhältnisse zurückzuführen sein.

So war der Winter 2013 besonders sonnenarm und kalt, was den Primärenergiebedarf auf 13.897 Petajoule ansteigen ließ. Der Winter 17/18 zeigte sich hingegen von der warmen Seite und der Primärenergiebedarf ging auf 13.178 Petajoule zurück. Alle darauf folgenden Winter waren mild, so dass der witterungsbedingte Einfluss auf den Primärenergieverbrauch bereits 2017/2018 weitgehend „eingepreist“ gewesen sein dürfte.

Der mit den Pandemie-Maßnahmen erzwungene Absturz auf 11.887 Petajoule im Jahr 2020 kann also kaum noch einmal auf einen besonders milden Winter zurückgeführt werden.

2021 ging es zum letzten Mal ein Stück aufwärts. Das kann den ersten Lockerungen der Corona-Maßnahmen geschuldet sein. Mit 12.443 Petajoule wurden allerdings auch in diesem Jahr nur 92 Prozent des langjährigen Durchschnittsverbrauchs erreicht.

Im letzten Jahr, 2023, waren es noch 10.735 Petajoule, also nur noch 79,5 Prozent des Durchschnitts von 2011 bis 2018.

In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres hat sich dieser Trend fortgesetzt. Der Primärenergieverbrauch ist um weitere 4,6 Prozent gesunken.

Ich komme mit diesen Zahlen nicht zurecht.

Es hat in den letzten fünf Jahren keine Effizienzsteigerung bei der Energienutzung gegeben, die ein Fünftel des Primärenergiebedarfs eingespart hätte.

Dass das BIP im gleichen Zeitraum noch – wenn auch gering – gewachsen ist, und erst Ende 23 die Rezession eingeläutet wurde, ist schwer zu begreifen, zumal bekannt ist, dass die energieintensive Industrie ihre Produktion in Deutschland reduziert hat. Stahl, Aluminium, Düngemittel, Papier, Zement, Chemie – kaum ein Standort, der noch die vollen Kapazitäten nutzt.

Das statistische Bundesamt bietet Zeitreihen der Bruttowertschöpfung für „ausgewählte“ Wirtschaftsbereiche.

Für das produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe) wird da für das erste Quartal 2024 ein Rückgang gegenüber dem ersten Quartal 2023 um 4,7 Prozent ausgewiesen. Das passt prima zu den 4,6 Prozent beim Rückgang des Primärenergieverbrauchs. Aber die übrigen Daten in dieser Tabelle geben zur Frage, wo die nicht genutzte Primärenergie verschwunden sein könnte, nichts her.

Zugleich wird verkündet, dass die Einsparziele im Gebäudesektor (Heizung) und im Verkehr gefährdet sind. Nur die Industrie habe geliefert. Aber wie macht sie das, wenn die Bruttowertschöpfung nur marginal zurückgegangen ist?

Ich komme mit diesen Zahlen noch nicht zurecht. Aber ich bleibe dran.