Wo bleiben die Verfassungsrechtler?

Als zuletzt die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Föderalismus-Reform verändert wurde, bedurfte es dazu einer Grundgesetzänderung und der Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

Die nun offenbar unbedingt gewollten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, die ja noch tiefer in die Verfassung eingreifen, weil nicht nur die Länder Rechte und Zuständigkeiten verlieren, sondern auch der parlamentarische Prozess im Bundestag zu Gunsten der Erweiterung der Machtfülle der Regierung ausgehebelt wird, indem der Regierung gestattet werden soll, mit Notverordnungen ein Recht zu setzen, dass in Demokratien nur als „absolutistische Willkür“ bezeichnet werden kann, stellen mich vor die Frage, ob dies mit einem einfachen Bundesgesetz und der Zustimmung der Länder im Bundesrat, jedoch ohne die geradezu zwingend erscheinende Grundgesetzänderung, überhaupt Rechtskraft erhalten kann.

Dies vollkommen unabhängig vom Inhalt, der an und für sich ausreichen würde, die weitgehenden, um nicht gleich zu sagen „totalen“ Grundrechtseinschränkungen, die im Infektionsschutzgesetz bereits vorgesehen sind und nun noch erweitert werden sollen, für grundgesetzwidrig zu erkennen.

Dass die Basis für alle angedachten, künftig alleine von Berlin zu verhängenden Zwangsmaßnahmen gegen die Bevölkerung, die so genannte „7-Tage-Inzidenz“ auf drei tönernen Füßen steht, weil dieser Wert

  • erstens mit der Gesamtzahl der Tests in diesen sieben Tagen, unabhängig vom „Durchseuchungsgrad“ steigt oder sinkt, und
  • zweitens dieRelation der „falsch positiven“ Ergebnis zu den „richtig positiven“ bei niedrigere Prävalenz, also bei geringerer Zahl tatsächlich an Covid-19 Erkrankter steigt und
  • drittens der PCR-Test nicht eine Erkrankung nachweist, sondern lediglich die Existenz von Bruchstücken des Coronavirus anzeigt,

macht die in Vorbereitung befindliche Gesetzesänderung keineswegs akzeptabler.

Damit sehe ich auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, weil zwar ein legitimer öffentlicher Zweck verfolgt wird, jedoch auf Grundlage einer einzigen, umstrittenen und nicht validierbaren Kennzahl,  welche zu unsicher ist, um die Eignung der Maßnahmen zum Erreichen des Zweckes beurteilen zu können, wodurch weder die Erforderlichkeit, noch die Angemessenheit festgestellt werden können.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Länderkammer sollten sich die Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung aus den genannten Gründen nicht durch Druck von Regierungsbank und Fraktionszwang abpressen lassen, sondern das Vorhaben prüfen, analysieren und zuletzt nach ihrem Gewissen dazu ja oder nein sagen.