Pazifismus oder Widerstand?

 

 

PaD 40 /2021  – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 40 2021 Pazifismus oder Widerstand

 

Am Wochenende sind mir zwei „Geschichten“ begegnet.

Erst habe ich ein Buch in die Hand genommen, das mir Angelika Gutsche, die als Herausgeberin fungiert, ein paar Tage zuvor druckfrisch zugeschickt hatte. Darin sind die Tagebuchaufzeichnungen des französischen Literaten Romain Rolland aus der Zeit des Ersten Weltkriegs aufgezeichnet. Seine Empörung über die Greuel des Krieges und die Dummheit und Verlogenheit der Kriegshetzer und Kriegsgewinnler lassen ihn, trotz seiner erkennbaren Aversion gegen die Deutschen und Österreicher, als Pazifisten erkennen. Nicht unbedingt der lupenreine Pazifist, der die Gewissensprüfung des Kriegsdienstverweigerers, wie sie bis 1983 in Deutschland gebräuchlich war, mit Bravour bestanden hätte, aber jedenfalls einer, der den Krieg als eine Methode, Verstimmungen zwischen Staaten gewaltsam zu einem Ende zu bringen, ablehnt.

Ich habe die ersten zwanzig Seiten gelesen, dann ein bisschen durchgeblättert, quergelesen, und das Buch wieder zur Seite gelegt. Auch wenn die Tagebücher selbstverständlich chronologisch Schritt für Schritt die Kriegshandlungen, die politischen Verstrickungen und Rollands persönliche Anmerkungen dazu enthalten, fehlt mir, um die erwähnten Ereignisse und die benannten Personen einordnen zu können, doch das Wissen des Historikers, um auch über die „Haltung“ Rollands hinaus, das punktuell Niedergeschriebene einordnen zu können.

Am Abend dann, in Anbetracht dessen, was die Programmgestalter der Fernsehsender angeboten haben, war ich auf die Idee gekommen, wieder einmal die DVDs der MATRIX-Trilogie anzusehen. Natürlich nur die erste Folge, schlafen will ich ja schließlich auch irgendwann.

Das war am Samstag.

Am Sonntag kam es dann im Kopfkino zum Nachhall. Romain Rolland vs. Neo, Morpheus und Trinity. Die Figuren verschwanden schnell wieder. Übrig blieb die Frage,  ob der Mensch, dem Unmenschliches widerfährt oder der Grausamkeit und Unrecht mitansehen muss,  eher die Pflicht zum gewaltsamen Widerstand verspüren, oder doch der Gewaltlosigkeit der  Pazifisten den Vorzug geben sollte.

Mir braucht nun niemand zu erzählen, dass diese Debatte im Grunde ein alter Hut sei, und dass zwischen den Lagern, die es nun einmal gibt, darüber keine Einigkeit zu erzielen ist. Das weiß ich, und darum geht es mir in diesem Text auch nicht.

Mir ist beim nochmaligen Sehen des ersten Teils der Matrix nämlich aufgefallen, dass ich diesen Film nicht mehr, wie vor vielen Jahren, als die Warnung vor Gefahren einer dystopischen Zukunft betrachtet habe, sondern als eine Analogie zu den Zuständen im Deutschland des Jahres 2021.

Sicherlich, die beste aller Welten, die man uns vorgaukelt, wird nicht durch ein Datensignal über die Steckverbindung im Genick vermittelt, auch nicht über heimlich transplantierte Chips, wohl aber über Rundfunk, Fernsehen, Smartphones, Tablets, PCs und jede Menge bedruckten Papiers, doch es ist auch mit diesen Mitteln gelungen, die große Mehrzahl der Menschen so zu beeinflussen, dass sie glauben, es gäbe nichts anderes.

Sicherlich, man nutzt uns nicht als Quelle elektrischer Energie, wie die wachträumenden Sklaven im Film, wohl aber raubt man uns Lebenszeit und Lebensglück, indem wir eingespannt in den Prozess von Produktion und Konsum weit mehr zu produzieren haben als wir konsumieren dürfen, alleine weil wir auf die Zuteilung von Geld angewiesen sind, um leben zu können und für dieses Geld eben eine Leistung zu vollbringen haben, die über den Wert des uns zugeteilten Geldes hinausgeht.

Mir braucht nun auch niemand zu erzählen, das sei schon immer so gewesen, und alle Versuche, die Welt gerechter zu gestalten, seien gescheitert, während der Kapitalismus, trotz aller seiner Fehler und Ungerechtigkeiten, am Ende doch immer noch den meisten Wohlstand ermögliche. Das weiß ich, und darum geht es mir in diesem Text auch nicht.

Mir geht es um dieses immer realer werdende Gefühl, dass sich da eine Schlinge um meinen Hals zuzieht, die vor ein paar Jahren noch nicht zu spüren war.

Als ich vor zwanzig Jahren meine ersten Kommentare schrieb und auf der ersten eigene Homepage veröffentlichte, erachtete ich diese publizistische Tätigkeit als einen Beitrag zur Meinungsbildung. Natürlich achtete ich darauf, niemanden persönlich zu beleidigen, der Gebrauch von Kraftausdrücken war und ist mir sowieso fremd, so dass ich mich frei fühlte, zu schreiben, was mir am Herzen lag, ohne dabei auch nur auf die Idee zu kommen, irgendjemand werde mich deswegen strafrechtlich belangen können.

Nun, strafrechtlich sieht die Sache immer noch günstig aus. Staatsanwälte, die gegen Hass und Hetze vorgehen, wie sie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz als „Normenverletzung“ kennt, sind weit und breit nicht zu finden. Dort beschränkt man sich immer noch auf den §130 StGB, und da vorwiegend auf die Verbreitung antisemitischen Gedankengutes, wie vor 20 Jahren auch.

Auch im Streit zwischen sich beleidigt Fühlenden und den von ihnen angezeigten vermeintlichen Beleidigern kommt es vor Gericht immer noch oft genug zu Urteilen, die besagen, dass auch persönlich verletzende Aussagen durchaus von der Meinungsfreiheit gedeckt sein können.

 

Die Sache läuft ganz anders.

Es werden „Erkennungszeichen“ geschaffen. Positive, wie Negative. Die Quellen und Ursprünge sind dubios. Die Botschaften gleichen den Aussagen fanatischer Sektierer. Vor vier Jahren, im Juli 2017, habe ich im Vorwort zu Florian Stumfalls Buch „Das Limburg Syndrom – Der Weg des brauchbaren Schwachsinns in die Politik“ die folgenden Sätze geschrieben:

Der Einzug des Irrationalen in das Leben unserer Gesellschaft vollzieht sich schnell und ohne nennenswerten Widerstand.

Scheinbar zufällig begegnen wir immer neuen Verrücktheiten und gehen mehr oder minder kopfschüttelnd darüber hinweg, in der irrigen Annahme, es handle sich um eine kurzlebige, vorübergehende Erscheinung.

Im einem Gespräch mit Florian Stumfall, Anfang dieses Jahres, entstand die Frage, ob hinter den vielen Absonderlichkeiten nicht vielleicht eine Absicht steht, ob sich, wenn man sich ernsthaft mit dem Phänomen beschäftigt, nicht ein Muster zeigen würde, das sowohl die Urheber als auch deren Absichten erkennen ließe.

Florian Stumfall hat recherchiert, analysiert und kombiniert. Das Ergebnis gibt zu Besorgnis Anlass. Menschen, die verrückten Ideen und Idealen anhängen, sind keine neue Erscheinung – das Neue ist, dass ihre vernunftwidrigen, unlogischen und auf verdrehten Fakten aufgebauten Vorstellungen, so sie denn nützlich erscheinen, massiv gefördert und verbreitet werden, dass ihnen der Anschein hoher moralischer Bedeutung verliehen wird, bis sie als neue Regel in das Korsett der political correctness eingebaut werden und damit neben und über dem geschriebenen Gesetz stehen.

Stumfall erkennt darin die Absicht wieder, die Thomas P. M. Barnett,   einer der einflussreichsten politischen Vordenker der USA, in sei­nem Buch „Der Weg in die Weltdiktatur“ zum Ausdruck gebracht hat:

„Das Ergebnis ist eine Bevölkerung mit einem durchschnittlichen IQ von 90, zu dumm zu begreifen, aber intelligent genug, um zu arbeiten.“

Wir sollten aufwachen, bevor aus dieser Absicht Realität geworden ist.

Damals war der Abgrund erkennbar geworden. Heute stürzen wir haltlos hinein.

Über den durchschnittlichen IQ der deutschen Bevölkerung kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber, dass die Stimmung in Teilen der Bevölkerung in Richtung Hysterie gekippt ist, und dass die große Masse diese Hysterie erträgt und sich ihr nicht nur unterwirft, sondern sich ihr geradezu an den Hals wirft, nur um das wohlige Gefühl des „Dazugehörens“ nicht  vermissen zu müssen, zeugt doch von mentalen Veränderungen, die bedenklich erscheinen. Ich will mich bei den Mohrenapotheken und Zigeunersoßen gar nicht mehr aufhalten. Die Stigmatisierung dieser Namen war ja nur das Vorspiel, so wie sich auch der aggressive Feminismus in immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens hineingefressen und dabei Gesicht und Ansprüche gewandelt hat, bis an jenen Punkt, an dem man dem ungarischen Ministerpräsidenten, Victor Orban, einen moralischen Strick daraus gedreht und eine Welle der Empörung im Lager der Jünger der sexuellen Vielfalt ausgelöst hat, weil er eine Verfassungs-Ergänzung herbeiführte, um wenigstens noch für Ungarn festzuhalten, dass in der Familie die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann.

(Lustig dabei: Die Adresse des verlinkten Artikels aus der Welt enthält den Passus: „Grundgesetz in Ungarn“; als ob auch den Ungarn von den Siegern des Zweiten Weltkriegs ein Grundgesetz verordnet worden wäre …)

Die Angriffe auf Orban kann man noch unter der Rubrik „deutsche Rüpel-Diplomatie“ abbuchen, die – über die Bande „EU-Finanzmittel“ gespielt – ein Einknicken der Ungarn zu erreichen versucht, um die Kritik des Auslands an einigen merkwürdigen Geisteshaltungen zum Schweigen zu bringen, die in Deutschland inzwischen Staatsräson geworden sind.

Ja, es ist das „Zum-Schweigen-Bringen“, das in Deutschland grassiert.

Mit Löschungen und Sperrungen bei Facebook, Twitter und Youtube hat es angefangen. Vieles davon ist niemandem aufgefallen, außer den von den Sperren betroffenen. Von dem, was man nicht sieht, weiß man ja nicht, dass man es hätte sehen können, wäre es nicht vorsorglich gelöscht werden.

Ein Teil davon, und das erinnert wieder an die MATRIX, erledigen die Maschinen ganz von alleine, wenn der Upload-Filter zuschlägt. Anderes, was von Denunzianten zur Löschung vorgeschlagen wird, muss im Akkord und im Schweinsgalopp noch von schlechtbezahlten Menschen erledigt werden.

Auffällig wird es immer erst, wenn Betroffene mit großer Reichweite Möglichkeiten finden, über die Einschränkung ihrer Reichweite zu sprechen, wie es zum Beispiel bei KenFM der Fall war, und wie es jetzt Boris Reitschuster berichtet.

Dass dieses „Zum-Schweigen-Bringen“ auch vor den ganz Großen nicht Halt machen kann, erklärt sich aus dem inneren Mechanismus der Zensur ganz von alleine. Ließe man, wie bei richtigen Verbrechen, auch hier die Großen laufen, ginge ja der ganze schöne Erziehungseffekt, den man sich verspricht, verloren.

Das jüngste Beispiel:

Kaum hat Julian Reichelt als BILD-Chef Kritik an alternativlos-unfehlbaren Entscheidungen und Handlungen ins Blatt gehoben, trifft ihn der Blattschuss.

Eine immer noch reichweitenstarke Zeitung kann man halt nicht per Netzwerkdurchsetzungsgesetz und per Privatzensur der angeblich „sozialen“ Netzwerke mundtot machen. Man kann sie, solange sie nicht erkennbar von der Wahrheit abweicht, auch nicht presserechtlich belangen. Man kann noch nicht einmal zum Boykott aufrufen, denn das ist nicht nur verboten, was aber sowieso niemanden mehr schert, wenn es um „Haltung“ geht, es ist auch weitgehend wirkungslos, weil das Volk halt seine Freude an Skandalen hat und sich die Nachrichten und Gerüchte eben dort holt, wo sie angeboten werden.

Also brüllt die deutsche Eselsstute statt „iii-aaah, iii-aaah“, das neue Zauberwort „miii-tuuu, miii-tuuu“ und schon ist der Bösewicht erlegt.

Wo die Inhabenden der vielfältigen Geschlechter, die bei ihren stolzen Paraden ihre bi-trans-quer-schwul-lesbischen Praktiken in oft obszöner Weise präsentieren, die Chuzpe hernehmen, den zumeist unspektakulären, einvernehmlichen Sex zwischen Chef und Mitarbeiterin, zum Anlass für einen beispiellosen Rufmord herzunehmen, erschließt sich mir nicht. Ob der Hass auf das ganz  Normale, mit dem sie sich ja immer wieder konfrontiert sehen, groß genug ist, um solche Niedertracht auszulösen?

Nein. Es ist nicht der Hass gegen das Normale, es ist der Hass gegen die Abweichler vom eigenen Glaubensbekenntnis, aus dem die Bestätigung der Richtigkeit und damit die Rechtfertigung des unlängst noch verpönten Verhaltens der eigenen Gruppe bezogen werden. Und dieser Hass muss sich immer wieder artikulieren und Opfer finden, wenn das „Konstrukt“ nicht an der biologischen Realität zerbröseln soll. Das Infame dabei ist, dass die Politik dazu gerne dann die passenden Zielscheiben liefert, wenn sie sich ihrer Kritiker entledigen will.

Das Schlimme: Es funktioniert. Es funktioniert in beide Richtungen, kommt nur darauf an, von woher gerade der Wind weht. Wie lange ist es denn eigentlich her, dass der § 175 aus dem Strafgesetzbuch verschwunden ist? Noch 1983 wurde der Bundeswehrgeneral Günter Kießling nach einer hässlichen Medienkampagne abgeschossen, weil der Verdacht, nur der Verdacht, der Homosexualität gegen ihn im Raum stand.

Und weil es funktioniert, weil es sogar dann funktioniert, wenn  man jemandem vorhalten  kann, er hätte das Treiben seines Mitarbeiters erkennen und unterbinden müssen, wird sich auch Mathias Döpfner noch warm anziehen müssen.

Was aber tut „man“, wenn  ein untadeliger Mann, dem nirgendwo am Zeug geflickt werden kann, sich querstellt? Auch hier sind längst alle Hemmungen gefallen. Hans Georg Maaßen, seinerzeit Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hatte es gewagt, der von Antifa und Angela Merkel verbreiteten Geschichte von den Hetzjagden in Chemnitz die Aussage entgegen zu stellen, ihm lägen keine Erkenntnisse über Hetzjagden vor.

Nicht nur, dass er aus dem Amt gejagt wurde. Seine eigene Partei, die CDU, war entsetzt, als Maaßen in Thüringen als Direktkandidat für den Bundestag angetreten ist und hat sich in weiten Teilen distanziert.

Merke: Wer die Bundesregierung kritisiert, ist rechtsradikal. Mag er es noch so geschickt vor der Öffentlichkeit verbergen. Die veröffentlichte Meinung wird ihn mit Gewissheit zur Strecke bringen.

 

Damit bin ich wieder bei Romain Rolland.

Maaßen hat sich gegenüber seinen Widersachern pazifistisch verhalten. Er hat hie und da ein paar Reden gehalten und Klage über den Zustand der Republik geführt. Er ist, wie einst Ghandi gegen die Briten, im gewaltfreien Widerstand angetreten, um einen Sitz im Bundestag zu erringen, doch er konnte nicht genug Freunde und Sympathisanten hinter sich versammeln, um nicht am Ende einfach genauso vom Tisch gewischt zu werden, wie unerwünschte Demonstranten gelegentlich mit dem Wasserwerfer von der Straße gewischt werden.

Lassen Sie sich das Wörtchen „unerwünscht“ bei der Gelegenheit kurz auf der Zunge zergehen und erfreuen Sie sich dann daran, dass es ebenso „erwünschte“ Demonstrationen gibt. Lassen Sie kurz vor Ihrem geistigen Auge aufscheinen, was Sie über die Antifa wissen, die ja nun alles andere als eine pazifistische Struktur in diesem unseren Lande ist.

Die Halbvorsitzende der Partei, die künftig die Regierung anführen wird, bekennt sich ausdrücklich zur Antifa.

Was unterscheidet die Antifa von jenem Mr. Smith aus der MATRIX, jenem „Killer-Programm“, das sich praktisch unbegrenzt klonen kann und waffenstarrend, vom System mit allen relevanten Informationen versorgt, einen unbarmherzigen Vernichtungskrieg gegen alles führt, was sich noch an den „Normalzustand“ erinnern kann?

Lassen Sie die filmische Umsetzung der Science Fiction Geschichte weg, und das Muster tritt klar zutage.

In der MATRIX stehen die noch freien Menschen den Maschinen gegenüber. Die Maschinen haben Bewusstsein erlangt, sind also über die Anfänge der Künstlichen Intelligenz hinausgewachsen und haben dabei auch das Erfolgsrezept der Evolution übernommen. So, wie die Menschen (Krone der Schöpfung) schon vor Jahrtausenden Schafe, Rinder, Schweine, Hühner  und Pferde domestiziert, also in Gefangenschaft gehalten haben, um sich ohne die Mühen der Jagd und des Kampfes ihre Ernährungsbasis zu sichern, was ihnen wiederum Vorteile gegenüber den Jägern und Sammlern brachte, haben sich die MATRIX-Maschinen die Menschen eingefangen, sie in den Stall einer halluzinierten Welt  gepfercht und zum eigenen Vorteil ausgebeutet.

Damit ist keine Wertung verbunden!

Die Maschinen der MATRIX sind nicht böse oder grausam. Sie sichern lediglich ihre Existenz. Das Recht der MATRIX-Maschinen verpflichtet sie, die Haltungsbedingungen  der MATRIX-Menschen so angenehm wie möglich zu gestalten, aber es verpflichtet sie ebenso wenig, sie freizulassen und ihr natürliches Leben leben zu lassen, wie das Recht der Menschen der realen Welt die Nutzviehhaltung verbietet. Wie sollte sich eine freigelassen Kuh in Deutschland auch noch zurechtfinden? Und wenn mal eine beim Transport zum Schlachthof ausbüxt, dann kommen Polizei und Jagdpächter um sie wieder einzufangen oder, der Einfachheit halber, gleich abzuknallen.

Natürlich werden  Morpheus, Trinity und Neo daher von den Maschinen als feindliche Bedrohung angesehen. Ist es doch deren erklärtes Ziel, die als biologische Stromgeneratoren eingesetzten Menschen zu befreien und damit die Maschinen sterben zu lassen.

Dies ist nun mal kein Biotop mit einer ausbalancierten Artengemeinschaft, wie es Rolland in Bezug auf Europa vorgeschwebt haben mag. Dies ist ein Schlachtfeld, auf dem zuletzt nur eine Seite den Sieg davontragen kann.

Wer sich weigert, den Kampf aufzunehmen, hat damit schon verloren und geht entweder unter oder endet in Unfreiheit.

 

Romain Rolland schrieb am 9. März 1916 in sein Tagebuch:

„Keinem dieser Intellektuellen fällt es ein, die französischen Verluste zu berechnen, die noch zu erwartenden und bereits bestehenden Zerstörungen in Frankreich. Nicht einem ist das Herz schwer vor dem millionenfachen Leid, dem millionenfachen Tod. Und nicht einer überlegt, dass es um lächerlich wenig geht in diesem widernatürlichen Krieg zwischen zwei ungefähr gleichen Nationen, die so ähnlich sind.

Es kommt für die Menschheit nicht darauf an, dass die eine oder andere dieser Nationen siegreich aus dem Kampfe hervorgeht, aber es kommt  sehr darauf an, dass weder die eine noch die andere stirbt.“

Die Frage, ob sich Rollands Einstellung bei seinem Blick auf den gerade tobenden Ersten Weltkrieg auf die Konstellation der MATRIX oder die schleichende Übernahme Deutschlands durch eine teilweise demokratisch legitimierte, teilweise nicht legitimierte, destruktive Allianz übertragen lässt, muss jeder für sich entscheiden.

Wer die blaue Pille nimmt, ist aus dem Spiel. 

Wer die rote Pille wählt, kann nie wieder zurückkehren in die Geborgenheit der Scheinwelt, doch nur dem wird es möglich, die Chance, die wir noch haben, zu ergreifen.

Wo meine Rolle wäre, in der MATRIX?
Ich glaube, das „ORAKEL“ würde mir liegen.

 

Der Link zum Buch:

Romain Rolland – Der Erste Weltkrieg aus Sicht eines Pazifisten
Aus den Tagebucheinträgen 1913 bis 1919,
Herausgegeben von Angelika Gutsche, WESTARP SIENCE Fachverlag

ISBN 9783960041047