Überschuldung: Krieg als Ausweg?

PaD 21 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 21 2024 Überschuldung Krieg als Ausweg

Überschuldung: Krieg als Ausweg?

Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht jemand mit der Erkenntnis an die Öffentlichkeit tritt, dass der Krieg unvermeidlich sei, weil  – beispielsweise die USA – ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Ich bin sicher, auch Sie haben solche Artikel schon gelesen und sich womöglich Ihre Gedanken dazu gemacht, denn die Frage, auf welche Weise ein Krieg von den Schulden erlösen könnte, wird nicht so präzise beanwortet, dass man die bloße Behauptung schon als Beweis ansehen könnte.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen einem Staat und einem Arbeitnehmerhaushalt. Wenn Fritz Müller, der Baggerfahrer, sich mit dem Kredit für den neuen BMW übernommen hat, wird er diese Schulden  garantiert nicht los, wenn er nach Feierabend mit seinem Bagger das Haus seines Nachbarn zum Einsturz bringt. Warum aber sollten die USA ihre Staatsverschuldung loswerden, wenn sie gegen Russland oder China in den Krieg ziehen? Ich halte das für eine mehr als berechtigte Frage und werde versuchen, mit diesem Paukenschlag darauf Antworten zu geben.

Stellen wir uns zuerst die Frage, wie so ein Krieg grundsätzlich verlaufen und ausgehen kann.

  1. Nach schweren Gefechten wird der Gegner geschlagen und zur Kapitulation gewzungen.
  2. Die Kämpfe ziehen sich über lange Jahre hin, eine Entscheidung ist nicht in Sicht.
  3. Der Angriff war ein Irrtum, der Gegner hat unsere Truppen vernichtend geschlagen und unser Land besetzt.

A)  Ein siegreich beendeter Krieg bietet theoretisch die Chance, den besetzten Staat auszuplündern, Tributzahlungen zu fordern und so eigene Schulden tilgen zu können. Die Frage ist allerdings, welcher Feind, der schwach genug ist, um besiegt zu werden, ließe sich so ausplündern, dass  die Überschuldungssituation beendet werden könnte? Das sieht gar nicht gut aus. Erinnern wir uns an den Irak, an Libyen, an den ganzen Krieg gegen den Terror – außer dass die Staatsverschuldung durch die Kosten des Krieges gestiegen ist, hat sich da nichts ergeben. Keine gute Idee.

B) 20 Jahre Krieg in Afghanistan mit fluchtartigem Rückzug haben nur ein immer weiter wachsendes Loch in die Staatskasse gerissen. Eine Lösung des Überschuldungsproblems sollte anders aussehen.

C) Aber! Deutschland! Deutschland hat doch den Krieg verloren und ist seine Schulden losgeworden. Die Reichsmark durfte inflationieren, mit der DM kam der neue Aufschwung. Wie war das doch gleich wieder? Weil Deutschland 1939 hoch verschuldet war und seine Kredite nicht mehr bedienen konnte, hat Deutschland den Zweiten Weltkrieg angefangen, um sich im Handstreich zu entschulden?? Nein. Das war eher umgekehrt.

 

Es ist nicht unmittelbar einsichtig, dass ein Krieg die Schuldenproblematik lösen könnte. Selbst ein vollständig verlorener Krieg bietet keine Gewähr dafür, dass die Sieger nicht weit mehr an Reparationen  und Tributzahlungen fordern als durch Inflation jemals an Schulden abgebaut werden könnte. Da hatte die Bundesrepublik Glück, dass die Amis nach dem Krieg Interesse am wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands hatten. Der DDR war dieses Glück von Seiten der UdSSR nicht beschieden.

Aber, warum immer nur von Schulden sprechen?

Betrachten wir doch auch die andere Seite. Zu jedem Schuldner gehört ein Gläubiger, der die Schulden seines Schuldners als sein Vermögen betrachtet und absolut kein Interesse daran hat, dieses Vermögen zu verlieren.

Bei der Zürcher Kantonalbank habe ich Informationen darüber gefunden, wo denn die Gläubiger der USA sitzen:

Es geht um 33 Billionen Dollar (Stand September 2023).

20 % 6.60 Billionen Stehen als Staatsschulden in den Büchern der Fed. Die wären mit einem Federstrich zu löschen, wäre die Fed eine Zentralbank wie andere Zentralbanken. Die Fed ist aber ein Gemeinschafts-Unternehmen US-amerikanischer Geschäftsbanken. Die werden ihr Vermögen schützen wollen.
50 % 16,50 Billionen Werden von US-Inländern gehalten. Der größte Teil davon von institutionellen Anlegern. Auch die werden ihr Vermögen schützen wollen.
5,3 % 1,75 Billionen Werden von Anlegern in der Euro-Zone gehalten
4,2 % 1,38 Billionen Liegen in Japan
3,3 % 1,09 Billionen Liegen in China
17,2 % 5,68 Billionen Liegen anderswo auf der Welt

Wenn sich die USA über einen Krieg auf raffinierte Weise von den Schulden bei ihren ausländischen Gläubigern trennen wollten, dann wäre es die „einfachste“ Methode, mal eben schnell die EU, Japan, China und etliche andere Staaten zu besiegen und zu erklären, die Schulden bei diesen Staaten würden – quasi als Reparationsleistung – gestrichen. Wem dies zu kühn klingt, der kann es auch eine Nummer kleiner haben: Warum nicht ganz ohne Krieg erklären, die Auslandsschulden würden ersatzlos gestrichen. Wer stark genug ist, auf diese Weise das Faustrecht auszuüben, kann sich genüßlich zurücklehnen und abwarten, was die Gläubigerstaaten unternehmen werden.

Zu erwarten ist, dass die USA in einem solchen Fall vom internationalen Handel weitgehend ausgeschlossen würden. Zu erwarten ist zudem, dass die inländischen Gläubiger erschrecken und Risikoaufschläge einfordern. Die Lage der Staatsfinanzen würde sich nicht verbessern sondern verschlechtern.

Wo aber soll das Problem liegen, das durch Krieg  gelöst werden könnte?

Noch liegt die Staatsschuldenquote der USA, gemessen am BIP, bei 124 Prozent, also in der Mitte zwischen den EURO-Staaten  Italien (137,3%) und Frankreich (110,6 %). Niemand hat davon gehört, dass Italien in den Krieg ziehen müsse, um seine Staatsschulden in den Griff zu bekommen.

Sind es die Rating-Agenturen, die US-Anleihen von AAA auf AA+ herabgestuft haben? Fitch hat diesen Schritt im August 2023 vollzogen, S&P war schon 2011 so weit, nur Moodys hält immer noch an AAA fest. Es sieht nicht so aus, dass sich daraus spürbar negative Konsequenzen für die Aufnahme neuer Schulden ergeben hätten.

Gleichzeitig ist nicht festzustellen, dass die institutionellen Anleger sich panisch von US-Staatsanleihen getrennt hätten.

 

Niemand glaubt ernsthaft daran, dass Staatsschulden jemals getilgt werden.

Alte Schulden werden regelmäßig durch neue Schulden ersetzt und obendrauf kommt in den meisten Fällen noch die echte Neuverschuldung. Die Gläubiger sind auch gar nicht daran interessiert, ihr investiertes Kapital zurück zu erhalten. Es ist doch gut angelegt und wirft Zinsen ab – und von den Zinsen kauft man neue Anleihen. Hier treibt der Zinseszins-Sparer sein Wesen und versucht dabei, der Inflation zu trotzen.

Es müsste schon ganz schlimm kommen. So schlimm, dass sich keine Anleger mehr finden, die US-Staatsanleihen ins Depot nehmen, egal wie hoch die versprochenen Zinsen sind. Dann müsste die Administration mit den Steuereinnahmen auskommen. Das ist nicht so einfach und würde die USA vermutlich schnell in eine große Rezession stürzen.

Das ist so aber nicht der Fall und – so weit überschaubar – ist damit auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht zu rechnen. Selbst wenn dem  so wäre, könnte ein vom Zaun gebrochener Krieg, gegen wen auch immer, die Situation nicht verbessern.

Fazit

Krieg zu führen, um die Probleme der Überschuldung zu kaschieren, also die Schuld an den Schulden zu verwischen, wäre ein vollkommen sinnloses Unterfangen.

Kriege werden aus anderen Gründen geführt.