Weltwährungskrieg

Was ist Geld wert?

Diese Frage, auf die es noch nie eine wirklich zutreffende Antwort gegeben hat, erlebt in diesen Tagen einen neuen Boom.

Bisher waren es nur die unvorhersehbaren Entwicklungen der Preise, die es unmöglich machten, den Wert des Geldes über den Tag hinaus – und oft auch über regionale Grenzen hinweg festzustellen. Heizöl kann am gleichen Tag in Hannover deutlich mehr als in Nürnberg kosten und was es am nächsten Tag in beiden Regionen kosten wird, ist kaum vorhersehbar. Was ist das nun, was sich da verändert? Der Ölpreis – oder der Geldwert? Diesen Gedankengang sind wir gewohnt. Der Saldo der Preisveränderungen – bestmöglich gewichtet – wird uns von den Statistikern als Inflationsrate präsentiert.

Nun kommt etwas Neues hinzu. Etwas ungeheuerlich Neues. Sie nennen es: Guthaben einfrieren.

Wir sind es gewohnt, über das Guthaben auf unseren Girokonten stets verfügen zu können, zum Teil sogar noch über einen zusätzlich eingeräumten Kreditspielraum. Wir betrachten „Guthaben“ als Geld. Doch Guthaben sind nicht Geld. Guthaben – das klingt jetzt kleinstkariert – sind lediglich Ansprüche auf die Herausgabe von Geld. Stellt sich die Bank quer, weigert sich, Überweisungen auszuführen und Bargeld herauszugeben, ist das ganze schöne Guthaben nichts mehr wert.

Im nationalen Bezugsrahmen dürfte es relativ einfach sein, die Bank mit juristischen Mitteln zur Freigabe des Guthabens zu bewegen, und sollte sie bankrott sein, so werden zumindest die Einlagensicherungssysteme einspringen und Guthaben von bis zu 100.000 Euro pro Konto vor dem Verlust schützen.

Was aber, wenn eine Regierung beschließt, dass die Konten bestimmter ausländischer Staatsangehöriger „eingefroren“ werden müssen?
Dann stellt sich heraus, dass der Anspruch auf die Herausgabe von Geld nicht durchgesetzt werden kann. Wir sehen das im Augenblick hautnah bei den Sanktionen des Westens gegen Russland, wobei rund 300 Milliarden Dollar „enteignet“ worden sind. Ob am Ende die Ukraine, die jetzt schon Anspruch darauf erhebt, diese Guthaben zugesprochen bekommen wird, ist noch nicht absehbar, aber eben auch nicht auszuschließen.

Dass „Bargeld“ und „Edelmetalle“ in gewissem Rahmen davor schützen, auf solche Weise kalt enteignet zu werden, sei hier nur am Rande erwähnt. Es geht mir heute um etwas anderes.

Aus unterschiedlichen Quellen habe ich Hinweise darauf erhalten, dass Russland beabsichtigt, die bei russischen Banken gehaltenen Guthaben von Firmen und Personen aus dem „unfreundlichen“ Ausland, ebenfalls einzufrieren, wobei Transfers von Guthaben ins Ausland bereits weitgehend eingeschränkt sein sollen. Angeblich geht es um Werte in der Größenordnung von 500 Milliarden Dollar.

Diese Entwicklung ist ein Fiasko für den Welthandel. Das wird nur so lange nicht sichtbar, wie die Unmöglichkeit des Handels mangels einer geeigneten und vor fremden Zugriff sicheren Währung durch Sanktionen und Embargos überdeckt wird. Wo der Handel selbst verboten ist, ist die Bereitstellung von Zahlungsmöglichkeiten ein nachrangiges Problem.

Allerdings ist es unbestreitbar so, dass die vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden können. Die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen ist einfach zu groß, und zwar beileibe nicht nur auf dem Gebiet von Öl, Gas und Kohle.

Wenn Russland aber wieder im großen Maßstab exportieren sollte, was für die gesamte Welt wichtig und nützlich wäre, dann muss es Russland auch wieder möglich sein, sich seinerseits den Gegenwert über Importe zu verschaffen.

Die Anhäufung von „Devisenreserven“, die dann ggfs. wieder beschlagnahmt werden, kann nicht der Sinn der Exporte sein. Erst die ausgeglichene Handels- und Zahlungsbilanz sorgt dafür, dass sich die Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Vorteil entwickeln.
Bei der derzeitigen hohen Unsicherheit in Bezug auf die Nutzbarkeit von Auslandsguthaben, ließe sich das nur durch Bartergeschäfte realisieren.

Wie bei jeder Form von Tauschhandel liegt das Problem dabei darin, dass es schwierig ist, die richtigen Tauschobjekte zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge zu einem Tauschgeschäft zusammenzubringen. Natürlich ließen sich Agenturen einrichten, die Angebote und Nachfragen von allen Seiten entgegennehmen und daraus sinnvolle Tauschkombinationen bilden, doch von einer hundertprozentigen Zusammenführung von Angebot und Nachfrage kann auch damit absolut nicht ausgegangen werden.

Noch berührt das Problem nur den Handel zwischen dem Westen, also USA, GB und EU und Russland, doch die Unsicherheit von Dollar- und Euro-Guthaben ist nun einmal in der Welt und wird früher oder später auch China und Indien dazu bewegen, ihre Exporte nur noch in Yuan bzw. Rupien zu fakturieren, um dem westlichen Erpressungspotential auszuweichen.

Die alte, in Vergessenheit geratene Wahrheit, dass „Geld“ seinen Wert ausschließlich aus dem Vertrauen in seine Werthaltigkeit schöpft, wird mit dem um sich greifenden Vertrauensverlust plötzlich wieder hochaktuell.

Damit entwickeln sich auf der Erde zwei Zonen, in denen es intern Vertrauen in die Währungen gibt, während gegenüber der anderen Zone Misstrauen herrscht. Der „Währungskrieg“ ersetzt den „Eisernen Vorhang“ des Kalten Krieges. Damit zerfallen die Lieferketten der Globalisierung und organisieren sich in zwei nahezu vollständig getrennten Kreisläufen neu. Anders formuliert, es entstehen zwei unabhängige „Märkte“, deren Prosperität nicht mehr länger durch die globalisierungstypische Ausnutzung von Einkommensunterschieden zwischen Niedriglohn- und Hochpreisländern angetrieben wird, sondern sich primär wieder aus den verfügbaren Ressourcen und insbesondere aus der Größe der Bevölkerungen und deren Bedarf ergibt, wobei die größere Bevölkerung das steilere Wohlstandswachstum verzeichnen können wird.

Dass im westlichen Bündnis (USA, GB, EU, Kanada, Türkei) nur knapp eine Milliarde Menschen, bzw. 12.5 Prozent der Weltbevölkerung leben, zeigt deutlich wie diesbezüglich die Potentiale verteilt sind.

Der Trend zu einer neu konstituierten, bipolaren Welt könnte aus heutiger Sicht nur durch die militärische Niederschlagung und „Kolonialisierung“ Russlands noch abgewendet werden. Es darf angenommen werden, dass beide Seiten sich darauf eingerichtet haben. Die forcierte Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine muss auch unter diesem Aspekt betrachtet werden.