Wir sollten damit beginnen, die Tassen in den Schränken zu zählen.

PaD 44 /2021 – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 44 2021 Tassen im Schrank zählen

Deutschland befindet sich im Zustand des Interregnums.

Es befinden sich, man darf das so sehen, im Augenblick nicht alle Tassen im Schrank, was nicht heißt, dass sie nicht mehr existieren würden. Sie sind nur „woanders“.

Die alte, abgewählte Regierung sitzt noch an den Hebeln der Macht, die neue macht sich nichts draus und gibt sich schon mal dem Vergnügen hin, ohne Ernennungsurkunde, nur mit parlamentarischen Mehrheiten, „Regierung“ zu simulieren. Zusätzlich fühlen sich erneut die Ministerpräsidenten der Länder berufen, ihre NGO „Ministerpräsidenten-Konferenz“ als Legisexekulative-Surrogat zu nutzen, um mit Absprachen, am Parlamente vorbei, ebenfalls „Regierung“ zu simulieren.

Daneben übt man sich in der Union im so genannten „Casting“, wo diejenigen, die sich des Vorsitzes für würdig erachten, ihre Pirouetten vor der Jury drehen müssen, weil die Union eben einfach nicht mehr weiß, wofür sie einst gestanden ist, und vor allem nicht mehr weiß, wofür sie nun am besten stehen sollte, um wieder an die Macht zu gelangen. Da ist nichts mehr, was einen inneren Gehalt darstellen würde. Da sind nur noch drei Darsteller, die ein Angebot machen, wohin die Reise gehen könnte, ohne dass sie entsprechende Kompetenzen je vorher in verantwortlichen Positionen hätten unter Beweis stellen können. Röttgen war mal vier Jahre Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – seitdem versucht er, außenpolitisches Profil zu simulieren. Friedrich Merz war drei Jahre lang Fraktionsvorsitzender der Unionsparteien im Deutschen Bundestag und hat sich dann bei BlackRock Deutschland der Vermögensmehrung der Vermögenden gewidmet. Helge Braun war als Chef des Bundeskanzleramtes hinter Angela Merkel kaum einmal zu sehen, so dass von ihm eigentlich nur gesagt werden kann: Angela Merkel hat ihn nicht weggebissen.

Die Zeit wirkt momentan, als wenn beim Schachspiel die Bauern plötzlich alle zu Springern geworden seien, während die Türme vor alledem die Augen verschließen und sich bis zum bitteren Ende um keinen Millimeter mehr bewegen lassen.

Natürlich ist das alles möglich.

Wir sehen ja, dass es möglich ist.

Wer sich dennoch verwundert die Augen reibt, hat den Fehler begangen, zu glauben, dass Verabredungen zwischen Starken und Schwachen von den Starken auch dann noch eingehalten werden, wenn sie dadurch daran gehindert werden, einen Vorteil wahrzunehmen. Das gilt für Verabredungen innerhalb von Parteien, es gilt für Verabredungen zwischen Parteien und es gilt für das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten, weil alle gesellschaftlichen Übereinkommen am Ende immer wieder zwangsläufig darauf hinauslaufen, vom Faustrecht in die Tonne getreten zu werden.

Die Systeme von „Checks and Balances“ mögen noch so schön ausgedacht und auf Papier geschrieben worden sein: Wenn es die Anhänger einer Seite erst geschafft haben, an allen Hebeln der Macht gleichzeitig zu sitzen und sich somit nur noch selbst, nach eigenen Maßstäben und eigenen Auslegungsregeln zu kontrollieren, sich also nicht mehr darum zu scheren brauchen, was sie einst feierlich beschworen hatten, dann ist die andere Seite zum Untergang verdammt. Es sei denn, diese andere Seite erkennt, dass die Spielregeln außer Kraft gesetzt sind – was noch relativ einfach ist – und hebt die Gültigkeit dieser Spielregeln auch für sich auf – was Mut zum Widerstand und zum Ungehorsam erfordert.

Damit dieser Mut zum Widerstand aber überhaupt aufkommen kann, ist jedoch eine gewisse Mündigkeit erforderlich, die wiederum ein Mindestwissen um die Grundsätze des Rechts, um die Konstruktion staatlicher Strukturen und Kontrollmechanismen, um die Delegation der Staatsgewalt vom Souverän an seine gewählten Vertreter und staatliche Organisationen, und vor allem um die Grenzen dessen, was der Souverän überhaupt delegieren darf, will er sich nicht selbst entmündigen, voraussetzt.

An dieser Stelle erscheint es mir, als seien die dafür nötigen „Tassen“ in Erziehung und Ausbildung entweder gar nicht mehr, oder schon im Zustand „Scherbenhaufen“ ausgeliefert worden – oder  als seien sie von den Empfängern als überflüssiger Ballast längst über Bord geworfen worden. „Nicht alle Tassen im Schrank“ zu haben, meint ja nicht nur, törichte Dinge zu tun, sondern auch, so töricht zu sein, das Notwendige nicht zu tun, wenn es darauf ankommt.

Hätte die Bevölkerung alle Tassen im Schrank, würde sie seit mindestens sechs Wochen auf den Barrikaden stehen und die Verantwortlichen dringlichst dazu auffordern, die Energieversorgung Deutschlands für den bevorstehenden Winter zu sichern.

Aber, wer nicht alle Tassen im Schrank hat,

  • der wird auch die Tassenausstattung der Verantwortlichen für angemessen erachten und sich daher vor dem Hintergrund der immer deutlicher werdenden Alarmsignale in der falschen Sicherheit wiegen, es werde schon alles seinen Gang gehen. 
  • der wird auch nach einer Blackout-Katastrophe geneigt sein zu glauben, dass nur der verzögerte Ausbau der Windenergie dazu geführt haben könne.
  • der wird nicht auf die Idee kommen zu fragen, warum die Gasspeicher den Sommer über nicht gefüllt wurden.
  • der wird nicht auf die Idee kommen zu fragen, warum mitten im Winter drei Kernkraftwerke vom Netz genommen werden müssen, ohne dass dafür Ersatzkapazitäten geschaffen wurden.
  • der wird nicht auf die Idee kommen zu fragen, warum die Inbetriebnahme der seit Monaten betriebsbereiten Gas Pipeline North-Stream 2 mit bürokratischen Mitteln bis in den nächsten Sommer hinein verzögert wird, obwohl wir in diesem Winter nichts dringender bräuchten, als zusätzliche Gaslieferungen.

Es ist ein absolutes Unding, dass die Bundesnetzagentur, immerhin eine Regierungsbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums, die Inbetriebnahme dieser Pipeline quasi sabotieren darf. Ist das die späte Rache von Peter Altmaier an Angela Merkel, ihr gerade noch in geschäftsführender Funktion als Wirtschaftsminister die Pipeline wegzunehmen? Oder sitzen im Wirtschaftsministerium und bei der Bundesnetzagentur schon so viele Grüne, dass sie einem Begehren aus der grünen Koalitionsverhandlungsgruppe nachkommen, weil Frau Baerbock durch die Inbetriebnahme der Pipeline ihre Wind- und Sonnen-Energie-Träume gefährdet sieht? Oder hat Ursula von der Leyen irgendwie Druck auf alte Seilschaften gemacht, weil sie auf Druck ihrer transatlantischen Freunde in Washington meint, sie könnte Putin mit einer Investitionsruine in der Ostsee eins auswischen?

Nichts von alledem wäre auch nur denkbar, lebten wir nicht in einer Zeit, in der es schwer ist, überhaupt noch eine Tasse in einem Schrank zu finden.

Der Bundestag könnte sich ohne weiteres in „Deutscher Virologentag“ umbenennen, wollte man ihn daran messen, womit er derzeit in Redeschlachten ;-)) auf sich aufmerksam macht, obwohl die Doktorarbeiten in den Bereichen Medizin, Virologie, Epidemiologie und Biochemie in den Reihen der 736 dünner gesät sein dürften als die Hauptgewinne an der Losbude auf dem Rummel.

Da soll die epidemische Lage von nationaler Tragweite heute beendet werden, und morgen geht es um ihre Verlängerung. Da wird die Infektionsschutzverordnung in eine Notstandsgesetzgebung umgewandelt, die für ganz Deutschland gelten kann, sofern die einzelnen Länder es wollen, und die Länder stehen bettelnd vor dem Hohen Hause und verlangen verbindliche Richtlinien aus Berlin, weil sie sonst Entscheidungen treffen müssten, die sie aber lieber nicht selbst treffen wollen, bzw., die sie sonst eben eigenmächtig für Bayern, Thüringen und Sachsen treffen müssten.

Ich kann inzwischen ein gewisses Verständnis für jene aufbringen, die dem abwegigen Gedanken anhängen, die Reptiloiden seien dabei, endgültig die Macht auf der Erde zu übernehmen. Kommt diese Idee doch aus der verzweifelten Suche nach einer rationalen Erklärung für das Multiressortversagen in so vielen Staaten der Welt. Ihre standhafte Weigerung, das Irrationale als das Irrationale zu erkennen, wird sie allerdings auch nicht retten. Auch wenn die Schranktüren geschlossen sind, gehen sie doch davon aus, dass darin Tassen in Hülle und Fülle verwahrt werden, nehmen „Intelligenz“ als ein Werkzeug, das sowohl für das Gute und Richtige als auch für das Böse und Falsche eingesetzt werden kann.

Doch bei allem Verständnis für diese Erklärungsversuche: Ich tippe auf das Naheliegende.

Das Naheliegende, das ist die Erklärung, die Laurence J. Peter gefunden hat.  Sie lautet, in der deutschen Übersetzung:

„In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“

Das wiederum bedeutet, dass nach einiger Zeit auch in den höchsten Hierarchiestufen Leute anzutreffen sind, in deren Schrank einige der Tassen fehlen, die zur vernünftigen und sinnvollen Ausfüllung der Position eigentlich erforderlich wären.

Dies hat aber eine schreckliche, zerstörerische Konsequenz: Der Unfähige in der hohen Position muss die Fähigen daran hindern, seine Unfähigkeit zu erkennen, will er seine Position nicht verlieren. Am besten, er lässt sie gar nicht erst an sich heran. Ist dies nicht zu vermeiden, muss er sie durch Auf- und Zudrehen des Geldhahnes soweit disziplinieren, dass sie skrupellos bereit sind, die Ausflüsse seiner Unfähigkeit als Leitgedanken ihres eigenen Handelns zu adaptieren. Wer sich auf diese Weise nicht gefügig machen lässt, wird abgeschossen oder wegbefördert. Übrig bleiben dann im Gefolge des hochrangigen Unfähigen nur noch weitere Unfähige und durch den Unfähigen korrumpierte Fähige, die darüber allerdings nach mehr oder weniger kurzer Zeit vergessen, dass sie einst zu den Fähigen gehörten.

Wer über diese, unsere Republik nachdenkt, ist längst zu dem Schluss gekommen, dass die Vision der idealen Demokratie, also der Volksherrschaft, von der Realität längst in die Herrschaft der Parteien umgewandelt wurde, die den Staat als ihren Besitz, wenn nicht als ihre Beute ansehen, denen es in ihren Wahlkämpfen nur darum geht, ein möglichst großes Stück der Beute abzubekommen. Wer über diese, unsere Republik nachdenkt, ist längst  zu dem Schluss gekommen, dass nicht mehr das Parlament die gesetzgebende Instanz im Staate ist, sondern nur noch die Mehrheitsfraktionen der Regierungsparteien den Auftrag haben, die von der Regierung gewünschten Gesetze abzunicken. Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive? Fehlanzeige! Doch auch die Judikative hängt am Tropf der Exekutive. Staatsanwaltschaften unterstehen der Weisungsbefugnis der Regierung(en). Richter sind zwar in ihren Entscheidungen frei, aber nicht davor gefeit, vom Justizministerium von München nach Hintertupfing versetzt zu werden, was zugleich das Ende der Karriere bedeutet – und sollten sie sich in Hintertupfing erlauben, ein Urteil zu sprechen, das nicht den vorherrschenden Regierungswillen zum Ausdruck bringt, dann kann so ein Richter auch schon einmal von der Polizei zwecks Hausdurchsuchung überfallen werden. Hatten wir ja gerade eben.

Vor knapp vier Jahren, im Frühjahr 2018, habe ich das Dilemma unserer Demokratie in der ersten Ausgabe meines Buches „Demokratie – Fiktion der Volksherrschaft“ schon einmal ausführlicher beschrieben. In der unveränderten Neuausgabe von 2020 finden sich daher immer noch, aber viel dringlicher erscheinend, die folgenden Sätze:

Zweiter Abgrund: Die „Alpha-Tiere“ 

Der Weg an die Spitze eines Rudels ist eine lange Kette von Zweikämpfen rivalisierender Jungtiere, bis zuletzt die entscheidende Auseinandersetzung mit dem bisherigen Anführer zu bestehen ist. Der Weg an die Spitze einer Partei unterscheidet sich davon nur dadurch, dass im Tierreich der Stärkste und Durchsetzungswilligste in der Regel auch der am besten geeignete Anführer ist, während in der Demokratie zwar ebenfalls der kampfeslustigste, intriganteste, bissigste Kandidat am Ende ganz oben steht, damit jedoch nicht auch zwangsläufig jene Eigenschaften mitbringt, die für eine Politik zum Wohle des Volkes erforderlich wären. Introvertierte Wissenschaftler ziehen in diesen Auseinandersetzungen regelmäßig ebenso den Kürzeren, wie arglose Weltverbesserer und Menschenfreunde.

Da letztlich nur diese aus innerparteilichen Kämpfen hervorgegangenen Alpha-Tiere eine Regierung anführen können, verfügen sie in der Regel über einen sehr unausgewogenen Mix an Fähigkeiten, der sie in den vielfältigen Sachfragen, denen sie sich zu stellen haben, auf die Unterstützung von Vertrauten angewiesen sein lässt, die wiederum selbst auf die Unterstützung von Experten angewiesen sind. So entwickelt sich in der Behandlung von Sachfragen so etwas wie eine „Stille Post“, mit der üblichen Folge, dass die unterwegs zwangsläufig auftretenden Informationsverluste Fehlentscheidungen begünstigen.

Da solche Fehlentscheidungen nur unter Inkaufnahme eines Gesichtsverlustes korrigiert werden könnten, bleiben Alpha-Tiere in der Regel stur bei ihren einmal getroffenen Entscheidungen. Ein Meister darin war Helmut Kohl, dem wir eine Renaissance des Begriffs „Aussitzen“ zu verdanken hatten.

Nur wenn es gar nicht mehr anders geht, werden – unter neuer Flagge – die notwendigen Kursänderungen heimlich still und leise vorgenommen.

Doch noch einmal zurück zu den Experten. Es ist nur menschlich, dass jene engeren Vertrauten des jeweiligen Regierungschefs, die zwischen diesem und den Experten als Mittler auftreten, vorausahnen müssen, wohin der Chef tendiert, so dass bei der Auswahl der Experten nur solche in Frage kommen, deren Expertise in die gewünschte Richtung weist. Der angesprochene Experte selbst, dessen Tätigkeit in der Regel auf eine üppige Honorar-Rechnung hinausläuft, wird, um den Auftraggeber bei Laune zu halten und sich weitere Aufträge zu sichern, seinerseits versuchen, seine eher neutral gehaltenen Erkenntnisse vor der Weitergabe so zu bearbeiten, dass sie dem Wunsch des Auftraggebers bestmöglich entgegenkommen.

So paaren sich in den absoluten Führungsfiguren also regelmäßig sachgrundlose Autorität mit einem eklatanten Mangel an Fachwissen, so dass es allenfalls approbierten Hofnarren erlaubt ist, sich mit abweichenden Erkenntnissen oder Einschätzungen hin und wieder zu Wort zu melden.

Wer in den inneren Zirkel der Macht vordringen will, muss sich so lange dem Willen des Alpha-Tieres widerspruchslos unterwerfen, bis dieses in einem Ausmaß erkennbare Schwächen zeigt, dass ein Angriff zu mindestens 95 Prozent aussichtsreich erscheint. Wer vorher den Kopf auf der Deckung reckt, riskiert, ihn zu verlieren.

An dieser Stelle ist ein vergleichender Blick in die Wirtschaft unverzichtbar. Selbstverständlich sind auch die Konzernmanager ausgeprägte Alpha-Tiere, doch gibt es zwei ganz wesentliche Unterschiede:

  1. Niemand schafft es, nach dem Studium ohne jegliche Berufserfahrung und ohne den Nachweis exzellenter Sachkenntnisse in seinem Spezialgebiet erbringen zu können, an die Spitze einer großen Aktiengesellschaft aufzusteigen. Auch kein Außenstehender wird als Vorstandsvorsitzender angeworben, der noch nicht seine Führungsfähigkeiten und seine Verantwortung in einem anderen Unternehmen vergleichbarer Bedeutung unter Beweis gestellt hat.
  1. Führungskräfte in der Wirtschaft werden nicht von den Mitarbeitern per Wahl oder Akklamation von Stufe zu Stufe nach oben gehoben, wie es in der typischen Parteikarriere unter den Mitgliedern üblich ist, sondern hier kümmert sich zunächst das Nachwuchsmanagement im Verantwortungsbereich des Personalchefs um die Aspiranten. Danach, wenn ihre Köpfe sichtbar geworden sind und Profil gewonnen haben, nimmt sich der Vorstand ihrer an – doch am Schluss entscheidet alleine der Aufsichtsrat über die Besetzung der Stelle ganz an der Spitze.

Die Instanz der Vertretung der Anteilseigner existiert in den Parteien nicht. Hier kann sich, anders als in der Wirtschaft, tatsächlich der Starke und Gerissene gegen eine Konkurrenz mit vergleichbar einseitigen Fähigkeiten durchsetzen, ohne dass es einen übergeordneten „Schiedsrichter“ gäbe, der neben den Rambo-Fähigkeiten auch das Wohl von Partei und Staat gleichermaßen so aufmerksam im Auge hätte, wie sich der Aufsichtsrat um sein Investment und seine Rendite sorgt.

Weder der Wähler, als der nach der Verfassung eingesetzte Souverän, noch der Bundespräsident, als formales Staatsoberhaupt, können einen solchen Aufstieg und die Machtübernahme im Staat verhindern. Letzterem fehlt die Kompetenz, die Ersteren haben kein Werkzeug, um eingreifen zu können.

Am Schluss ist es nichts als der Kotau der Abgeschlagenen, der den Sieger aufs Treppchen bringt. Und wieder wird die Loyalität der Abgeschlagenen gefordert, wollen sie nicht von Abgeschlagenen zu Abgesägten verwandelt werden.

Sieht man die hier als Zwangsläufigkeiten dargestellten Prozesse als eine einigermaßen zutreffende Beschreibung der Realität an, ist der Zustand „Nicht alle Tassen im Schrank“ regelmäßig dann zu erwarten, wenn eine Partei eine gefühlte Ewigkeit lang regieren kann, ohne dass eine wirksame parlamentarische, oder wenigstens eine außerparlamentarische Opposition in der Lage wäre, gnadenlos auf die fehlenden Tassen hinzuweisen.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Unionsparteien in die Oppositionsrolle einfinden. Werden sie den eingeschlagenen Kuschelkurs in Bezug auf die Grünen und die weit linksverrutschte SPD beibehalten, dann wird der Übergang von Merkel zu Scholz sich anfühlen wie die Weiterfahrt auf dem alten Holzweg, jedoch mit zunehmender Geschwindigkeit im nächsthöheren Gang.

Sollten jedoch tatsächlich die Fähigen, nach dem Ausscheiden Angela Merkels Morgenluft wittern und die Köpfe über den Tellerrand von Parteidisziplin und Fraktionszwang erheben, dann könnten das vier lustige Jahre werden. Schließlich wird die Ampel weit mehr offene Wunden hervorbringen, als die Union Finger hat, um sie hineinzulegen, da wird unter Umständen sogar die AfD noch mithelfen müssen.