Ampelfunktion: Grüne Welle

Nun wollen sie also wirklich vom Planschbecken der Sondierung ins Nichtschwimmerbecken wechseln und dort weiter verhandeln. Da ist das Wasser zwar tiefer, aber man kann immer noch den Kopf über Wasser halten, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Bei Licht betrachtet, sind SPD, Grüne und FDP schon jetzt zum Regieren verdammt. Die Union zerlegt sich gerade vollständig selbst  und hätte wohl, selbst wenn man bei ihr anklopfen sollte, gar niemanden vorzuweisen, der als Verhandlungsführer für Koalitionsgespräche in Frage käme. Laschet ist von den eigenen Freunden zur Strecke gebracht, und man hält es nicht einmal für nötig, ihm noch ein großes Halali zu widmen. Röttgen ist zu gewitzt, um in einer chaotischen Lage Kopf und Kragen zu verlieren. Der wartet ab, bis sich der Pulverdampf gelegt hat und wirklich niemand sonst mehr da ist, der ihn unter freundliches Feuer nehmen könnte. Friedrich Merz steht Norbert Röttgen in dieser Beziehung um nichts nach. Außerdem beruhte seine Zustimmung in weiten Kreisen der Union ausschließlich darauf, dass mit der Merz-Revolution sowohl Laschet als auch Söder verhindert werden sollten. Was Merz wirklich beabsichtigt, haben doch die wenigsten seiner Schildknappen und Jubelherolde überhaupt wahrgenommen, und sie werden es, nach seinem ausdrücklichen Lob für das Sondierungspapier der Ampel, immer noch nicht wahrhaben wollen. Bleibt noch der Franke aus dem Münchner Armeemuseum, dem es schneller als jedem seiner glücklosen Vorgänger gelungen ist, die CSU zu marginalisieren.

Nein. In der Union gibt es momentan und auf Monate hinaus keinen Ansprechpartner, der genügend Rückhalt in den eigenen Reihen hätte, um in Koalitionsverhandlungen verbindliche Zusagen abgeben zu können.

Ja – und mit der AfD darf nicht gespielt werden. Das haben die neben dem Sandkasten auf den Bänken sitzenden Mütter ihren Kleinen derart eingetrichtert, dass diese Brandmauer (neudeutsch: Firewall) wenigstens so lange halten wird, bis die „Zukunft der Nation“, dem Sandkasten entwachsen, endlich die Schulbank drückt.

An der Ampel führt also, wie es scheint, kein Weg vorbei. Es sei denn, der Prozess der Regierungsbildung findet einfach kein Ende, bis der Bundespräsident das Wort ergreift und zu Neuwahlen auffordert.

Befassen wir uns also mit dem Wesen von Ampeln. Die Analogien, die sich dabei finden lassen, sind herzerfrischend.

Eine Verkehrsampel, im Amtsdeutsch als „Lichtsignal-Anlage“ bezeichnet, ist dazu da, dem Straßenverkehr an Kreuzungen, Fußgängerüberwegen oder Baustellen, jeweils (mindestens) eine Fahrtrichtung zu sperren und jeweils (mindestens) eine andere Fahrtrichtung freizugeben. Dazu sind allerdings mindestens zwei Ampeln erforderlich, weil eine alleine nicht nur sinnlos, sondern sogar höchst gefährlich wäre. Dazu später mehr.

Die einzelne, alleinstehende, alleinerziehende Ampel einer Ampelanlage, kann im Zusammenwirken mit ihren Partner-Ampeln nur dann den gewünschten Effekt erzielen, wenn die „Ampelphasen“ so aufeinander abgestimmt und koordiniert geschaltet werden, dass die Verkehrsflüsse sich nicht in die Quere kommen. Das heißt: Die Ampelsteuerung ist ein übergeordnetes Element. Die Einzelampel hat keinen freien Willen. Ihr rotes, gelbes und grünes Licht wird von „unsichtbaren Mächten“ ein- und ausgeschaltet. Die Ampel ist nur der Vollstrecker des Willens der Steuerung, die wiederum von mehr oder minder qualifizierten Verkehrsplanern eingerichtet und in vielen Anwendungen den von den Verkehrsplanern installierten Computersystemen überlassen wird.

Unsere Polit-Ampel-Konstrukteure mögen diese Sachzwänge zwar irgendwie dumpf erahnen, ins Wachbewusstsein scheinen sie noch nicht vorgedrungen zu sein. Alles deutet darauf hin, dass sie die Ampel, zu der sie sich zusammenschließen wollen, als eine Art Christbaumdeko verstehen, bei der selbstverständlich rot, gelb und grün stets gemeinsam das Tannengrün deutscher Festtagsgemütlichkeit beleuchten.

Hier wird ein kurzer Ausflug in die Elektrotechnik erforderlich, denn selbstverständlich wird die Ampel mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Man darf sich die Leuchten hinter den rot, gelb oder grün gefärbten Scheiben der Ampel also als „Widerstände“ vorstellen, die grundsätzlich als Reihen- oder als Parallelschaltung angeordnet werden können, wenn sie gleichzeitig erstrahlen sollen. Bei der Reihenschaltung, wenn der Strom also nacheinander alle drei durchfließen kann, wird die Spannung stark abfallen, so dass statt dem bauartbedingt möglichen, strahlenden Leuchten nur noch ein müdes Glimmen wahrzunehmen sein wird, das im Getümmel des Verkehrs ebenso wenig Beachtung findet wie am Christbaum, wenn nebenbei der Fernseher läuft und die gute Stube erhellt. Ordnet man die Lampen jedoch parallel an, so dass jedem Leuchtmittel der gesamte Strom der Quelle zur Verfügung steht, sinkt der Gesamtwiderstand  der Schaltung, so dass bei gleichbleibender Spannung die Sicherung rausfliegt, weil da einfach viel zu viele Ampere unterwegs sind.

Olaf, Christian und Annalenarobert werden während der Koalitionsverhandlungen in ihren Gedanken-Experimenten vielfach Gelegenheit haben, festzustellen, dass sie vor der Wahl stehen, entweder als drei schwache Funzeln zu erscheinen, oder mit Blitz und Knall und Gestank schon beim ersten Einschalten vollends zu verlöschen.

Man wird also nicht umhin können, sich auf eine Hierarchie und Rangreihe des Leuchtens zu verständigen, wobei die rote Fraktion selbstverständlich, schon aufgrund ihrer vielen Wählerstimmen, fordern wird, mindestens 50 Prozent pro Intervall für sich beanspruchen zu dürfen. Das allerdings würde Deutschland kaum vorwärtsbringen, sondern in eine Art Stop-and-Go-Betrieb versetzen, was letztlich nur den Verschleiß fördert und zudem die CO2-Emissionen in die Höhe treiben dürfte. Die FDP  wird daher zaghaft vorschlagen, doch selbst die führende Rolle zu übernehmen, immerhin gäbe sie mit ihrem gelb doch das Signal, dass man im einen Fall, vorsorglich und rechtzeitig bremsen solle, im anderen Fall sich aber auf ein zügiges Anfahren vorbereiten könne. Daraufhin entgegnen die Grünen, dass ja auch diese gelbe Phase nichts anderes sei, als die Fortsetzung des Stillstand mit anderen Mitteln, weshalb, schon alleine wegen „Aufbruch, Aufbruch, Aufbruch!“, alleine das Grün überhaupt eine Berechtigung habe, Deutschland aus den Rauchschwaden der Kohleverstromung, den Dieselabgasen und den Feinstaub-Emissionen der Heizungen herauszuführen, auf jene Bergeshöhen, wo im ewigen Eis, bei stürmischem Wind jede Erinnerung an die drohende Erderhitzung schnell dem Vergessen anheimfallen werde.

Es wird weniger die Einsicht in solcherlei Sachzwänge bei SPD und FDP sein, auch nicht die Kraft der Demagogie der grünen Führungsfigurinnen, sondern alleine die Ermüdung und der Wunsch, es möge doch irgendwann zu Ende gehen, der letztlich die Verständigung auf vier Jahre grüne Dauerwelle beim gleichzeitigen Erlöschen der roten und gelben Leuchten möglich machen wird.

Nun die versprochene Erläuterung zur auf weiter Flur alleinstehenden und die Deutschen alleinerziehenden Ampel.

Selbst wenn rot, gelb und grün abwechselnd aufleuchten würden, wäre so eine Einzelampel selbst im Verkehrskindergarten die Garantie für eine nicht enden wollende Serie von Karambolagen unter den dort Übenden, so dass diese  – von echten Rambos abgesehen – bald jene Wege vermeiden würden, auf denen man in die Nähe der Ampel geraten könnte. Selbst jene, denen die Ampel freie Fahrt verheißt, würden sie meiden, weil es sich um eine unabgestimmte Signalgebung und damit um eine trügerische Sicherheit handelt.

Die Ampel mit der grünen Dauerwelle, die jedoch nicht anders zu konstruieren ist, weil sonst die Grünen jede Berechtigung hätten, die Schuld am Versagen ihrer Konzepte auf rot und gelb zu schieben, wird Deutschland in jene „Splendid Isolation“ führen, für welche die Briten einst berühmt waren. Alleine, es fehlt ihnen ansonsten an allem, was nötig wäre, um in dieser Isolation zu bestehen, und nach einer gar nicht so langen Weile, wird es sogar am Strom fehlen, um die Ampel noch leuchten zu lassen.