Großes Unheil steht bevor, die Fäden der Nornen verwirrt und zerrissen.
„Zu End’ ewiges Wissen! Der Welt melden Weise nichts mehr.“
Von Louisiana bis Lettland, von Warschau bis Washington ertönen Weh- und Klagelieder.
„Der Putin!“,
so brüllt nun laut, was flüsterleise als Gerücht begann,
„Der Putin kommt. Seht ihn nur an!
Seht, wie er Truppen zusammenzieht,
und ins Manöver schickt, in Reih und Glied!
Morgen schon wird er das Land überrennen,
morden und brennen! Morden und brennen!“
So geht die Mär
– von Hauptstadt zu Hauptstadt –
hin und her.
„Frieden schaffen nur die Waffen!
Lasst sie segnen, von den Pfaffen,
und dann schnell zur Grenze schaffen!“
Das Pentagon ruft:
„Wer nicht folgt, ist ein Schuft!“
So rücken sie aus, so rücken sie an.
Franzosen und Briten, steh’n wie ein Mann.
Doch dieser Putin, der elende Zocker … greift noch immer nicht an.
„Was will er wohl, was ist sein Ziel!
Der Kreml treibt ein falsches Spiel!
Sanktionen! Mehr Sanktionen noch.
Dann kommt er schon aus seinem Loch.“
Sogar Deutschland hat sich bereit erklärt, 350 Soldaten ins Baltikum, sowie 5000 Helme, ein Lazarett und eine stattliche Anzahl von Millionen Euros in die Ukraine zu schicken. Doch selbst diese zusätzliche Bedrohung lockt den russischen Bären nicht aus seiner Höhle.
Oh wenn doch nur ein russischer Stiefel die Grenzlinie überträte, dann könnte auch Deutschland in Nibelungentreue das zugesagte Opfer bringen.
Es gibt einen Plan, eine teuflische List,
womit Wladimirs Starrsinn zu knacken ist:
„Wir verzichten, und das ist wahrlich kein Spaß,
wenn es drauf ankommt auf’s russische Gas.“
Das ist so eine Spezialität des deutsch-manisch-depressiven Märtyrertums. Wenn das Fiasko auf die Spitze getrieben und das Tischtuch endgültig zerschnitten ist, noch schnell behaupten, man hätte – aus strategischen Gründen und wegen der CO2-Bilanz – und natürlich auch um Putin zur Besinnung zu bringen, aus freiem Entschluss und in Abstimmung mit unseren Freunden und Verbündeten auf sein dreckiges Gas verzichtet, bevor er selbst angewidert den Hahn zudreht.
Spaß beiseite:
Wer immer noch die Mär verbreitet, Russland sei von den Devisen abhängig, die der Verkauf von Erdgas an die Europäer, speziell an die Deutschen einbringt, und die Drohung mit der Aufkündigung der Gasverträge würde Russland in die Knie zwingen, bewegt sich mit seiner Argumentation längst abseits der Fakten.
Lesen Sie hierzu einen Auszug aus „EWK – Zur Lage“*) vom 19. Januar 2022:
D) Abbruch der Handelsbeziehungen
Die seit über 50 Jahren vom Westen beschworene Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen ist im Augenblick besonders hoch. Würde Putin heute den Gashahn zudrehen, gingen in ganz Europa nach wenigen Tagen alle Lichter aus und wohl für sehr lange Zeit (Monate) nicht wieder an. Dies würde zugleich die Möglichkeiten, aus Europa heraus einen Feldzug gegen Russland zu führen, bis zur vollständigen Unmöglichkeit einschränken. Dies wäre jedoch ein so unfreundlicher Akt, dass er einer offenen Kriegserklärung gleichkäme. Diese Härte ist allerdings gar nicht notwendig. Im Vertrauen auf die Fortsetzung des selbstmörderischen Dekarbonisierungskurses Deutschlands würde es vermutlich bereits ausreichen, wenn Gazprom bei den nächsten Verhandlungen über Liefermengen und Preise einerseits bekundete, nicht in der Lage zu sein, die gewünschten Mengen auch zu liefern und andererseits Preise fordern würde, die denen der am Spotmarkt geforderten nahekommen. Niemand würde erklären müssen, dass dies eine der angedrohten empfindlichen Maßnahmen sei. Es erklärt sich von selbst. Es wäre auch ein Schritt, um dem immer wieder angedrohten Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT zuvorzukommen. Wo keine Rechnungen mehr zu begleichen sind, kann auch auf SWIFT verzichtet werden. Die Einschränkung der Energieversorgung der EU durch Mengenbeschränkungen und einen starken Preissprung halte ich für ein sehr wahrscheinliches Szenario. Das wäre kein Krieg, sondern schlicht und einfach ein Problem des internationalen Handels. Gas und andere Energierohstoffe sind knapp. Gerade die USA können es niemandem verwehren, es ihnen nachzutun und aus dieser Situation den größtmöglichen Gewinn zu schlagen. Dieses Vorgehen würde keinen militärischen Gegenschlag rechtfertigen und sogar zu klammheimlicher Freude in den USA führen, weil die EU-Konkurrenten aufgrund des Mangels an preiswerter und verfügbarer Energie auf dem Weltmarkt kaum noch wettbewerbsfähig sein dürften. Der damit sichtbar gemachte Interessenkonflikt zwischen den USA und der EU könnte wiederum die NATO stark belasten. Bleibt die Frage offen, ob Russland auf weite Teile seiner Exporterlöse verzichten kann. Dazu ist es lohnend, die Veränderung des russischen Außenhandels in den letzten Jahren zu betrachten, sowohl was die Handelspartner betrifft, als auch im Blick auf die importierten Waren. Es ist etwas schwierig, an die ganz aktuellen Zahlen heranzukommen. Fest steht aber, dass die Importabhängigkeit Russlands zurückgegangen ist. Eines der mächtigsten Zeichen dafür ist der russische Exportüberschuss. Signifikant auch der Wechsel in der Rangreihe der Exporteure China und Deutschland. Stand Deutschland lange Zeit an Platz 1 der russischen Importe, ist China, mit 20 Prozent am russischen Import jetzt davongezogen. Deutschland ist auf 13 Prozent und damit Platz 2 zurückgefallen, auf dem dritten Platz steht Weißrussland mit 6 Prozent. In den 12 Monaten von November 2020 bis Oktober 2021 exportierten alle EU-Länder zusammen Waren im Wert von knapp 87 Milliarden Euro, umgerechnet etwa 100 Milliarden Dollar nach Russland. Auf Deutschland dürften davon in etwa 32 Milliarden entfallen sein. Das bedeutet, dass – grob geschätzt – nur etwas weniger als die Hälfte der russischen Importe mit westlichen Devisen bezahlt werden müssen. Zugleich ist Russland dabei, massiv an einem Programm zur Importsubstitution zu arbeiten. Das ist Trumps „America first!“ auf russisch. Die enge Kooperation mit China hat Russland auch bereits spürbar unabhängig vom Import westlicher Technologie gemacht. Es scheint, als könnte Russland ohne größere Schmerzen auf die Einnahmen aus den Gasexporten in die EU verzichten. Das sind Devisen, die man natürlich nimmt, wenn sie angeboten werden, die aber nicht zwingend erforderlich sind, um den eigenen Import zu finanzieren. Die BRICS-Gemeinschaft basiert auf anderen Währungen und kann ohne den Rückgriff auf den US-Dollar oder den Euro miteinander Handel treiben. |
*)„EWK – Zur Lage“ ist ein Dossier, das im Abstand von ca. zwei Monaten erscheint und längerfristig wirksame Trends und Entwicklungen beleuchtet. Der Bezug ist an den Abschluss eines Förder-Abonnements gebunden.