Aus meiner – durchaus auf das Bodenständig-Realistische beschränkten – Sicht heraus, hat der Mietendeckel nur einen einzigen Zweck, nämlich Wählerstimmen für die eine grüne und die beiden roten Parteien zu gewinnen, die sich diesen „Gag“ ausgedacht haben.
Dass die Idee eines Mietendeckels nach Berliner Vorbild durchaus auch in anderen Städten und Bundesländern von den dort ansässigen SPD-Genossen wohlwollend ventiliert wird, mag schon bald zu der Gewissheit führen, dass 97 Prozent aller Sozialdemokraten das menschengemachte Spurenelement „Markt“ für die Mietpreisüberhitzung verantwortlich machen und die feste Überzeugung hervorbringen, dass es spätestens 2050 nur noch Millionen leerstehender, weil unbezahlbarer Wohnungen geben werde, während Millionen ehemaliger Mieter als Obdachlose mit der Wermutflasche in der Manteltasche von Brücke zu Brücke zu ziehen.
Sinnvoller wird das Vorhaben dadurch nicht.
Lassen Sie sich bitte nicht von SPD, LINKEn und Grünen beschwatzen, wie toll das sei, dass die Berliner Mieter für die nächsten fünf Jahre frei von Furcht vor der nächsten Mieterhöhung glücklich und in Frieden leben können.
Warum sind denn die Mieten in Berlin, seit es Hauptstadt und nicht mehr Frontstadt ist, so stark gestiegen, wie sie gestiegen sind?
Dafür gibt es einen einzigen, ausschlaggebenden Grund und der lautet:
Die Hauptstadt ist so attraktiv geworden,
dass Zuzügler bereit sind, die geforderten Mieten zu bezahlen.
Die Stadt, als Zusammenballung von Arbeitsgelegenheiten und vielerlei Angeboten für Konsum und Kultur, mit öffentlichem Nahverkehr, Fachärzten und Krankenhäusern ist in vielerlei Beziehungen für sehr viele Menschen als Wohnort ungleich attraktiver als das ruhige Dorf oder die Kleinstadt auf dem flachen Lande.
Diese Attraktivität lässt sich in Mark und Pfennig, in Euro und Cent als „geldwerter Vorteil“ des Stadtlebens beziffern.
Vergleichen wir einfach den Pendler, der täglich 2×50 Kilometer mit seinem Automobil zurücklegt, um zur Arbeit in der Stadt zu kommen, mit seinem Kollegen, dessen Arbeitsweg morgens und abends nicht mehr als eine halbe Stunde ausmacht, zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit Bus oder U-Bahn, dann lässt sich folgende Rechnung aufmachen:
Aufwandsart | Städter (Euro) | Landbewohner (Euro) |
Kosten für den Arbeitsweg per Pkw 22.000 km/pa á 0,60 Euro | 13.200 | |
Kosten für den Arbeitsweg mit ÖPNV 12 Monatskarten á 150 € | 1.800 | |
Verlust produktive Zeit durch Arbeitsweg 2*1h*220Tage = 440 Stunden p.a., bewertet mit 25 € Stundenlohn | theoretisch 11.000 | |
Verlust produktive Zeit durch Arbeitsweg 2*0,5h*220 Tage = 220 Stunden p.a., bewertet mit 25 € Stundenlohn | theoretisch 5.500 | |
Kosten für Anreise mit dem Pkw Arzt 2xp.a., Konzert/Kino/Restaurant 12xp.a., Einkauf/Shopping 12xp.a. | 1.560 | |
Kosten für Anreise mit dem ÖPNV Arzt 2xp.a., Konzert/Kino/Restaurant 12xp.a., Einkauf/Shopping 12xp.a. | 0 | |
Summe | 7.300 | 25.760 |
Geldwerter Vorteil des Städters | theoretisch 18.460 | |
Real | 12.960 |
Gehen wir davon aus, dass beide eine Mietwohnung mit 80 m² Wohnfläche benötigen, gehen wir weiter davon aus, dass die Kalt-Miete pro Quadratmeter auf dem Land 6,00 Euro kostet, in der Stadt jedoch 12,00 Euro, dann machen die Mehrkosten des Städters für das Wohnen (80 m² * 6 € * 12 Monate ) mit 5.760 Euro jährlich gerade einmal 31 Prozent seiner Ersparnis aus den Mobilitätskosten aus. Der Städter hat – auch mit der doppelten Kaltmiete – immer noch einen Vorteil von 12.700 Euro.
Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass es nicht jedem möglich ist, sich diese Ersparnis leisten zu können.
Wenn, wie im Beispiel, die monatlichen Kosten für die Kaltmiete für 80 m² bei 960 Euro liegen, und mit Neben- und Heizkosten um die 1.200 Euro fällig werden, dann sind das 14.400 Euro, mit den 7.300 Euro für die Mobilität sind wir 21.700 Euro.
Um die nach Anrechnung der höheren Miekosten noch verbleibende Ersparnis von 12.700 Euro gegenüber dem Landbewohner überhaupt für die Bezahlung seiner Lebenshaltungskosten „sparen“ zu können, muss er die aber erst einmal verdienen. Selbstverständlich kann er die eine Stunde, die er täglich am Arbeitsweg einspart, nutzen, um Überstunden zu machen oder einer Nebenbeschäftigung nachzugehen. Sein Jahres-Netto-Einkommen muss jedoch mindestens 34.400 Euro betragen, was in etwa einem Bruttogehalt von mindestens 4.000 Euro/Monat entspricht und monatliche frei verfügbare Ausgaben für den Lebensunterhalt von 1.060 Euro ermöglicht.
Bei einem Ehepaar mit einem Kind entspricht dies ungefähr dem Hartz-IV Regelsatz für die Bedarfsgemeinschaft.
Noch ungünstiger sieht es allerdings für den Landbewohner aus!
Damit der sich den (gutbezahlten) Job in der Stadt überhaupt leisten kann, muss er die Miete (480 kalt, 720 incl. NK und HK) von jährlich 8640 Euro und die Mobilitätskosten von 14.760 Euro verdienen. Soll er dabei auf die gleichen frei verfügbaren 1.060 Euro wie der Städter kommen, liegt sein Mindest-Netto-Einkommen bei 36.100 Euro, also 5 Prozent über dem Mindest-Netto-Einkommen des Städters – und das, ohne dass er (in diesem Vergleich) noch Luft für Überstunden hätte.
Dieser Blick auf die Misere macht klar, dass nur eine relativ niedrige Einkommensschwelle überschritten werden muss, um in Anbetracht der höheren Arbeitskräftenachfrage und der höheren Löhne trotz weitaus höherer Mieten zu versuchen, den Wohnsitz in die Großstadt zu verlagern oder ihn, auch bei starken Mieterhöhungen, dort zu behalten.
Wer unterhalb dieser Einkommensschwelle bleibt, sei es, weil seine Qualifikation nicht gefragt oder im Überfluss vorhanden ist, sei es, weil er als Rentner mit einem massiv verringerten Einkommen auskommen muss, ist gezwungen, die Großstadt zu verlassen.
So wird das flache Land zwangsläufig zum Endlager für Armutsrentner, Niedriglöhner und Transferleistungsempfänger, die, wenn sie sich nicht bewegen, also auf „Mobilität“ verzichten, beim dort anzutreffenden Mietniveau noch überleben können.
Der Mietpreisdeckel wird diesen Wanderungsdruck auf die Großstädte eher noch verstärken.
Die Mietpreisbremse führt nämlich dazu, dass die Einkommensschwelle, ab der sich der Wohnsitz in der Stadt rentiert, mit jedem Jahr ohne Mieterhöhung weiter sinkt, weil die ungedeckelten Mieten im Umland steigen.
Von daher ist damit zu rechnen, dass sich ein Miet-Schwarzmarkt etabliert, dass eine Vermietungs-Mafia in Erscheinung tritt, die dafür sorgt, dass – in noch stärkerem Maße mit noch skrupelloseren Mitteln als sowieso schon – Alt-Mieter aus ihren Quartieren vertrieben werden, während Neu-Mieter Verträge unterschreiben, in denen die zulässige Miete vereinbart wird, während monatlich die Schutzgeldkassierer an den Wohnungstüren klopfen, um die verabredete Differenz abzuholen.
Mafiöse Miet-Makler werden sich die Adressen von Geringverdienern und Menschen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen, besorgen und diese aufsuchen, ihnen günstige Wohnungen in der Prärie und die Übernahme der Umzugkosten anbieten, für den Fall, dass sie ihre Wohnungen zum frühest möglichen Termin aufgeben, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass eine Wohnung in der Stadt doch sehr viel stärker von Einbrechern und Vandalismus bedroht ist als die angebotene auf dem Lande. Jede so freigemachte mietpreisgedeckelte Wohnung wird gegen einmaliges Handgeld oder laufende monatliche Zahlungen an die schlangestehehenden Interessenten vermittelt.
Eine Stadt, die es nicht schafft, afrikanische Drogendealer ohne jedes Bleiberecht aus den öffentlichen Parks zu entfernen, sondern duldet, dass diesen vom Parkwächter Standflächen zugewiesen werden, um die Zahl handgreiflicher Auseinandersetzungen zwischen den Dealern zu verringern, wird sich gegen diese Form der Kriminalität ebenfalls als hilflos erweisen.
Wenn es die Berliner Stadtregierung also darauf anlegen sollte, die Attraktivität der Stadt wieder zu senken, indem der private Wohnungsbau auf Jahre hinaus zum Erliegen gebracht wird und der hinten und vorne nicht ausreichende Wohnungsbestand – will man ihn nicht in die Klauen krimineller Organisationen geraten lassen – vom Senat der Zwangsbewirtschaftung unterworfen wird, dann könnte sie damit auf lange Sicht erfolgreich sein.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass der neue Glanz des Namens „Berlin“ dazu führt, dass die Attraktivität der Stadt als Standort für alle möglichen Geschäfte weiter steigt, wobei rings um paramilitärisch gesicherte, glitzernde Oasen des Wohlstands jene schmutzigen, stinkenden, unkontrollierbaren Slums entstehen, wie sie zum Erscheinungsbild der meisten Großstädte dieser Welt gehören.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Berlin ist nicht rosig. Der Mietendeckel verändert die Situation zwar, kann aber keine positive Entwicklung einleiten.
Gefragt ist hier auch nicht der Berliner Senat, sondern die Bundesregierung.
Eine Entspannung des Wohnungsmarktes in den Ballungsräumen kann durch die Förderung des Mietwohnungsbaus gelindert werden. Die Möglichkeiten sind jedoch begrenzt, dennoch sollten sie kurzfristig genutzt werden, um den kurz vor dem Überkochen stehenden Topf noch einmal vom Herd zu bekommen.
Die nachhaltige Lösung des Problems steht allerdings im Grundgesetz,
nur hält man sich – auch in diesem Belang – immer weniger daran:
Art. 72 GG
… hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
Gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet können auch als „gleichwertige Attraktivität“ der Regionen interpretiert werden. Von daher war der Versuch, nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern „Leuchtturmregionen“ zu schaffen vom Ansatz her nicht schlecht. Es wurde nur versäumt, das Notwendige zu tun, um wirklich gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Einstellung der Zonenrandförderung, in der Annahme, die Wiederherstellung der unterbrochenen Schienen- und Straßenverbindungen zwischen Ost und West würde genügen, die Regionen, denen ein ausreichendes Um- bzw. Hinterland fehlte, ad hoc wieder erstarken zu lassen, war ein Fehler, der auch zum Ausbluten weiter Landschaften führte, das bis heute nicht vollständig gestoppt ist.
Der Versuch, die Bahn für die Privatisierung „rentabler“ zu machen und dafür ganz erhebliche Teile des Streckennetzes aufzugeben und die Provinz vom preisgünstigen Massenverkehrsmittel abzuschneiden, hat den Run auf die Ballungsräume ebenfalls verstärkt – und die momentan vertretene Klimapolitik wird noch einmal vielen Menschen keine andere Wahl lassen, als sich in die Großstädte zu quetschen, weil die hohen Mieten im Vergleich zu den horrend ansteigenden Kosten der individuellen Mobilität als das kleinere Übel erscheinen werden.
Auch in diesem Zusammenhang wird der „Mietendeckel“ sollte er denn die anstehenden juristischen Auseinandersetzungen unbeschadet überstehen und von weiteren Metropolregionen übernommen werden, den Wanderungsdruck auf die Großstädte massiv erhöhen.
Der Versuch, den „Markt“ mit bürokratischen Hindernissen auszuschalten führt nur zur Verschlimmerung und zum Abtauchen einiger Player in den kriminellen Untergrund. Der Bedarf an Wohnraum ist dringender als der Bedarf an Schnaps – und schon beim Feuerwasser hat die Prohibition nicht nur versagt, sondern eine siebenköpfige Hydra der organisierten Kriminalität hervorgebracht.
Wenn man sich schon nicht zutraut, wirksam auf gleichwertige Lebensverhältnisse hin zu arbeiten, um die Verwerfungen des Marktes zu korrigieren, dann sollte man wenigstens die Kräfte des Marktes nicht daran hindern, genau diesen Prozess in Gang zu bringen. Denn:
Je höher die Mieten in den Ballungsräumen,
desto höher die Einkommensschwelle,
deren Überschreiten den Ballungsraum erst attraktiv macht,
desto lebendiger das „flache Land“.
Im Grunde ist das nicht schwer zu verstehen. Doch statt dies zu erklären und die Menschen aus Eigeninteresse ihre Entscheidungen treffen zu lassen, die letztlich zum Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage führen würden, statt als Regierung Geld in die Hand zu nehmen, um Attraktivität da herzustellen, wo es an ihr mangelt, schmiert man lieber die kostenlose weiße Salbe eines Mietpreisdeckels auf die schwärende Wunde um sie, wenn man schon nicht in der Lage ist die Verletzung zu heilen, wenigstens für alle nicht Betroffenen unsichtbar zu machen.